"Und? Darfst du morgen spielen?" fragte ich neugierig als Marco plötzlich auf der Fahrerseite seines Autos einstieg. Ich habe vor dem Training nach seinem Schlüssel gefragt, damit ich im Auto warten konnte, sobald er duschen ging. Mit ihm kam ein Schwung voller kalter, frischer Luft ins Auto, sowie der gute Duft seines Duschgels. Marco atmete laut aus: "Nein, leider nicht.","Oh, kacke.","Ist nicht schlimm." grinste er. "Hä? Seit wann ist denn sowas in Ordnung für dich? Weißt du wie viele Wochen du schon aussetzen musst, nur weil du bei Nieselregen ausgerutscht bist." warf ich hysterisch in den Raum. Wäre die Situation eine Andere, hätte ich mir in diesem Moment ganz sicher nicht den Spruch gegen sein Alter sparen können. Schließlich sind über 2 Wochen eine lange Zeit für ein überdehnten Knöchel vom Ausrutschen. Aber konnte ich mich gerade wirklich über sein Alter amüsieren, während ich in seinem Auto saß, um mich mit ihm bei in seinem zuhause zu treffen? Und vor allem, weil ich versprochen habe für ihn zu kochen? Mein Magen fuhr Achterbahn. Warum eigentlich Kochen? Wenn ich eins nicht konnte dann Kochen. Marco grinste immer noch mit einem kurzen, gleichgültigen Achselzucken. Meine Stirn legte sich in Falten. Dieses Verhalten von ihm erschien mir zu diesem Zeitpunkt mehr als fragwürdig.
Plötzlich hielt er mir zwei Karten unter die Nase: "Die" er zeigte energiegeladen auf die Karten in seiner Hand: "Habe ich heute noch bekommen, von Nobby.","Und was sind das für Karten?" fragte ich unbeholfen. "Machst du das gerade Extra? Ich habe dir doch letzte Woche gesagt, du musst mal ein Dortmundspiel von der Süd erleben. Morgen um halb 4 wirst du es. Zusammen mit mir, wenn du nichts dagegen hast. Also wenn du beim BVB arbeiten willst solltest du schleunigst was dafür tun." erklärte er aufgeregt und zog seine linke Augenbraue hoch. Ich musste Grinsen, er freute sich freute wie ein kleines Kind: "Find ich gut, aber ich lerne doch erst lieber im Sommer.","Jaja, du wirst begeistert sein. Glaub mir.","Natürlich!" sagte ich gespielt überzeugt und nickte mit hochgezogenen Augenbrauen. Daraufhin startete er seinen Aston Martin und wir entfernten uns vom Gelände.
Zugegeben, auf dem Weg dorthin war ich irgendwie ziemlich nervös. Schließlich war ich noch nie bei Marco zuhause und auch so haben wir noch nie absichtlich etwas zusammen unternommen. Es hatte sich bis jetzt einfach immer so ergeben. Nervös spielte ich mit meinen Fingern herum. Wir fuhren ungefähr 20 Minuten durch Regen und Feierabendverkehr in den Südosten Dortmunds, besser gesagt nach Holzen. Ich schmunzelte, Marco wohnte also nicht am Phönixsee, so wie gefühlt die Hälfte des Kaders, sondern in Holzen. Holzen grenzte an den Ort, wo Mario und Ann-Kathrin wohnten. Clever von den Beiden. Vielleicht auch ein wenig zukunftsorientiert von Marco. Ich konnte mir vorstellen, dass sein Haus hier nicht gerade klein war und schon gar keine Wohnung. "Warum grinst du so?" fragte er plötzlich amüsiert. "Keine Ahnung ich habe damit gerechnet, dass du am Phönixsee wohnst. Außerdem finde ich es lustig, dass du neben Wichlinghofen wohnst. Knappe 5 Minuten entfernt von deinem Mario." kicherte ich. "Ich habe tatsächlich bis vor 3 Jahren am Phönixsee gewohnt. Wieso was ist denn mit Mario und mir?" schmunzelte er und warf mir einen kurzen Blick zu, bevor er sich wieder auf die Straße konzentrierte und in eine Neubausiedlung abbog. "Wie du weißt lieben meine Eltern die Gartenstadt einfach zu sehr, aber Holzen war mir schon immer sympathisch." grinste ich mit einem Zwinkern "und ich habe dir schon mal gesagt, dass deine Freundschaft zu Mario schon eine halbe Ehe ist.". Marco lachte laut: "Naja vielleicht hast du da recht. Sag mal, was willst du heute eigentlich für uns kochen? Wenn du willst, können wir auch einfach was bestellen.".
Achja, kochen. Darüber hatte ich mir komischerweise noch gar keinen einzigen Gedanken gemacht. In meinem Kopf ratterte es. Die beste Köchin war ich nicht, aber ein paar simple Gerichte beherrschte ich dann doch. "Bestellen kommt gar nicht in Frage. Wie wär's mit Nudeln mit Tomatensoße?","Miracoli oder was?" fragte er dezent angeekelt. "Ja, wahrscheinlich!" prustete ich los: "Also war das ein nein?" hackte ich nach. "Hast du noch 'ne andere Idee? Dann suche ich mir was aus." fragte er und rettete sich damit sehr charmant aus seiner misslichen Lage. Ich überlegte weiter. "Tortellini?","Schon besser.". Wir begonnen gleichzeitig zu lachen, nachdem wir uns kurz in die Augen sahen."Du hast ja nicht mal Nudeln Marco!" bemerkte ich nach einer kleinen Krise meiner Seits. Klar, ich konnte nicht wirklich kochen, aber fehlende Zutaten vereinfachten mir das Kochen auch nicht. Meine zittrigen Finger schlossen derweil den Vorrat seiner High-Tech Küche und ich lehnte mich vorsichtig gegen die Arbeitsplatte. Seit dem ich sein modernes und riesiges Haus betreten hatte, versuchte ich penibel nichts dreckig oder kaputt zu machen. Meine Wenigkeit zog sowas nämlich magisch an. Ich konnte mich leider noch zu gut an den Sommer vor 12 Jahren erinnern, als ich Nobbys Terrassentür-Scheibe mit einem Fußball durchschossen hatte und die Scherben nur so auf dem Boden zerschepperten. Oder als ich letztes Jahr zum Geburtstag meinen neuen Laptop bekam und ich am nächsten morgen versehentlich Kaffee über die Tastatur verschüttete.
"Ne irgendwie nicht.","Nicht nur irgendwie nicht Marco." kicherte ich und schüttelte den Kopf. "Das war ja auch so nicht abgesprochen. Heute morgen dachte ich, wir könnten zusammen einkaufen gehen. Ich hab aber jetzt zu viel Hunger dafür" lachte er leise. Sein Blick verriet mir, dass er unsicher war, was wir jetzt machen sollten. "Gehst du denn nie einfach mal so einkaufen?" schmunzelte ich. "Hab's wohl irgendwie verpeilt.","Und was jetzt?" murmelte ich und verschränkte meine Arme vor der Brust. Marco schaute auf die Küchenuhr, drehte sich um und wedelte plötzlich mit einem Flyer vor meiner Nase herum: "Bock auf Asiatisch?","Wieso nicht." grinste ich mit einem Achselzucken und war mehr als froh, dass er diesen Entschluss fasste. Schnell schnappte ich den Flyer aus seiner Hand, machte mich auf dem Weg zu dem großen Sofa, welches mitten im Raum stand und schmiss mich drauf. Marco tat es mir gleich und sprang so, dass er ganz dicht neben mir saß. Nachdem ich mich wieder auf das Essen konzentrieren konnte und nicht mehr nur auf seinen warmen Atem der meinen Hals streifte, teilte ich ihm mit, auf welches Gericht meine Wahl fiel. Marco rief direkt dort an und bestellte unser Essen. Besser für mich, denn auf Kochen hatte ich in diesem Moment gar keine Lust mehr.
Während er in einem Nebenraum verschwunden war, begann mein Körper mit dem Verarbeiten der zahlreichen Ereignisse der letzten Tage. Hätte mir vor 2 Monaten jemand gesagt, ich würde heute alleine bei Marco Reus auf dem Sofa sitzen, um mit ihm zusammen zu essen, hätte ich demjenigen aber gehörig den Marsch geblasen. Niemals hätte ich mir vorstellen können, dass der komische, arrogante Vogel eigentlich ein ganz nettes, zahmes Lämmchen war. Mittlerweile musste ich mir wohl nicht nur eingestehen, dass Fußballspieler doch bodenständig sein konnten und ich langsam erwachsen wurde, sondern auch dass mein Leben eine 180 Grad Wendung unternahm ohne mich zu Fragen, die wahrscheinlich noch nicht einmal zu 50 Prozent abgeschlossen war. Mein Inneres kam momentan gar nicht mehr zur Ruhe und ich hatte das Gefühl, mein Kopf kam langsam nicht mehr mit den Ereignissen hinterher. Ohne nachzudenken unternahm ich mittlerweile Dinge, die ich sonst nie gemacht hätte.
Aber war das alles nur das Ergebnis von meinem neuen Umfeld? Wenn ja, dann hätte ich mehr als nur den richtigen Schritt gewagt. Komisch, wie aus der Schnapsidee meinen Vater zu begleiten, eine Lebensentscheidung für mich wurde. Auch den Arbeitsvertrag unterschrieb ich ohne Weiteres. Vielleicht war das neue, hoffnungsvollere ich viel selbstbewusster und sicherer, in dem was es tat.
Mein Blick wanderte gelangweilt durch den Raum. Die extreme Deckenhöhe, die bodentiefen Fenster, die luxuriösen, modernen Möbel waren nicht das Einzige, was mein Leben von Marcos so unterschied. Er stand bemerkenswert fest mit beiden Beinen in seinem Leben, wusste genau welchen Weg er einschlagen musste und wurde genau mit diesem auch erfolgreich und glücklich. Er konnte genug Erfahrungen sammeln und sich ausprobieren und war mit seinen fast 29 Jahren mehr als bereit für einen neuen Lebensabschnitt.
Auf der anderen Seite gab's da mich. Ich war alles Andere als Erfahren oder gar mit beiden Beinen fest im Leben stehend, geschweige denn vollständig glücklich. Momentan taumelte ich wohl eher planlos durch mein gesamtes Leben, probierte erwachsen zu werden und die wichtigsten Entscheidungen meines Lebens zu treffen. Für eine kurze Sekunde stellte ich mir selbst die Frage, warum ich überhaupt bei Marco war.
Wozu soll das hier denn auch führen? Was hatte ich eigentlich vor? Vor allem, was hatte er vor? Es war doch offensichtlich, dass wir beide in keinster Weise zusammen passen würden.
Also, was war das alles hier gerade eigentlich genau?
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Optimist
FanfictionNachdem die heute 20 jährige Dortmunderin Isabella ihre Schule beendete, fiel sie für einige Zeit in ein tiefes Loch. Sie war umgeben von schlechten Gedanken, Stress und Kummer. Ihre Eltern konnten diesen Zustand nicht mehr unterstützen und so gerie...