Kapitel 66

2.1K 62 10
                                    

Mein Schluchzen war mit Sicherheit im ganzen Haus zu hören. Ich kam schnell in einen Zustand, in dem ich nicht mehr aufhören konnte, zu weinen. Egal was Ann-Kathrin und später auch Mario versuchten, ich konnte keinen einzigen vollständigen Satz mehr bilden obwohl ich es so sehr wollte. Nach wenigen Minuten in den armen meiner besten Freundin und mit den verzweifelten Versuchen von Mario mich aufzuheitern, was ihm sonst auch immer gelang außer heute, klingelte es an der Tür. "Gut, dass ihr da seid Bro. Wir wissen gar nicht, was mit Bella los ist." hörte ich gedämpft aus dem Flur. Als Marco plötzlich von Mats gefolgt in den Raum trat und ich ihn durch meine Tränen überfluteten Augen sah, stand ich wie von selbst auf und stürzte quasi in seine Arme. Beschützend legte er seine Arme um meinen zierlichen Oberkörper und seufzte traurig. Seine wärme durchströmte meinen Körper während er sanft über mein Haar streichelte. "Marco, was ist los? Ihr seid schon seit gestern so komisch." schaltete sich Mats ein. Durch das bestätigende Lächeln der anderen war besonders Marco in einer Zwickmühle. Der arme konnte in diesen Moment nur wenig Hilfe von mir erwarten, wischte also tapfer meine Tränen weg bevor er tief einatmete: "Bella hat gestern unser Kind verloren und es setzt besonders ihr einfach noch sehr zu. Ich glaube, sie konnte es dir gerade einfach nicht sagen Ann, weil sie dich nicht verletzen wollte. Schließlich bekommt ihr beide euren Sohn ja in wenigen Wochen." Wie immer klang Marco ziemlich gefestigt. Hätte ich ihn nicht und besonders seine Stärke, hätte ich mich niemals so schnell beruhigt. Er war mein absoluter Ruhepol. Die anderen schauten uns schockiert an. "Aber bitte sagt es erstmal keinem." schob Marco nach. Mario nickte heftig: "Natürlich nicht. Mir tut das total leid für euch.","Ach quatsch ihr könnt ja nichts dafür." lächelte Marco leicht. Während Ann-Kathrin nach den passenden Worten suchte, war Mats sprachlos. "Mensch Mäuschen das tut mir total leid. Du kannst mir immer alles erzählen, egal welche Umstände es gibt. Dafür bin ich doch da." sagte sie letztendlich sachte. Ich nickte kaum auffällig. "Ich glaube es ist besser, wenn wir jetzt gehen. Mario, kannst du mich morgen früh nochmal bei Aki abmelden? Er ist morgen ja in den Büros. Wenn was ist, soll er mich anrufen.","Selbstverständlich" antwortete Mario verständnisvoll. Daraufhin legte er seinen Arm um meine Schultern und führte mich behutsam hinaus zum Auto.  

Es dauerte einige Wochen bis ich mich wieder gefasst hatte. Es half mir ungemein, meinen Vater bei der Reha zu unterstützen die er so langsam in Anspruch nehmen konnte. Er erholte sich gut, es war trotzdem nicht so wie zuvor. Noch nicht. Schließlich hatte ich die Worte meiner Mutter nicht vergessen. Mein kleiner Engel beschützte meinen Vater nun ganz fest von oben, das wusste ich. Es war ein ziemlich vollgeladener Freitag, nach der Arbeit welche ich seit einer Woche wieder nachging, musste ich am Nachmittag zu Ann-Kathrins Babyshower. Die Planung hatte Sara netterweise übernommen und solidarisch wie wir Weiber waren, waren die Männer auch auf ein Bier eingeladen. Gerade schlenderte ich gedankenverloren durch den Flur, als ich in Roman rein lief: "Sorry" murmelte ich. Er lächelte wie immer warm. Dabei funkelten seine Teddyaugen nur so miteinander um die Wette: "Geht's dir gut? Du siehst so unzufrieden aus." fragte er zögerlich. "Den Umständen entsprechend." antwortete ich. Behutsam strich er mir über den Oberarm und lächelte sanft: "Wenn etwas ist, tue dir keinen Zwang an mit mir darüber zu sprechen.". Ich musste lächeln, er war zu lieb für die Welt. "Übrigens, Marco sucht dich. Aber der ist bestimmt schon auf dem Platz." erwähnte er noch auf dem halben Weg durch den Flur. Irritiert zog ich meine Augenbrauen her und schlenderte auf dem kürzesten Weg auf den Trainingsplatz. "Bella" Marco lief atemlos auf mich zu und küsste mich sanft: "Ich habe dich überall gesucht.","Was ist denn los Marco?" fragte ich ahnungslos. Er zog mich ein paar Meter weiter von den Anderen weg und lächelte unsicher: "Warte heute zuhause auf mich, bevor du zu Mario fährst.","Wieso denn das? Dein zweites Training dauert so lange und ich soll doch die Cupcakes pünktlich mitbringen die ich extra gestern Nacht gebacken habe. Sara bringt mich um wenn ich unpünktlich bin.", Marco schüttelte vehement seinen Kopf: "Unser Training wurde extra vorverlegt und ich beeile mich auch. Warte bitte auf mich. Meinetwegen kannst du auch schon gestriegelt und gesporen sein.";"Na gut." lächelte ich zart. Seine Gesichtszüge erweichten und sein wunderbares Lächeln, dass er übrigens nie verlor während der schweren Zeit und mich immer besänftigte, kam zum Vorschein. Ich liebte diesen Mann so sehr.

"Da bin ich." hörte ich um kurz nach drei von unten. Kurz darauf hörte ich Marco die Treppen hoch sausen, dann stand er im Schlafzimmer vor mir und ich war baff. "Marco Schatz, was ist das? Ist das für Ann-Kathrin?" fragte ich. In seiner rechten Hand hielt er einen Heliumluftballon auf dem ein großer Stern prangte und in der Anderen Hand eine Kiste. "Das ist für uns." lächelte Marco schüchtern. Ich verstand gar nichts mehr. "Ich habe dir doch versprochen, dass ich mir etwas ganz besonderes einfallen lassen werde für unseren Engel." erklärte er hastig. In wenigen Sekunden wurde ich auf Bett, und da auf seinen Schoß, gezogen. Dann begann mein Verlobter den Erklärbär zu spielen: "Ich habe im Internet gelesen, dass Kinder die vor der Geburt verstorben sind Sternenkinder genannt werden.", ich nickte zustimmend: "Ich auch." hauchte ich sanft. "Deswegen der Ballon. Ich habe hier eine Karte und darauf schreiben wir einen Brief an unseren Engel und lassen den Ballon steigen. Was hältst du davon?" fragte er emotional. Mir schossen die Tränen in die Augen: "Das schöner als alles, was ich mir jemals hätte überlegen können." gab ich zu und drehte mich so zu ihm, dass ich ihm tief und vor allem ehrlich in die Auge sehen konnte. Marco gab mir einen kurzen Kuss: "Und dann, hier in der kleinen Kiste habe ich dein Geschenk für mich, als du es mir erzählen wolltest, also die Schühchen und den Gag-Vaterpass." nebenbei strich Marco mir eine Träne aus dem Gesicht. Wir nahmen uns die Zeit, unsere Wünsche und Gefühle aufzuschreiben und schrieben unserem Engel einen Brief. Nun war er unser persönlicher Schutzengel. Auf unserem Balkon, der am Schlafzimmer angrenzte, genossen wir das schöne Wetter. Es wurde schon frischer, der Vorabend brach an, als wir unser Kärtchen am Ballon festbanden. "Bereit?" fragte Marco während er meine Hand in seine schloss. Den Ballon hielten wir gemeinsam mit unseren freien Händen fest. Ich nickte nach einem tiefen Atemzug: "Drei...","Zwei..." hauchte Marco. "Eins." murmelten wir zusammen und ließen zitternd den Ballon los, der sich seinen Weg hoch zu den Wolken bahnte. Auch Marco vergoss eine kleine Träne. Das sah ich, als er sich in meine Richtung drehte: "Ich liebe dich so sehr Bella. So sehr, dass ich dich jetzt nochmal fragen würde, ob du mich heiraten würdest, wenn ich es nicht schon lange getan hätte." kicherte er erleichtert, aber war natürlich trotzdem ernst. Ich nickte: "Ich liebe dich auch. Über alles. Wir schaffen das schon." lächelte ich. Wir küssten uns ganz lange und emotionsgeladen. "Wir schaffen alles." hauchte Marco irgendwann dazwischen gegen meine Lippen. Wir lächelten in den Kuss hinein. Er war perfekt und diese Idee war wunderschön, um seine Trauer wenigstens etwas zu bewältigen.

OptimistWo Geschichten leben. Entdecke jetzt