Mein Vater befahl mir, ein paar Tage Urlaub zu nehmen, als er mich so am Auto aufgefunden hatte. Er dachte, es käme von der ganzen Arbeit und hatte Angst, mir würde alles zu viel werden. Ich war ihm dankbar, dass er so fürsorglich war. Er hatte schon immer ein riesiges Herz.
3 Tage genehmigte ich mir selbst und war froh darüber. Der Abstand tat mir schon von Tag eins an mehr als gut. Gegen halb 10 in der früh ging ich Joggen, um mich richtig auszupowern. Musik dröhnte derweil laut aus meinen Bluetooth Kopfhörern. Sie ließ mich die Welt für eine knappe Stunde vergessen.
Ich war gerade wieder zuhause angekommen, da rief Sarah mich an: "Hi Bella, alles klar?","Ja, wieso?" log ich völlig außer Atem und setzte mich an die Theke in der Küche. "Was bist du denn so außer Atem?" fragte Sarah mit einem irritierten Unterton in ihrer Stimme. "War Laufen.", krächzte ich kurz angebunden und trank einige Schlücke Wasser, um herunter zu kommen: "Warum rufst du an?","Nur so, Jule hat mir erzählt du hättest dir Urlaub genommen. Du hast uns gar nichts erzählt.","Das war auch ganz kurzfristig." murmelte ich leise. Ich hörte sie am anderen Ende seufzen: "Aber es ist alles in Ordnung bei dir?","Ja ja." versicherte ich schnell und hoffte sie würde es schlucken. Kaum auszudenken ich würde ihr jetzt die Ohren voll heulen, weil ich mich in die anscheinend bedeutungslose Sache mit Marco hereingesteigert hatte. "Wenn du lust hast, komm doch nachher vorbei den Mädelsabend nachholen, diesmal wirklich ohne Jungs. Ich habe Jule ausquatiert, die sind heute alle bei Ömer. Ann-Kathrin kommt natürlich auch.","Ich behalte es im Hinterkopf, ja? Ich muss jetzt erstmal duschen. Schreibe dir dann später." sagte ich mit einem gezwungenem Lächeln.
Daraufhin duschte ich lange. Jeder einzelne Tropfen der auf meinem Körper abperlte, entspannte mich. Meine Haut wurde schon langsam schrumpelig, aber ich konnte einfach nicht aufhören. Obwohl ich eigentlich schon fertig war, schaffte ich es nicht. Frustriert war das passende Wort für meine Situation. Frustriert und unendlich scheiße. Ich glaube das Wort scheiße war doch passender. Denn ich fühlte mich scheiße und einfach nur verarscht. Am meisten nervte es mich, dass ich nicht aufhören konnte, daran zu denken. Während ich schlief, habe ich davon geträumt und als ich aufwachte, war es das erste woran ich denken musste. Die Vorstellung wie er einfach so wieder mit ihr zusammen war und sich wahrscheinlich keiner Schuld mir gegenüber bewusst war frustrierte mich. Ich war ja eh nur der Fußabtreter. Seufzend drehte ich den quietschenden Wasserhahn zu und wickelte ein Handtuch um meinen nassen Körper. Genug Selbstmitleid.
Ich beschloss mir meine Nägel in einem schönen rot zu lackieren und zog mir einen dazu passenden Wollpullover mit Rollkragen über den Kopf. Dazu kombinierte ich eine schwarze Hose in Lederoptik und schwarze Ankle Boots. Für meine Chucks war es langsam zu kalt. Meine frisch geföhnten Haare ließ ich offen über meine Schulter fallen und trug nach langer Zeit mal wieder mein Lieblingsparfum auf. "Musst du noch weg? Du hast dich aber schick gemacht." lächelte meine Mutter, während sie ihren Kopf durch meine Tür steckte. Ich musterte mich im Spiegel und musste ein wenig lächeln: "Ja ich wollte noch kurz in die Stadt. Ich habe mir nach meinem Geburtstag einen Termin bei dem Tattoostudio gemacht. Danach fahre ich eventuell noch zu Sarah.","Alles klar, genieße deinen Urlaub schön. Als Papa mir gestern erzählt hat, wie zerstreut er dich angetroffen hat, haben wir uns ganz schön sorgen um dich gemacht. Du erzählst uns doch ab jetzt, wenn es dir zu viel wird oder?","Ja, tut mir leid. Ich hätte es früher ansprechen können." log ich leise und senkte meinen Kopf. Die Lügen machte mich fertig, aber die Wahrheit war momentan einfach noch schlimmer für mich. Meine Mutter schenkte mir ein besorgtes Lächeln: "Okay, viel Spaß."."the best view comes after the hardest climb" waren die Worte die nun meinen Unterarm schmückten. Stolz betrachtete ich zurück in meinem Auto das Kunstwerk, welches mich dick eingecremt und unter Frischhaltefolie förmlich anstrahlte. Ich grinste, ein Spruch der nicht nur in meiner jetzigen Lage mehr wie Arsch auf Eimer zu mir passte. Lange genug hatte ich mir überlegt, was nun mein erstes Tattoo werden sollte und bis jetzt bereute ich es kein bisschen. Zugegeben, es war auch gerade mal seit 5 Minuten unter meiner Haut und das Adrenalin schoss bis jetzt durch meinen Körper. Voller Euphorie beschloss ich mich doch dazu, zu Sarah zu fahren. So wie ich Ann-Kathrin kannte, war sie sowieso etwas zu spät und auch noch nicht da. Also fuhr ich kurzerhand in Richtung Phönixsee.
"Bella, da bist du ja!", begrüßte mich Sarah glücklich: "Ich dachte schon, du würdest nicht kommen wollen." sie umarmte mich. Während ich ihre Wohnung betrat rannte Mason, ihr Hund, freudig auf mich zu. Ich beugte mich zu ihm herunter und streichelte ihn mit einem Grinsen.
"Du bist sogar eher als Ann-Kathrin." schmunzelte sie, während ich ihr ins Wohnzimmer folgte. Der ganze Raum war schon weihnachtlich geschmückt und strahlte im vollen Glanz der etlichen Lichterketten. Nur der Weihnachtsbaum fehlte noch: "Wow, du bist ja echt verrückt nach Weihnachten!" sagte ich erstaunt, während ich auf dem Sofa platz nahm. Auf dem Couchtisch platzierte sie drei Sektgläser und grinste mich an: "Ja, das stimmt.","Ich trinke heute keinen Alkohol.","Wieso das nicht? Weil du mit dem Auto bist?","Ja und weil ich seit Sonntag genug davon habe, erstmal.","Aber das ist doch schon zwei Tage her." kicherte Sarah, akzeptierte meine Entscheidung aber trotzdem und stellte mir ein normales Glas vor die Nase, indem ich mir direkt Cola eingoss. Ich brauchte erstmal Zucker nach der Tattoo-Aktion.
Es klingelte an der Tür und Sarah ließ Ann-Kathrin herein. Von weitem hörte ich sie schon: "Bella perfekt, dass du da bist!" und umarmte mich. Ich lächelte leicht. "Kannst du mich vielleicht später nach Hause bringen? Ich weiß Wichlinghofen ist voll der Umweg, aber Mario kann nicht mehr fahren nachdem er bei Ömer war.". Ich nickte grinsend: "Geht klar.","Super, danke.", strahlte sie und klatschte sich in die Hände: "Sag mal was hast du denn am Arm?" fragte Sarah daraufhin verwundert. Stolz zog ich meinen Ärmel hoch und zeigte ihnen mein erstes Tattoo, welches dezent und in einer sehr filigranen Schrift meinen Unterarm schmückte: "War heute im Tattoostudio, ist das Geburtstagsgeschenk meiner Eltern.","Wow, das sieht total schön aus." strahlte Sarah. Ann-Kathrin stimmte ihr zu. "Bleibt aber mein einziges keine Sorge." versicherte ich.
Wir entschlossen uns dazu, Kevin allein zuhaus zu schauen. Ich war den beiden so dankbar, dass sie mich von allem so ablenkten. Obwohl sie natürlich nichts davon wussten, sie schafften es trotzdem mich zum Lachen zu bringen und mich vergessen zu lassen, was gestern passierte.
Zwischendurch schlief ich zwar öfters ein, aber ich hatte in der Nacht auch kaum geschlafen."Willst du mir jetzt erzählen, was wirklich los ist? Als würdest du einfach so, von heute auf morgen Urlaub nehmen, ein paar Wochen vor Weihnachten." fragte Ann-Kathrin später im Auto. Draußen war es stockdunkel und teilweise glatt. Ich musste mich wirklich darauf konzentrieren uns nicht versehentlich umzubringen. Dieses Thema ließ mich jedoch darüber nachdenken, einfach den Wagen seinem Schicksal zu überlassen. Ann-Kathrin war manchmal einfach zu neugierig. Gut, ich wusste zwar, dass sie es nur gut meinte, aber trotzdem nervte es mich in diesem Moment. "Meinst du, Mario und ich hätten nicht gesehen, dass Marco dich geküsst hat?" fragte sie plötzlich ohne Hemmungen. Mein Herz schien für ein paar Sekunden stehen zu bleiben nach ihren Worten. Ich schaute sie schockiert an: "Wie? Du wusstest das die ganze Zeit?","Ja natürlich ich bin doch nicht blind. Also was hat Marco jetzt angestellt, dass du dir Urlaub genommen hast?" hackte sie ein wenig fürsorglicher nach. Ich räusperte mich: "Ich habe ihn gestern mit Scarlett auf dem Parkplatz gesehen. Erst haben sie sich nur angeschrien und dann hat sie wohl geweint. Marco hat ihr noch die Tränen weggewischt, bevor er sie umarmte und dann sind sie in sein Auto gestiegen und weggefahren. Ich hab dann wohl irgendwie ein bisschen geheult und mein Vater dachte, ich wäre überarbeitet.","Ich werde daraus nicht schlau. Marco hatte wirklich über ein Jahr kein Kontakt mehr mit Scarlett, das hat er sogar Mario versprochen. Da muss was anderes hinter stecken. Ganz sicher.","Und was? Du hast nicht gesehen wie innig das aussah und vertraut." murmelte ich. "Die beiden waren ja auch zwei Jahre zusammen und Marco ist ja auch kein Arschloch und lässt sie da einfach so stehen. Du solltest einfach mit ihm reden." meinte Ann-Kathrin fürsorglich und griff nach meinem Arm. Wir standen schon seit ein paar Minuten auf ihrem Grundstück. "Komm doch noch kurz mit rein.", ich nickte und folgte ihr.
Während wir das Haus betraten, wunderte sich Ann-Kathrin darüber, dass Licht im Wohnzimmer angeschaltet war. Kurz überkam uns die Angst. Wir schauten uns misstrauisch an, entschlossen uns aber doch rein zu gehen. "Mein Gott Mario, bist du bescheuert!" schrie sie plötzlich vor mir, als wir das Wohnzimmer betraten. Grinsend schaute ich über ihre Schulter, um Mario auch sehen zu können. Das mir damit aber auch bewusst wurde, dass Marco und André auch da waren. Mein Magen drehte sich in diesem Moment gefühlt fünf mal um sich selbst. Warum bin ich nicht einfach direkt gefahren anstatt noch mit Ann-Kathrin rein zukommen? Ich hätte mich in diesem Moment am liebsten selbst geschlagen. Jede missliche Lage die mir geboten wurde, musste ich anscheinend auch direkt mitnehmen. Es war zum kotzen. Mein Grinsen entwickelte sich zu einem gefühlslosen Gesichtsausdruck sobald sich unsere Blicke trafen. Marco, der mich eigentlich angestrahlt hatte, womit ich gar nicht rechnete warf mir daraufhin einen irritierten Blick zu. Ann-Kathrin stupste mich an und schenkte mir ein beruhigendes Lächeln, während Mario nur verständnislos hin und her schaute. "Gut, dass hier doch keine Einbrecher sind, Ann! Ich äh, ich gehe dann mal.", murmelte ich und machte umgehend auf dem Absatz kehrt.
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Optimist
FanfictionNachdem die heute 20 jährige Dortmunderin Isabella ihre Schule beendete, fiel sie für einige Zeit in ein tiefes Loch. Sie war umgeben von schlechten Gedanken, Stress und Kummer. Ihre Eltern konnten diesen Zustand nicht mehr unterstützen und so gerie...