Kapitel 50

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Es vergingen ein paar Wochen. Wochen in denen ich Zeit hatte mich in meinem neuen Leben einzufinden. Ich stand nun mit beiden Füßen fest auf dem Boden der Tatsachen, war strukturiert und vor allem organisiert.
Aber wie heißt es so schön? Die Ruhe kommt immer vor dem Sturm.
So war es dann auch.
Es schien ein normaler Tag zu werden. Marco düste schon früh nach Brackel während ich auf dem Weg zur Uni war. Es war inzwischen fast Ende Mai. ziemlich warm und dazu stand fast Marcos Geburtstag an. Er trug im Alltag zur Unterstützung wieder eine Schiene, dies hatte aber momentan nur gutes zu Bedeuten, denn im individuellen Training und während der Rehabilitation brauchte er sie schon lange nicht mehr. Es ging also bergauf. Zwar in einem Affentempo zum Start der nächsten Saison, aber ich versuchte so gut wie möglich mich nicht zu ängstlich damit zu beschäftigen und das obwohl er so wenig Zeit hatte, nur am Trainieren war oder am Fahrrad fahren. Zuhause war er dann die meiste Zeit mit Kräftigungsübungen beschäftigt. So hatte ich mir das eigentlich nicht vorgestellt. Ich hatte Angst er würde sich übernehmen.
Während Marco also in Brackel zum Biest mutierte, ich auf dem Campus mein Gesicht der warmen Mittagssonne entgegen streckte und sie genoss, ging es Mats hundeelend und niemand konnte etwas dagegen tun. Wenigstens waren die beiden so weit, dass Ludwig hin und wieder auch mal seine Mama sehen konnte. Cathy hatte Mats tatsächlich betrogen in deren Ehebett. Ich wäre ausgerastet, hätte um mich geschlagen, aber Mats? Der hat seinen Sohn und die seine sieben Sachen mitgenommen und ist direkt nachdem er Cathy und ihre mysteriöse Affaire erwischte, nach Dortmund abgehauen. Dazu schaffte er es die ganze Zeit es vor uns zu verheimlichen. Jedenfalls ist er jetzt, seitdem die Bombe geplatzt ist, am Boden zerstört. So viel dazu. Aber das sollte noch nicht alles gewesen sein.

Mein Uni-Alltag hatte sich mittlerweile zur spaßigen Angelegenheit entwickelt. Nach langem Überlegen entschied ich mich dazu Tim als meinen Tutor abzuschreiben und bekam dafür Mona, ein liebes Mädchen in meinem Alter mit der ich immer Lachen konnte. Sie wurde zu einer tollen Freundin von mir. Tim nervte zwar noch, aber glücklicherweise musste ich ihn nicht mehr täglich sehen. "Na du Model?" kicherte Ann-Kathrin, die zusammen mit ihrem dicken Bauch neben mir auf der Bank platz nahm. Stimmt, ich hatte ganz vergessen dass sie mich abholen wollte. Sarah und ich hatten ihr versprochen, dass wir mal wieder einen Shopping-Trip durch die Innenstadt machen würden. Ich umarmte sie: "Na Schwango, wie läufts?","Nur noch 12 Wochen, dann kommt der Pimpf." erwähnte sie glücklich und streichelte liebevoll über ihren dicken Babybauch. "Weiß ich doch, ich meine eher so das Problemchen mit dem Wasser in deinen Füßen." grinste ich während ich euphorisch aufsprang. "Das wird nicht besser, eher schlechter bis zur Geburt. Logisch wenn man mal darüber nachdenkt." ächzte sie achselzuckend während sie von der Bank aufstand. Gemeinsam machten wir uns auf den Weg in die Innenstadt. "Ach so läuft das mittlerweile." unser Gespräch wurde von einer mir sehr bekannten Person unterbrochen. Ann und ich schauten ihn super angenervt an: "Zieh Leine du Vogel, heute ist Mädelstag!" zischte Ann-Kathrin daraufhin sauer. "Sag mal Bella, das ist doch bestimmt dein Plan oder? Dem Reus ein Kind anzudrehen? Um dann ordentlich zu kassieren?" Ich antwortete nicht auf Tims Provokationsversuche. Der Kerl war wohl nicht nur stecken geblieben bei einem Alter von aller höchstens fünfzehn, sondern war dazu auch noch derbe in seinem Stolz gekränkt. Nicht nur weil ich ihn als Tutoren ausgetauscht hatte, sondern auch weil ich ihm vor ein paar Tagen klar gemacht hatte, dass zwischen uns nie wieder etwas laufen würde und er die Vergangenheit endlich ruhen lassen würde. "Pass lieber auf, dass du nicht leer ausgehst!" zischte ich Augen verdrehend. 

Nach unserem anstrengenden aber erfolgreichen Shoppingtrip, ich hatte das perfekte Geschenk für Marco gefunden, gingen wir noch zu einem leckeren Italiener und schlemmten was das Zeug hielt. "Und Cathy hat Mats wirklich in deren Ehebett betrogen?" fragte Sarah erschrocken. "Ja, richtig mies. Das hätte ich ihr niemals zugetraut. Mats geht es hundeelend." nuschelte ich, noch mit Essen im Mund. "Als wenn es nur schlimm ist wegen dem Ehebett ihr Dummerchen, die ganze Sache ist so oder so eine Misere. Niemals hätte ich damit gerechnet. Der arme Ludwig. Würde Mario das machen dann würde ich ihm keine ruhige Minute oder gar Schlaf gönnen." ihre Augen wurden immer kleiner, formten sich zu Schlitzen. "Oh, oh. Dann möchte ich nicht in eurer Nähe sein." schmunzelte ich. Ann-Kathrin warf mir einen bösen Blick zu. "Spaß bei Seite, erstens würde Mario das niemals machen und zweitens will ich über so etwas gar nicht mehr reden. Das ist ja schrecklich.","Naja" begann ich nachdem ich meine Cola leer trank: "Von Cathy hätte das doch auch niemand gedacht." warf ich in den Raum. Wir drei schauten uns für einen kurzen Moment an: "Aber nicht unsere Männer." stellten wir gleichzeitig fest.

"Kannst du den Rückweg bitte fahren?" fragte Marco, der mich am frühen Abend netterweise auf seinem Heimweg einsammelte. Ich runzelte meine Stirn, während ich wortlos auf der Fahrerseite des Aston Martins einstieg und den Motor anstellte. Ich meine, wer lässt sich so ein Angebot schon entgehen?"Hast du dich übernommen?","Ne, wieso?","Na weil ich dein schmerzverzerrtes Gesicht beim Einsteigen durchaus wahrgenommen habe Marco." tadelte ich. "Ist nur Muskelkater","Du übernimmst dich. So funktioniert das alles auch nicht schneller. Wenn du Pech hast dauert es eher länger.","Bella, misch dich da jetzt nicht ein. Ich weiß sehr wohl was ich meinem Körper zu trauen kann und was nicht." Ich zog meine Augenbrauen auf seine schnippische Antwort hoch: "Wenn du meinst, dann mach doch was du willst." murrte ich. Die ganze Autofahrt lang schwiegen wir uns daraufhin an. Mich störte dieser Egoismus enorm. Uneinsicht, das war das, was er momentan an den Tag legte. Helmut hatte mir gestern noch erzählt, dass niemand ihm in seine Planung reinreden durfte. Ich hatte einfach Angst, dass ihm was passieren würde. Ich hatte keine Lust mehr auf Krankenhausaufenthalte, Trauer, Schmerzen  und Streit, sondern wollte endlich wieder eine normale Beziehung führen, aus gehen, etwas erleben, noch besser: leben. Aber dafür mussten erst noch einige Sachen abgehakt werden.

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