Kapitel 47

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"Oh man, oh man, oh man, oh man..." murmelte ich ein paar Tage später in meinem Auto, auf dem Weg nach Brackel. Ich hatte einen ganz wichtigen Sponsoren-Termin mit Nobby um halb Zwei den ich nicht verpassen durfte. Aber da ich erst die Uni um kurz nach Zwölf verlassen konnte, noch nach Hause, nach Holzen, fahren musste um mir seröse Kleidung anzuziehen und dann nach Brackel fahren musste, es aber schon viertel nach Eins. Ich jedoch hing noch im schleppenden Verkehr fest, denn jede Ampel musste mir natürlich ihr Signalrot vor den Latz knallen. Das half meinem aggressiven Verhalten eher weniger, nervös trommelten meine Finger auf das Lenkrad. Ich musste mir aufjedenfall ein Notfalloutfit in Brackel deponieren. Kaum vorzustellen, wie unseriös das wirken würde. Naja, ob die kaputte Jeans die ich vor wenigen Minuten noch anhatte seriöser gewirkt hatte war ein anders Thema.

"Wo warst du denn so lange?" raunte mein dauer genervter Vater mir direkt am Empfang für das Sponsoring-Team zu. "Musste mich noch umziehen." antwortete ich gelassen, schließlich war ich noch vor dem Besuch da. "Tja, ist halt der Nachteil daran in Holzen zu wohnen. Aber Hauptsache in einem luxuriösen Haus." bemerkte er schnippisch. Ich zog ernst meine Augenbrauen in die Höhe: "Was hat das denn damit zu tun? Außerdem weiß ich gar nicht, was du für ein Problem hast, ich bin doch früh genug hier. Wenigstens habe ich jetzt was vernünftiges an." antwortete ich achselzuckend. Nun war er derjenige, der seine Augenbrauen hochzog, aber eher spöttisch: "Dich kann man in dem was du anhast sowieso nicht ernst nehmen. Du siehst aus wie eine komische Spielerfrau in den Sachen und mit diesen gemachten Haaren. Schon beinahe wie diese Ann-Kathrin." Ich schaute selbstbewusst an mir herunter. Ich trug einen stylischen Hosen Anzug in hellgrau, mit enger hoch geschnittener Anzughose, die nur knöchellang war, der Blazer war in der selben Farbe und ein wenig lockerer, aber trotzdem schmeichelhaft geschnitten und dazu ein wenig ausgeschnittenes weißes, blusenartiges Top, das ich in meine Hose gesteckt hatte. Dazu ließ ich meine Haare offen und glatt, wie sie eigentlich immer waren, hatte ein dezentes Make-Up aufgelegt und trug weiße Sneaker dazu, die sogar von Puma waren, die Firma die den BVB bekanntlich schon lange sponsored und natürlich heute auch unsere Gäste waren. Ich schaute schon wieder zu meinem Vater hoch: "Ehrlich gesagt finde ich, dass ich ganz gut aussehe. Mir muss es ja gefallen und nicht dir. Den Anzug habe ich tatsächlich mit Ann-Kathrin gekauft, na und? Sie und Sarah sind meine besten Freundinnen warum also nicht?" konterte ich grinsend. Ich ließ mich von seinen Worten nicht herunterziehen, im Gegenteil ich lachte darüber. Als Nobby dann endlich in Sichtweite war, machte ich mich auf den Weg zu ihm, ohne meinem Vater auch nur noch eines letzten Blickes zu würdigen.

"Danke für das durchaus amüsante Gespräch Frau Dietrichs. Mit ihnen hat der BVB wirklich ein ganz wichtiges Mitglied für das Management-Team dazu gewonnen. Schön, dass wir auf einen Nenner kommen konnten." sagte einer der Chefs zu mir nach dem stundenlangen Meeting. Ich schüttelte währenddessen lächelnd seine Hand: "Das sehe ich genauso. Bis dann!".
Ich wurde von Nobby und denen von der Managementabteilung sowas von ins kalte Wasser geschmissen bei diesem Gespräch, nur weil sie meinten dass Marco am wenigsten sauer auf mich wäre wenn dieser Werbevertrag, der direkt für sein Comeback angesetzt wurde, nicht zustande kommen würde. Natürlich konnte ich alles souverän meistern. Mit solchen Dingen hatte ich auch keine Probleme, schließlich wächst man bekanntlich an seinen Aufgaben. 
Zurück im Auto dachte ich mir, ich sollte Marco davon direkt erzählen. Für zwei bis drei Tage war der nämlich noch im Krankenhaus einquartiert. Ich wollte ihn unbedingt sehen, obwohl ich heute schon eine Weltreise gemacht hatte. Also entschied ich mich dazu, schnell noch was von unserem Lieblingschinesen zu besorgen, bevor ich zu ihm fuhr.

Im Gang der Uniklinik kannte man mich mittlerweile zwar schon, jedoch wurde ich immer wenn ich durch Marcos Station ging dumm angeglotzt. Besonders wenn ich so aufgetakelt aussah wie heute. Die konnten sich eigentlich direkt auf die selbe Stufe stellen wie mein Vater. Vorsichtig klopfte ich an seine Zimmertür bevor ich zusammen mit der Plastiktüte vom Chinesen in der Hand den kühlen, lieblosen Raum betrat: "Hallo mein Schatz, ich habe dir etwas mit gebracht" verkündete ich gut gelaunt. Jedoch traf ich nicht nur auf Marco, sondern auch auf seine Mutter. "Na Bella?" begrüßte Manuela mich liebevoll. Sie hatte die Angewohnheit, einem über den Rücken zu Streicheln bei einer Begrüßung. Es war etwas unglaublich sympathisches und gab einem Geborgenheit, eben das Gefühl  dass man gemocht wurde. "Hätte ich gewusst, dass du auch hier bist hätte ich dir auch was vom Chinesen mitgebracht." sagte ich traurig. "Alles Gut, ich wollte sowieso gerade gehen. Thomas hat auch noch nichts gegessen und Nico kommt in einer Stunde um acht zum Übernachten.","Wie? Du hast was vom Chinesen mitgebracht? Oh man, ich sage doch Mama, Bella ist die Beste!" meldete sich Marco zu Wort. Manuela und ich begannen zu lachen: "Was wurde denn hier in meiner Abwesenheit betuschelt?" fragte ich neugierig. Marco warf seiner Mutter einen ernsten Blick zu, die jedoch dachte gar nicht daran zu schweigen: "Ich habe Marco eben gefragt wann ich denn mal Enkelkinder erwarten könnte. Mein Sohn ist aber der Meinung das ihr erst ein halbes Jahr zusammen seit und du noch zu jung bist. Jedoch fand er das Thema Hochzeit um Einiges weniger abwegig." Ich begann irritiert zu lächeln. Marco und ich ein Kind? Nein, dazu war ich noch nicht bereit. Wenn ich mir so vor Augen hielt wie sehr ein Kind, zum Beispiel Ludwig bei Mats und Cathy, die Beziehung beeinflusste und daran dachte, dass Marco und ich unsere Beziehung noch nicht so wirklich genießen konnten, dann wurde mir immer bewusster, dass die Zeit dafür einfach noch nicht reif war. Aber eine Hochzeit? Warum nicht. Von mir aus gab es da keine Zweifel. Marco war der Mann meines Lebens, ich wollte alles mit ihm durchstehen und liebte jede einzelne Faser seines Körpers. Nur hätte ich gerne mal wieder mehr Zweisamkeit. Marco sah mich mit großen Augen an, wartete auf eine Reaktion von mir. Ich hingegen stammelte nur: "Hoch-Hochzeit? Äh, ja.", was von einem herzhaften Lachen begrüßt wurde: "Also ich würde mich freuen." antwortete sie noch, bevor sie sich verabschiedete. Marco grinste mich verliebt an. "Komm, sonst wird es kalt." lächelte ich. "Du bist mein Lebensretter. Woher wusstest du wie sehr ich darauf Hunger hatte?" Marco zog mich am Arm auf sein Bett und schlang seine Arme von der Seite um meine Körpermitte. Kurz darauf berührten seine Lippen sanft meine Halsbeuge. "Wie war dein Tag? Du siehst heute total gut aus. Irgendein wichtiger Termin?" fragte er plötzlich leise. Sein Atem streifte an meinem Nacken entlang und kitzelte mich. "Danke Marco. Sehr erfolgreich und deiner? Hast du noch starke Schmerzen?" ein Grinsen zierte meine Lippen. "Nein, die Narben verheilen ordentlich und die Medikamente wirken gut. Also auch alles erfolgreich." Ich küsste meinen gut aussehenden Freund gefühlvoll auf die Lippen. Er begann damit unser Essen auszupacken. "Ich bin froh, wenn du wieder zuhause bist. Alleine in diesem Haus zu sein ist ganz schön beunruhigend.","Mats ist doch da." grinste Marco. Ich legte meinen Kopf auf seine Schulter: "Das ist nicht das Selbe." seufzte ich. Seine große Hand streichelte zärtlich über meine Haare: "Ich weiß, Schatz. Nur noch ein paar Tage und dann ist das Schlimmste überstanden." Wenn das nur das schlimmste wäre, dachte ich. Schließlich war Marcos Reha-Plan strickt. "Apropos" lächelte ich und schaute ihm wieder in die Augen: "Rate mal, wer heute deinen Werbedeal mit Puma klar gemacht hat. Ich ganz alleine. Mir wurde das Zepter überlassen und ich habe es geschwungen." verkündete ich stolz. Marco prustete los: "Ich bin stolz auf dich. Der letzte Satz hätte aber echt nicht sein müssen, Schatz." und drücke mir einen flüchtigen Kuss auf die Lippen. Was meinte er denn damit? Ich verstand die Welt nicht mehr, aber war überglücklich.


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