Als ich plötzlich mitten in der Nacht aufwachte, wusste ich erst einmal nicht, wo ich war. Alles drehte sich noch von meinem komischen Traum, ich war ziemlich bedudelt und brauchte lange, bis ich bemerkte, dass ich zuhause in meinem Bett lag und es mitten in der Nacht war. Mensch, was alles in den letzten Stunden passiert ist ging mir so nahe, dass mein Körper im Ausnahmezustand war. Nervös fuhr ich mir über den Bauch. Es war ein komisches Gefühl, dass ich unser Kind erst vor wenigen Stunden verloren hatte. Nachdem mein Vater operiert wurde, musste er sehr geschont werden, erstmal aufwachen und sich ausruhen. Dies dauerte noch Stunden, also haben uns die Ärzte nach Hause geschickt, besonders weil er schon von meinem Verlust mitbekam. Meine Mutter und Mats wussten davon jedenfalls noch nichts und das sollte auch erstmal so bleiben. Schließlich war die Gesundheit meines Vaters nun Priorität. Die Zeit zum Verarbeiten mussten wir beide erstmal gemeinsam unter uns durchleben. Marco kümmerte sich wundervoll um mich, als wir zuhause ankamen. Er machte mir meinen Lieblingstee, eine Wärmeflasche und kuschelte sich mit mir ins Bett. Er brauchte nichts zusagen, wir wussten was der andere fühlte, aber andererseits wussten wir nicht was wir sagen sollten. Jedenfalls war ich froh, dass er da war und wir das gemeinsam durch standen.
"Bist du wach?" murmelte Marco plötzlich mit rauer Stimme in die Stille und drehte sich in meine Richtung. Kaum, dass ich mich zu ihm drehte, wurde ich auch schon von ihm in die Arme gezogen und sanft gestreichelt. Ich konnte seinen warmen Atem an meiner Stirn spüren, musste schlucken und sagte: "Ja, ich kann nicht mehr schlafen." Mein leises Fiepsen überraschte mich selbst. Jedoch war ich zu versunken in meinen Gedanken. Ich musste daran denken, wie sehr mich das letzte Jahr prägte und meine Beziehung zu Marco sich in wenigen Wochen so veränderte. Er war schließlich mein Verlobter, ich würde ihn heiraten und wollte genau das mehr als alles andere, aber warum waren uns denn bloß keine guten Zeiten gegönnt? Falls Gott da oben sich dachte mir weismachen zu wollen, dass Marco ohne Zweifel der eine für mich sei, dann hätte er das gar nicht machen müssen, dass wusste ich ehrlich gesagt schon lange bevor wir zusammenkamen. Marcos Daumen, der zärtlich über mein Gesicht fuhr; erst über meine Stirn, dann herunter zu meinen Lippen, auf denen er dann verweilte, holte mich zurück in die Realität. Ich drehte mich auf die Seite und schaute ihm in die Augen: "Bist du sauer?" fragte ich leise. Er schüttelte mit dem Kopf. "Natürlich nicht Bella. Ich bin weder sauer noch enttäuscht oder gebe dir die Schuld für irgendetwas. Ich kann verstehen, dass du es mir nicht direkt sagen konntest." lächelte er sanft. Unsere Augen funkelten um die Wette, bevor er seine Lippen auf meine legte. Schon lange explodierte das Feuerwerk nicht mehr so stark wie in diesem Moment in meinem Bauch. Nach diesem gefühlvollen und vor allem ehrlichen Kuss, sah die Welt schon wieder etwas besser aus. Ich genoss Marcos Nähe, seinen Geruch der sich wie Zuhause anfühlte und seine optimistische Ausstrahlung. Er spielte das Thema keinesfalls herunter, sondern sah einen wirklichen Hinweis un dem was geschehen ist. Marco nahm es als Warnung, ihm wurde klar, dass ich Zeit brauchte, dass man Liebe nicht für selbstverständlich nehmen sollte und dass es einfach nicht die richtige Zeit für uns war. Das hieß aber nicht, dass diese Zeit nie kommen würde, im Gegenteil. Auch da war er sehr optimistisch, legte seine Ängste ab irgendwann kein Vater mehr werden zu können. Wir wuchsen zusammen. Irgendwann schliefen wir Arm in Arm ein.
Am nächsten Morgen stieg der Geruch von Rührei in meine Nase. Marco der schon lange wach war, obwohl es gerade mal acht Uhr war, war unten schon gewaltig am herum rödeln. Ich brauchte nicht lange, um in meine lockere graue Hose zu schlüpfen und mir ein weißes Top über den Kopf zu ziehen. Meine langen braunen Haare fielen spontan über meine Schultern, während ich mir im Bad die Zähne putzte. Eigentlich nervte es mich jeden morgen, aber heute war es mir komplett egal. Gerade, als ich mich auf den Weg zur Treppe machte, vibrierte mein Handy in der Hosentasche. Es war Ann-Kathrin: "Bella, Schatz ich habe schon gehört von dem was mit deinem Vater passiert ist. Marco hat sich vom Training befreien lassen und es Mario erzählt Warum rufst du mich nicht an, du weißt doch ich bin immer zur Stelle." Mir rutschte erst mein Herz in die Hose, weil ich dachte Marco hätte auch von unserem Kind erzählt. Das wollte ich Ann-Katrin keinesfalls zumuten, sonst würde sie noch denken ich könnte mich nicht freuen, wenn sie bald Mutter wird. Also seufzte ich: "Wir fahren direkt nach dem Frühstück hin. Soll ich heute Abend noch bei dir vorbeischauen?" schlug ich vor. Sie willigte begeistert ein und legte nach ein paar lieben Worten friedlich auf. "Halt! Zieh dir direkt Schuhe an, Marco ist ein Glas heruntergefallen." schrie Mats mich direkt unten auf der Treppe an. Er reichte mir meine heißgeliebte Chucks und ich folgte ihm Augen verdrehend, nachdem ich in sie hinein schlüpfte. Das Knirschen unter meinen Füßen sagten mir eine weiter ausgeführte Saugaktion als Marco nur so vorraus und ich fragte mich, was er bitte für ein Monsterglas fallen ließ.Das Frühstück war trotz des zerstörten Glases lecker. Trotzdem fühlte ich mich komisch. Durfte man überhaupt so normal weiterleben, nach zwei solchen Schicksalsschlägen? Ich war in einem Zwiespalt und fühlte mich irgendwie schrecklich. Nachdem ich mich von der Arbeit befreien ließ, Nobby wusste schon von allem und war sehr verständnisvoll, fuhren wir ins Krankenhaus.
Meine Mutter war im Krankenhaus schon zwei Stunden vor uns da. Sie hatte tierische Angst um Papa, Augenringe bis nach Bagdad und eine gerötete Nasenspitze. Auch sie hatte ihr Päckchen zu tragen. Mein Vater sah schrecklich aus, als wir den Raum der Intensivstation betraten. Er war an etliche Maschinen angeschlossen, blass und seine Wangen waren eingefallen. Hauptsächlich schlief er, genau das war auch gut so, er brauchte Ruhe um sich zu erholen. Bei sich war er bis jetzt noch nicht richtig, realisierte kaum was passiert ist. Sein Anblick nagte sehr an mir, das bemerkte auch Marco. Er legte von hinten seine Arme um mich und küsste zärtlich meine Stirn. Mats lächelte sanft als er das sah. Wichtig war, dass Papa erstmal über dem Berg war und nicht mehr in Lebensgefahr.
Als ich bei Ann-Kathrin und Mario vor der Haustür stand war mir mulmig zumute. Vor wenigen Wochen wäre ich hier wie selbstverständlich hereinspaziert aber diese Leichtigkeit hatte ich momentan einfach nicht. Wir fletzten uns auf das große Sofa im Wohnzimmer und Schnackten. Ich war froh, als das Thema Papa vom Tisch war. Sein Anblick war wie vor meinem inneren Auge fixiert. "Irgendetwas anderes ist noch. Du hörst mir gar nicht zu." bemerkte sie irgendwann. Ich versuchte mich zurück zu halten, aber ihr hochschwangerer Anblick machte mich etwas traurig und all das, was ich versuchte zu verdrängen, explodierte plötzlich in mir. Tränen, die ich schon gestern Abend zuhause erwartet hätte, bahnten sich einen Weg an über meine Wangen herunter zu meinem Kinn. Meine trockene Haut brannte wie verrückt. Ohne Marcos schützendes Verhalten fühlte ich mich komisch. "Was ist los Süße?" fragte Ann schockiert und nahm mich sanft in den Arm. Die Emotionen, die ich in den letzten Stunden teilweise extrem zurück hielt, sprudelten nun umso mehr aus mir heraus und ich fand gar keine Worte, um es meiner Besten Freundin erklären zu können.
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Optimist
FanfictionNachdem die heute 20 jährige Dortmunderin Isabella ihre Schule beendete, fiel sie für einige Zeit in ein tiefes Loch. Sie war umgeben von schlechten Gedanken, Stress und Kummer. Ihre Eltern konnten diesen Zustand nicht mehr unterstützen und so gerie...