Kapitel 78

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"Bella, bist du bescheuert? Was machst du denn so spät noch hier?" fragte Mario schockiert und weckte mich damit unsanft aus meiner ehrlich gesagt eh ziemlich unangenehmen Schlafposition. Müde kratzte ich mich am Hinterkopf und sammelte mich erstmal für einige Sekunden, bevor ich mich von meinem Bürostuhl aufrichtete und meine Jacke anzog und mich mit dem aufgeregten Huhn beschäftigte, dass im Türrahmen meines Büros lehnte: "Äh, ich habe nur noch viel zu viel machen müssen, das hätte ich sonst nicht fertig bekommen und morgen muss ich doch wieder in die Uni." log ich schnell und das ohne mit der Wimper zu zucken. "Und du?" fragte ich frech zurück. Der konnte ja gut schimpfen, wenn er selbst hier war. Mario hielt sein Ladekabel demonstrativ in die Höhe: "Hier, hatte das irgendwie vergessen.","Du fährst extra deswegen um halb zehn noch hier hin?" fragte ich ungläubig, schnappte mir beim Vorbeilaufen meine Tasche und stellte das Licht sorgfältig aus, bevor ich gähnend zu ihm in den Flur ging. "Ja anscheinend habe ich unterbewusst gemerkt, dass hier etwas nicht ganz richtig läuft. Das Marco da auch nichts zu sagt oder dich mit nach Hause nimmt." schimpfte er kopfschüttelnd. Ich begann nervös zu husten und lief schnell vor, während er noch die Tür meines Büros zuzog, um diesem Gespräch zu umgehen. Aber das schaffte ich so oder so nicht. Mario war manchmal schlimmer als Ann-Kathrin in solchen Sachen. Als er mich einholte warf er mir wie ich erwartete einen erwartungsvollen Seitenblick zu. "Wir haben uns nichts mehr zu sagen, wieso sollte er mir dann überhaupt noch etwas sagen?" räumte ich wütend ein, als wir schon längst auf dem Parkplatz angekommen waren. Mario lief vor mir und blieb plötzlich verdattert stehen. "Hey, pass doch mal auf!" motzte ich als ich sehr nachdenklich und vor allem ungeniert in seinen Rücken knallte. "Wie bitte?" fragte er, meine Beschwerde konsequent ignorierend. "Marco und ich sind nicht mehr zusammen, weil er ein egoistischer Arsch ist, der nach England wechseln will und ich in dieses Leben nicht so hereinpasse, wie er es will. Vielleicht solltest du dich mal fragen warum dir dein bester Freund so etwas nicht mehr erzählt. Der stellt sich nämlich momentan an, als wäre er ausgerutscht und ganz derbe dabei auf den Kopf gefallen." erklärte ich mit wütender, zittriger Stimme. Mario schüttelte ungläubig den Kopf: "Ist der bescheuert? Dann war Marco ja gar nicht auf PR Veranstaltungen.","Wow Sherlock, super kombiniert." murmelte ich augenverdrehend und verschränkte meine Arme energisch vor der Brust. "Wolltest du deswegen hier schlafen?" fiel ihm dann auf. Da ich eh nichts mehr zu verlieren hatte nickte ich wortlos. "Aber sag es nicht Ann-Kathrin bitte." fügte ich kurz hinzu. Nun war er derjenige der wortlos nickte.
Mario bot mir natürlich an bei ihnen schlafen zu können, aber das schlug direkt ich aus. Eine frischgebackene Familie brauchte nicht auch noch eine gestörte Alte bei sich zu Hause sitzen haben. Im Endeffekt saß ich also wie so oft in den letzten Tagen regungslos im Auto, weil ich mich einfach nicht bewegen konnte. Mir machte es angst dieses Haus zu betreten, wenn er anwesend war. Mats lebte dort zwar auch noch, die Frage war nur wie lange noch. Die Wohnung am Phönixsee überließ ich ihm sogar netterweise, weil er so langsam echt mal eine eigene Butze brauchte und ich überhaupt nicht damit rechnete, Marco so schnell wieder zu sehen.

Als ich dann halb elf das Haus betrat, war es so ruhig, dass ich dachte alle wären schon am schlafen. Jedoch wurde diese Hoffnung im Keim erstickt, als ich die große Wohnküche betrat. Marco lag totmüde mitten auf meinem vorübergehenden Nachtlager, dem Sofa. Sauber, dachte ich mir. Bestimmt roch meine Bettdecke gleich wieder nach ihm und dann konnte ich später mit Sicherheit nicht schlafen. Direkt stellte ich mir die Frage, wie ich den da überhaupt noch herunterkriegen soll. Der schlief ja schon mit offenen Augen. Bei einem zweiten Blick fiel mir auf, dass er überall Kerzen angezündet hatte. Ein paar auf dem Wohnzimmer, ein paar auf der Fensterbank und ein paar auf den Regalen der Fernsehwand. Davon wurde ich direkt nervös und mein Magen drehte sich. Ich setzte mich vorsichtig zu ihm ans Bett und beobachtete ihn beim Dösen. Das alles strahlte solch eine Vertrautheit aus, dass ich glatt für ein paar Minuten unsere Trennung vergaß. "Da bist du ja" grinste Marco schüchtern und verschlafen. Er fuhr sich durch seine platten Haare bevor er sich streckte. Ich wusste nicht so recht was ich sagen soll und blieb deswegen ruhig. Marco setzte sich auf und räusperte sich, bevor er es nochmal versuchte: "Ich, äh, habe auf dich gewartet. Die Pizza hat Mats dann irgendwann gegessen, weil du nicht gekommen bist.","Achso und warum hast du auf mich gewartet?","Weil wir unbedingt miteinander reden müssen, Bella." Ich zog skeptisch meine Augenbrauen hoch und wäre am liebsten direkt wieder rückwärts aus dem Haus geflüchtet. "Dann schieß los." murmelte ich. Marco rutschte ein wenig näher und legte seinen Arm um meine Hüfte. Direkt legte sich eine Gänsehaut über meinen zierlichen Körper. Viel zu lange hatte ich seine Nähe schon nicht mehr gespürt. Ich konnte mich ja nicht mal mehr an unseren letzten Kuss erinnern. "Ich glaube ich musste erst nach England fahren, um zu bemerken wie dämlich diese Entscheidung eigentlich ist. Als das Flugzeug abgehoben ist und ich Dortmund von oben gesehen habe, habe ich erstmal gemerkt wie egoistisch ich war als ich gegangen bin und was genau ich da eigentlich hinter mir lassen würde. Ich kann das nicht ohne dich, mein Schatz. Schon am ersten Tag wollte ich dich anrufen, aber ich musste wenigstens die drei Tage Pflichtprobetraining durchziehen. Klopp hat direkt gemerkt, dass irgendetwas war und mir dann auch nochmal den Kopf gewaschen, aber das brauchte ich schon gar nicht mehr. Meine Mutter hat mich schon direkt am Telefon zusammen gestaucht, genauso wie Mats. Ich habe gemerkt, dass das nicht das richtige auf mich war und damit meine ich nicht nur das Training. Ich will beim BVB bleiben, hier zu Hause. Ich habe mich für dich entschieden, für meine große Liebe und für mein Zuhause, das nur da ist wo du auch bist." erklärte er aufgelöst. Mir stiegen umgehend die Tränen in die Augen. So gerne ich auch diese Worte hörte, ich war trotzdem so verletzt: "Du hast mich einfach verlassen können. Einfach so Marco! Und dann bist du am nächsten Tag schon weggewesen. Ich bin so enttäuscht von dir. Du weißt genau, wie sehr ich dich liebe und brauche! Ich habe doch nicht umsonst ja zu deinem Heiratsantrag gesagt! Ich hätte erwartet, dass du dich direkt für mich entscheidest und wenigstens Kampfgeist zeigst! Ich weiß doch gar nicht mehr, wie ich dir jetzt noch vertrauen soll!" schniefte ich aufgebracht. Verzweifelt schaute er mich an, schlang dann umgehend seine Arme um meinen Körper und drückte mich so fest er konnte an sich. Sein Herzschlag war genauso schnell wie meiner. "Ich kann nicht oft genug sagen, wie leid es mir tut. Ich bin selbst extrem enttäuscht von mir." murmelte er leise, schaute mir dabei jedoch ehrlich in die Augen. Daraufhin wischte er mir zärtlich die Tränen weg. Ich biss mir auf die Unterlippe, war hin und her gerissen. Marco lächelte mich sanft an, spielte beruhigend mit meinen Haaren, bevor er meinen Rücken gegen seine Brust drückte und sich dann langsam am Sofa anlehnte. "Wir haben in der letzten Zeit so viel durchgemacht zusammen, aber davon lassen wir uns doch nicht unter kriegen, oder?" hauchte er optimistisch und sanft gegen meinen Hals. Ich hasste mich in diesem Moment dafür, ihm nicht böse sein zu können. Ich liebte ihn einfach viel zu sehr und ich wusste, dass er mich auch genauso liebte. Also drehte ich mich ein wenig um ihn ansehen zu können und nickte stumm, aber breit grinsend. Marco begann zu strahlen, legte sanft ein paar Finger unter mein Kinn, um es zu unterstützen und drückte dann seine Lippen gefühlvoll auf meine. Endlich konnte ich sie wieder auf meinen spüren, endlich war da wieder dieses schöne Feuerwerk in meinem Bauch, endlich hatte ich meinen Freund wieder. Vielleicht brauchten wir genau das, um wieder auf den Boden der Tatsachen zu kommen. Es zählte nur das wir uns liebten, egal was in der letzten Zeit alles passierte. Das schöne war nur wichtig, denn alles Andere haben wir überstanden. Diesen Mann konnte ich einfach nicht mehr gehen lassen, denn er war meine große Liebe. Ich wollte dieses ganze Drama doch nie, ich brauchte das nicht. Alles was ich brauchte war er und das hieß, wir mussten endlich lernen in die Zukunft zu schauen und uns zusammenzureißen. Genau deswegen genoss ich es auch so, endlich wieder mit ihm bei romantischen Kerzenschein kuscheln zu können. Wobei die Kerzen mich kaum interessierten, da wir uns so viel zu erzählen hatten und ich so glücklich war, dass er sich für mich entschied.

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