Meine Finger zitterten als ich die kleinen Babyschuhe, die noch vor wenigen Minuten friedlich in meiner Handtasche schlummerten, in meinen Händen hielt. Ich starrte sie gedankenverloren an und wusste gar nicht, was schlimmer für mich in diesem Moment war: Der Herzinfarkt oder meine mögliche Fehlgeburt. Es war der Horror für mich. Im Gegenzug spürte ich Marcos Augen besorgt auf mir liegen. So hatte ich ihn noch nie gesehen. Er versuchte so stark zu sein, dass er schon fast kühl wirkte. Zu kühl dafür, dass ich wusste was so in etwa in ihm abging. Zumindest dachte ich das. Er hatte sich so sehr ein Kind gewusst und ich hatte viel zu lange gewartet ihm davon zu erzählen. Eigentlich wartete ich schon auf die Vorwürfe die mich in wenigen Augenblicken ereilen würden. Das schlimme war, er hätte ja sogar recht. Hätte er es früher gewusst, säßen wir jetzt nicht hier und warteten auf den Ultraschall, denn er wäre mit Sicherheit direkt mit mir zum Arzt gefahren vor ein paar Tagen. Anders herum, hätte ich mehr auf mein Bauchgefühl gehört, dann hätte ich meinem Vater diesen Zustand auch ersparen können. Im Umkehrschluss: Ich war irgendwie an allem schuld. "Jetzt guck nicht so." murmelte Marco plötzlich. Ich schreckte leicht auf. Unerwartet liefen mir erneut Tränen über das Gesicht. Schnell eilte mir Marco zur Seite, setzte sich neben mich auf die Liege und drückte mich an meiner Schulter sanft gegen seine Seite. Er war warm, schien wie immer sehr gefestigt, schließlich war er einfach erwachsen, viel erwachsener als ich. "Das meinte ich nicht so" erklärte er sich dann, nachdem er mir einen Kuss auf die Schläfe drückte und sanft über mein dunkles Haar streichelte. Ich nickte heftig: "Weiß ich doch." antwortete ich und war froh, dass wir zusammen hielten, anstatt uns Vorwürfe zu machen. Plötzlich stürmte der Gynäkologe des Krankenhauses in das Behandlungszimmer und unterbrach Marco, welcher gerade zum Reden ansetzen wollte: "Hallo Frau Dietrich. Herr Reus." er nickte Marco kurz zu, der sich längst wieder auf den Stuhl neben der Liege verkrümelt hatte.
Das kalte, glibberige Zeug wurde mir kurze Zeit später von ihm auf den Bauch geschmiert, welches ich schon von Routineuntersuchungen kannte, nur diesmal hatte es eine ganz andere Bedeutung für mich. "Wie lange sind sie denn schon Schwanger Frau Dietrich? Und waren sie schon bei ihrem Gynäkologen?","Der Schwangerschaftstest hat mir höchstens die vierte Woche versichert vor ein paar Tagen. Beim Arzt war ich noch nicht." antwortete ich angespannt. Marcos verletztes Bein wippte ungeduldig im Takt der Uhr auf und ab. Er nickte bloß. Es dauerte höchstwahrscheinlich nur wenige Minuten, gefühlt waren es jedoch Stunden, die er dazu brauchte mir endlich die Wahrheit sagen zu können. Er seufzte: "Frau Dietrich leider, und dass ist nichts seltenes in einem so frühen Stadium der Schwangerschaft, hat sich die Gebärmutterschleimhaut in der sich der Embryo eingenistet hatte bereits gelöst. Sie sind nicht mehr schwanger, es tut mir sehr leid.". Es herrschte plötzlich eine unangenehme Stille im Raum. Marcos Augen wurden groß, als er in meine tränenüberfluteten sah. "Ich habe von der Operation ihres Vaters bereits gehört und auch, dass sie vor wenigen Wochen wegen Magenschmerzen hier waren. Der Stress, die physische und psychische Belastung die ihr Körper gerade bewältigen muss ist so stark, da konnte er die Schwangerschaft nicht auch noch meistern. Das liegt keinesfalls an ihnen, es war schlichtweg nicht der richtige Zeitpunkt. Sie sind sehr jung. Ich bin mir sicher, dass sie wenn die Zeit reif sind eine tolle Mutter werden." erklärte er. Es war super lieb und etwas aufbauend. Trotzdem wurde mein Hals ganz trocken, ich bekam kein Wort mehr heraus. "Wir danken ihnen." lächelte Marco irgendwann und stand auf, um seine Hand zu schütteln. Als der Arzt uns allein ließ, setzte Marco sich wieder neben mich und legte seine starken Arme um mich. Vor ein paar Tagen wäre ich vielleicht erleichtert gewesen, so schrecklich sich das auch anhört, aber jetzt da war ich am Boden zerstört. Es tat mir so verdammt weh. Nachdem wir für einige Minuten so verweilten, wischte Marco mir die Tränen aus dem Gesicht und nahm mich sanft die Babyschuhe zusammen mit der Karte für ihn aus der Hand und lächelte bis über beide Ohren. Dann holte er tief Luft: "Es ist nicht deine Schuld Bella. Der Arzt hatte recht. Es war nicht der richtige Zeitpunkt für ein Kind und wir werden ganz sicher tolle Eltern und haben meinetwegen irgendwann mal eine ganze Fußballmannschaft zuhause herumrennen. Das heißt nicht, dass wir unser erstes vergessen müssen. Ich kann dich verstehen und warum du es erstmal mit dir selbst ausmachen musstest. Schon alleine die Schuhe und die Karte zeigen mir, dass du dich ab diesem Zeitpunkt darauf gefreut hast und das ist mir sehr viel Wert mein Schatz." Marco sah mir die ganze Zeit über ehrlich und ernst in die Augen Seine Hand streichelte zärtlich meinen Oberschenkel. Dieser Moment war ein ganz Verletzlicher, ein Extrempunkt unserer Beziehung. Seine Augen glitzerten durch kleine Tränen, die sich durchdrungen. Obwohl er so stark war, war traurig. Das hielt ihn aber nicht davon ab ehrlich zu sein oder gar egoistisch. Er kümmerte sich großartig um mich, etwas dass ich ihm für immer hoch anrechnete. Ich fühlte mich auf der einen Seite so leer wie noch nie, auf der anderen aber so umsorgt und geborgen bei Marco. So hart wie es klang, beschlossen wir uns es für eine kurze Zeit hinten anzustellen. Marco legte die Schühchen behutsam in meine Handtasche zurück und versprach mir dabei, sich etwas ganz besonderes für unseren Engel zu überlegen, um ihn zu würdigen und ihm die letzte Ehre zu erweisen. Für uns war beide klar, dass wir damit so offen wie möglich umgehen würden. Es fiel mir dann unglaublich schwer, aber Marco fuhr mich rasch nach Hause. Ich duschte mich, föhnte im Eiltempo meine Haare, zog mir ein anderes T-Shirt Kleid mit Streifen an und war innerhalb von Zehn Minuten wieder in meinen weißen Chucks auf den Weg zu Marco ins Auto. Noch bevor ich mich anschnallte legte er seinen Arm um meine Schultern und schaute mir eindringlich in die Augen und das, nicht nur für ein paar Sekunden, nein sogar für zwei, drei Minuten. Es war so simpel, jedoch löste es so viel in mir aus. Es zeigte mir seine Liebe und Hingabe, baute mich auf aber zeigte auf beiden Seiten viel Schmerz. Trotzdem wurde mir erneut bewusst, dass ich mit ihm alles durchstehen konnte. Wir würden dieses Kind mit Sicherheit niemals vergessen, egal ob es 3 Wochen alt war oder 110 Jahre alt geworden wäre.
"Mensch wo wart ihr beiden denn? Wir haben uns schon tierisch Sorgen gemacht!" sagte meine Mutter energisch, als wir Hand in Hand in den Warteraum zurückkamen. Sie erschien mir voller Energie und so optimistisch, als sie und alle umarmte. Ich war unglaublich erschöpft, mein Unterleib schmerzte und zitterte total fertig, aber war froh, die beiden wiederzusehen. "Ich musste mich kurz fangen." erklärte ich, jetzt von einer Fehlgeburt zu erzählen war unpassend. Mats rümpfte nachdenklich seine Nase. Er kannte mich so gut und Marco natürlich auch, dass er direkt witterte, dass etwas nicht stimmte, aber hielt sich zurück. "Ich weiß nicht ihr drei, aber ich fühle irgendwie, dass Michael das übersteht, als hätte er einen persönlichen Schutzengel im Himmel." erklärte Mama plötzlich. Marco und ich grinsten uns an. Obwohl es uns einen Stich ins Herz versetzte, waren diese Worte irgendwie schön ausgesucht, ohne dass sie davon wusste. Marco drückte mir einen liebevollen Kuss auf die Lippen und zog mir eng an sich heran, nachdem wir uns lösten. Er beschützte mich und stand mir bei. Bei beiden schrecklichen Ereignissen natürlich. Ich liebte ihn so sehr. Er war perfekt. Am liebsten hätte ich ihn auf der Stelle geheiratet. Wir vier lächelten un optimistisch an.
Und als wäre das der Schlüssel gewesen, trat plötzlich eine Krankenschwester in den Raum: "Herr Dietrich ist gerade im Aufwachraum der Intensivstation und erstmal außer Lebensgefahr, obwohl sein Zustand sehr kritisch ist. Wenn er aufgewacht ist, dürfen sie ihn kurz für wenige Minuten besuchen." lächelte sie aufmunternd. Mein Körper durchströmte umgehend eine angenehme Wärme.
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Optimist
FanfictionNachdem die heute 20 jährige Dortmunderin Isabella ihre Schule beendete, fiel sie für einige Zeit in ein tiefes Loch. Sie war umgeben von schlechten Gedanken, Stress und Kummer. Ihre Eltern konnten diesen Zustand nicht mehr unterstützen und so gerie...