Kapitel 17

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Es war schon spät in der Nacht als ich schweiß gebadet aufwachte. Unruhig rollte ich mal auf die linke Seite, dann auf die rechte. Nichts half, ich konnte nicht mehr einschlafen. Mit Sicherheit war es der Alkohol, weswegen ich so unruhig schlief. Ein Blick auf die Uhr verriet mir, dass es schon halb vier war. Gar nicht mehr so viel Zeit, bis ich aufstehen musste. Ich strampelte die Decke von mir herunter. Wie ein Seestern breitete ich mich dann auf meinem großen Bett aus und ließ die frische Luft, die durch mein Fenster strömte, auf mich wirken. 
Wenn ich an den vergangenen Abend dachte, wurde mir übel, so schnell wie mein Herz raste. Trotzdem war ich innerlich extrem zerrissen. Zerrissener als vorher schon. 
Ein Teil in mir wollte sich auf Marco einlassen und mit ihm reden, der Andere wollte das alles umgehend stoppen, damit ich meiner kleinen, heilen, neuen Welt keinen Schaden zufügte. Obwohl Marco wohl eher eine Bereicherung in meinem Leben wäre, es gab trotzdem eine Masse an Argumenten die gegen ihn sprachen. Da war sein Alter, was mich störte weil er so viel weiter in seinem Leben war als ich. Da war sein Beruf, war es wirklich mein Ding durch ihn so in die Öffentlichkeit gezogen zu werden? Die Medien begangen doch schon bei einem Treffen in seinem Auto ohne irgendeinen Hintergedanken das Thema auszuschlachten. Wo sollte das denn noch hinführen? Was hatte das zwischen uns denn zusätzlich noch für Auswirkungen auf meinen eigenen zukünftigen Beruf? Schließlich würde ich, egal was passieren würde beim Verein arbeiten müssen. Außerdem, warum gerade ich? Ich war jung, unerfahren, wusste bis vor kurzem nicht mal wo meine Reise eigentlich hingehen sollte. Was sollte ich ihm denn bieten können? Was dachte er, hätte er an mir? Fragen aus denen ich nicht schlau wurde. Zumindest noch nicht jetzt.
Fakt war, sobald Marco um mich war, schien sich mein Kopf auszuschalten und mein Herz ergriff die Macht über meinen Körper. Ich wusste einfach nicht mehr, was richtig oder falsch war in seiner Anwesenheit und es schien ich in diesem Moment auch wenig zu interessieren.

Als ich aufwachte, lag ich immer noch in der Seesternposition, zu der ich mich mitten in der Nacht entschied. Hysterisch schaute ich auf meinen Wecker. Halb 8, Mist! Jetzt musste ich mich richtig beeilen. In Lichtgeschwindigkeit ging ich duschen, föhnte meine langen braunen Haare und zog mir die Sachen an, die ich auch schon Samstag im Stadion trug. Während ich die Treppe um zehn vor acht herunter sprintete, machte ich mir schnell einen Zopf. "Man, warum hat mich denn niemand geweckt!" schrie ich wie von der Tarantel gestochen. "Bella, du bist zwanzig Jahre alt!", schmunzelte meine Mutter: "Du solltest langsam von alleine wach werden können.". Ich warf ihr einen zornigen Blick zu: "Ja stimmt schon, aber man könnte ja mal eben klopfen, wenn man weiß, dass ich sonst zu spät kommen würde.","Reg dich nicht so auf, kleine." lächelte mein Vater plötzlich und legte seinen Arm beruhigend um meine Schultern.

Während wir nach Brackel fuhren, konnte ich meinen Blick nicht von der Umgebung abwenden. Völlig in Gedanken versunken nahm ich nur noch sie war und das Lied, das aus dem Autoradio dröhnte. Dieser Tag konnte nur schrecklich enden.
In meinem Büro angekommen, arbeitete ich am Laptop, während Shawn Mendes' "Lost in Japan" laut aus meinen Kopfhörern dröhnte. Irgendwie musste ich doch versuchen, meine Gedanken zu unterdrücken. Erst nach einigen Minuten sah ich, dass Nobby lachend in meiner Tür stand. Ich hörte auf mit dem Kopf zum Beat zu wippen und nahm die Kopfhörer aus den Ohren. Er grinste: "Sei froh, dass ich es nur bin, du sahst nämlich zum totlachen aus.","Bin ich auch." gab ich mit hoch rotem Kopf zu.
Nobby bat mich, ihm zu folgen. Langsam schlenderten wir durch die großen Flure des Gebäudes und je länger wir liefen, desto mehr fragte ich mich, was er überhaupt von mir wollte: "Sag mal Nobby, wohin bringst du mich eigentlich?","Wir brauchen dich für einen Dreh." antwortete er simpel. "Welchen Dreh?" fragte ich und überschlug in meinem Kopf die Drehs, die noch in Arbeit waren. Heute stand nur das Shooting und der Werbedreh des Weihnachtspullovers von Marco an. "Was soll ich denn beim Weihnachtsdreh machen?" hackte ich nach und grinste ihn unwissend und zuversichtlich an. "Wir brauchen noch eine hübsche junge Dame, für die Frauensachen. Die kann Marco ja schlecht auch noch anziehen." zwinkerte er. Meine Kinnlade rutschte nach unten und machte keine Anstalten sich wieder zu schließen. Auch mein Grinsen verschwand. "Äh, Nobby du weißt aber schon, dass ich hier arbeite und kein Model bin, geschweige denn eins sein will?" stellte ich klar und blieb mitten im Gang stehen. Fotogen war ich noch nie und meine Knie wurden jetzt schon weich, wenn ich nur daran dachte gleich vor dieser Kamera stehen zu müssen. "Bitte Bella, stell dich nicht so an. Du bist eine Naturschönheit!" sagte Nobby, mein Taufpate, daraufhin unterstützend. Ich rollte mit den Augen: "Könnt ihr nicht Ann-Kathrin fragen oder so?","Nein, das dauert zu lange. Wir müssen vor dem Training unbedingt fertig werden.". Ein Blick auf die Uhr verriet mir, dass es nur noch zwei Stunden bis zum Training waren. "Gut, aber das ist eine einmalige Sache, klar?","Versprochen!" grinste Norbert und hielt schwörend seine rechte Hand in die Luft. 

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