Kapitel 44

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Nach ein paar ehrlich gesagt unwichtigen Stunden saß ich mir in der lauten Cafeteria den Hintern wund und checkte mein Smartphone dabei beiläufig. Die meisten Studenten hier waren totale Snobs, entweder hatten sie reiche Eltern oder eine total surreale Lebensvorstellung. Alle wollten sie Management studieren, in den verschiedensten Bereichen, danach ins Ausland, oder in eine große Firma. Dann gab es da noch mich, war dazu doch eigentlich einfach ohne darüber nachzudenken in die ganze Sache hereingerutscht. Als unfair empfand ich das jetzt nicht, sondern es waren einfach andere Umstände. Sie hatten Ehrgeiz, ich hatte wohl irgendwie Glück. Glück, bis jetzt. Nach dem Ehrgeiz war ich ehrlich gesagt noch auf der Suche.

Jedenfalls schien alles gar nicht so schlimm zu sein, wie ich es erwartete. Manche waren sogar teilweise ganz nett, aber dann war da ja noch jemand von dem ich wusste, dass er mir manche Tage zur Hölle machen könnte. Wenn Tim es nicht bewusst machen würde, dann mit Sicherheit unterbewusst. Nervös kaute ich auf meiner Unterlippe herum, während ich mit Marcos Kette an meinem Hals herumspielte. Nur noch drei Stunden, dann könnte ich zu ihm nach Hause.
Als hätte er über meine Gedanken gewusst, kam er in diesem Moment auf mich zu und setzte sich gegenüber von mir an den Tisch: "Oh neuen Klunker von deinem Fußballprofi?" grinste er provokant. Ich neigte meinen Kopf zur Seite und warf ihm einen fragenden Blick zu: "Wie bitte?" hackte ich ungläubig nach. Er begann zu lächeln: "War eigentlich nur ein Spaß. Ich kann es einfach nur nicht glauben. Damals warst du immer so abgeneigt von dem Beruf deines Vaters und hast uns nicht mal Karten besorgt.","Nun ja, ich bin ja immerhin auch keine Vermittlungsstelle für Tickets oder gar deine private Ticketbörse." stellte ich klar und zuckte mit den Achseln. Er grinste: "Da hast du recht. Wie findest du es hier?","Irgendwie laut, groß und Angst einflößend." lächelte ich unsicher. Tim begann bestätigend zu nicken: "Genauso dachte ich auch. Aber vom Typ her würde ich sagen deine Wahl war sehr treffend." lobte er mich plötzlich. Daraufhin grinsten wir uns beide wie blöd an. Also gab ich doch nach: "Ich kann ja mal gucken was sich machen lässt, wie viele Karten?","Wenn du mich begleitest zwei." zwinkerte er. "Dann gucke ich mal nach fünf, dann kann ich Marco mal überreden wieder ins Stadion zu gehen. Nur der kann leider nicht auf die Süd, also wären wir dann in dem abgetrennten Bereich für Angehörige.","Hört sich doch gut an, ein Heimspiel von Dortmund und es dann auch noch zusammen mit dem Kapitän angucken zu dürfen ist doch der Jackpot.","Ich sagte erstens, dass ich mal sehen werde, was sich machen lässt und zweitens, dann dass Marco vielleicht mitkommt, nicht dass er es mit Sicherheit tun wird." stellte ich klar. Er schmunzelte: "Als würde er eine hammer Frau wie dich, mit ihrem Ex-Freund alleine ein Spiel angucken lassen." Mit hochgezogenen Augenbrauen stand ich gelangweilt von meinem Tisch auf, als alle um mich herum wie eine Meute wilder Hühner aufsprangen und verschwanden: "Überleg dir gefälligst gut was für einen Müll du erzählst, sonst kannst du zu meinem Angebot Ade sagen." erklärte ich harsch, kurz bevor ich im lauten Getümmel verschwand. Tim war einfach ein totaler Idiot, ich konnte froh sein dass ich ihn los war.

"Wie bitte? Weißt du was du da gerade von mir verlangst?" fragte Marco mich am Abend ungläubig, während er dabei die gerade in sich hinein geschaufelten Nudeln ausspuckte. Seine angekündigte Überraschung stellte sich als Einladung zu einem noblen Italiener heraus und war definitiv eine tolle Idee. Wir saßen gegenüber von einander an einem kleinen Tusch und hatten gerade unser Essen bekommen. Ich zuckte mit den Achseln während ich mir eine Tortellini in den Mund schob: "So eine Horrorvorstellung ist das ja jetzt auch nicht." murrte ich geknickt. "Du findest es also nicht komisch, dass ich nächste Woche mit dir und deinem Exfreund ins Stadion gehen soll?" hakte er immer noch ungläubig nach. Ich grinste: "Nö, wieso?","Gut, dann rufe ich gleich mal Scarlett an, die will bestimmt auch gerne mit." entschloss er ironisch und zückte provokant sein Handy aus der Hosentasche. Ich ließ in diesem Moment extra laut die Gabel fallen und warf ihm einen ernsten Blick zu. Lächelnd legte er das Smartphone wieder auf den Tisch und griff nach meiner Hand, die eigentlich gerade nach dem Weinglas griff: "Schatz, jetzt hör doch auf so zu gucken, ich habe nur einen Spaß gemacht." beruhigte er mich. Sein Daumen strich sanft über meine Handoberfläche und brachte mich direkt damit herunter. Derweil schauten seine warme grün-braunen Augen tief in meine, es war so als konnte er so mein Inneres lesen. Ich seufzte: "Komm schon Marco, bitte! Ich muss mich gut mit ihm stellen, ansonsten werden die nächsten drei Jahre zu meiner persönlichen Hölle. Ansonsten gehe ich halt alleine mit ihm. An die Karten komme ich auch ohne dich." erklärte ich ängstlich. Amüsiert stieß er Luft aus und rollte mit seinen Augen: "Ist ja gut, ich besorge die Karten und komme mit. Ein Spiel will ich ja auch noch vor der Operation live sehen, bevor ich in der Hinrunde wieder durchstarten kann." Bei dem Wort Hinrunde verkrampfte sich mein Magen, wie konnte ich ihm bloß endlich weiß machen dass er noch Zeit brauchte? Dieses Vorhaben schob ich fürs Erste beiseite und schaute ihn unschuldig an: "Aber ohne Scarlett, oder?" fragte ich leise. Er nickte überzeugend: "Natürlich, ich habe doch nur dich im Kopf meine Kleine." zwinkerte er. Damit wollte er betonen, dass ich meinen Exfreund trotzdem anschleppte. Nun rollte ich mit meinen Augen: "Ich habe doch auch nur dich in meinem Kopf." Marco, der auf diese Worte damit begann wie blöd zu grinsen, nahm meine Hand nun in beide seiner Hände und gab mir einen dicken Schmatzer darauf: "Weiß ich doch." Ich musste glücklich lächeln, er war einfach perfekt.

"Danke, für das tolle Essen. Die Idee war unschlagbar gut." flüsterte ich auf dem Weg zurück zum Auto. Wir blieben kurz stehen um uns zu Küssen. Es fühlte sich so an, als wäre das letzte Mal ewig her gewesen. Dabei war es heute morgen. Obwohl, lange her war das ja schon. 
Als wir weiter gingen griff er beherzt nach meiner Hand und räusperte sich: "Ich muss dir unbedingt noch was erzählen.","Was denn?" fragte ich unwissend. Für ein paar Sekunden war es still zwischen uns. "Ich habe mich heute mit deinem Vater gesprochen und ein ernstes Gespräch mit ihm geführt, über uns und über sein Verhalten gegenüber dir." Ich musste laut schlucken: "Du hast was?" frage ich dann erschrocken und blieb auf der Stelle stehen.

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