Kapitel 45

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"Wow, ich war ewig nicht mehr hier!" staunte Tim neben mir. Ich lächelte zaghaft. Stimmt, ich war auch ewig nicht mehr hier vor allem nicht bei angenehmen fünfzehn Grad im April, fiel mir im selben Moment ein. Durch die angenehme Temperatur war es glatt noch besser im Signal Iduna Park. Marco, der neben mir saß, beobachtete angespannt die Umgebung. Für ihn war die Situation natürlich total unangenehm. Ich konnte mich glücklich schätzen, dass er überhaupt so etwas für mich tat. "Sag mal suchst du wen?" fragte ich neugierig. Mein Blondschopf schüttelte unschuldig den Kopf: "Ne ne, ich gucke nur wer so kommt.","Achso" nickte ich lang gezogen.  Ich glaubte ihm kein Wort. Hoffentlich hatte er seine Drohung nicht wahr gemacht und wirklich seine Exfreundin eingeladen. Ich wüsste nicht, wie ich darauf reagiert hätte. Aber er hatte doch nur einen Spaß gemacht im Restaurant vorgestern, oder? 
"Weißt du noch damals wo ich dich eingeladen habe auf ein Spiel auf der Südtribüne und du bist vor dem Einlass ins Stadion noch abgedampft, weil wir uns gestritten haben?" lachte Tim plötzlich. Natürlich erinnerte ich mich noch an diesen Tag. Er war von Anfang an komisch, ziemlich heiß mitten im Sommer und relativ am Ende unserer Beziehung. Bei mir dauerte es eigentlich eher lange bis mein Geduldsfaden reißt, dass konnte ja jeder daran sehen, dass ich mich nicht auf Diskussionen und Streit mit meinem Vater einließ. An diesem Abend jedoch trieb er alles so auf die Spitze, dass ich ging. "Du bist ja auch total hohl gewesen." murrte ich. Er lachte, zog gleichzeitig seine Augenbrauen in die Höhe: "Ganz ehrlich, du hast ja recht, aber zu der Zeit warst du sowas von reizbar.". Ich lächelte schon wieder gequält. Hoffentlich würde das Spiel bald anfangen und schnell zu Ende sein. Plötzlich legte sich von hinten eine große Hand über meine Augen. "Marco?" fragte ich erschrocken. Er antwortete mir aber direkt, seine Stimme war eindeutig immer noch neben mir und nicht hinter mir. Aber diese Quietschgeräusche aus der selben Richtung machen mich stutzig: "Mats, du bist enttarnt!" lachte ich während ich  aufstand, um ihn zu umarmen: "Wie kann das denn bitte?" ragte er ungläubig. Strahlend nahm ich Marco den Kleinen ab und knuddele ihn so sehr es mir möglich war: "Meinst du, ich sei so eine grausame Patentante, dass ich das freudige Quietschen meines Patenkinds nicht erkennen kann?" grinste ich glücklich. Mit dieser Überraschung hatte ich ja überhaupt nicht gerechnet, aber Marco der wusste bestimmt von allem. Deswegen war er auch eben so nervös. Aber wieso bloß bestellte er Mats aus München zu uns ins bescheidene Dortmund? Das erschließ sich mir nicht so ganz. Hätte ich bloß gewusst, was dieser Gedanke noch alles losrollen würde.

Nachdem Marco und Mats sich umarmten, rümpfte Mats seine Nase: "Tim?" lachte er beinahe schon erschrocken. "Moin Mats." lächelte dieser schief. Sie schlugen miteinander ein: "Ist das gerade ein zufälliger Anblick oder habe ich was wichtiges verpasst?" fragte Mats daraufhin misstrauisch. Sein Blick schweifte zu Marco, der wie ein genervtes Kleinkind wie auf Ansage mit den Augen rollte. Derweil kam ich in Erklärungsnot: "Nein, du hast nichts verpasst" lachte ich nervös: "Tim ist mein Tutor an der Uni und ich habe ihm bloß einen kleinen Gefallen getan und damit natürlich, weil ich so schlau bin, zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen. Denn Marco wollte vor seiner Operation auch unbedingt nochmal ins Stadion." grinste ich zögerlich. Mats nickte ganz langsam und unauffällig. Marco begann hinter mir zu Lachen, denn Mats' Verhalten war irgendwie schon niedlich. Zugegeben irgendwie war die ganze Situation schon total ungewöhnlich. Außer man wusste den Hintergrund von allem. Mir war das aber herzlich egal, denn ich war froh Ludwig bei mir zu haben und somit auch einen Ablenkungsgrund von dieser ganzen Misere. Aber als dann noch Sarah und Ann-Kathrin auf die Tribüne traten und uns allen den verdattertesten Blick zuwarfen, den ich jemals in meinem jungen Leben gesehen hatte, fing ich so laut an zu lachen wie schon lange nicht mehr. Dieser Blick sah mit Ann-Kathrins von der Schwangerschaft aufgeschwappten Gesicht noch genialer aus als ohnehin schon. 

Das Spiel ging unentschieden aus, jedoch war das nichts was mich besorgte. Ich war Zuhause um Bett froh, den Tag überstanden zu haben.
Mich besorgte eher Marcos Verhalten, dass er auf der Tribüne an den Tag legte. Er hatte definitiv schon Hummeln im Hintern was das Fußballspielen anging. Er redete die ganze Zeit von seiner großen Wiederkehr und die Zeit nach der Reha-Phase und das obwohl er noch nicht mal die OP  selbst hinter sich gelassen hatte. Ihm war gar nicht bewusst, wie lange die Reha eigentlich dieses Mal dauern würde und was vor seinem großen Comeback, das er so sehnlichst in seinen Vorstellungen anstrebte, alles noch auf ihn zu kommen konnte. Klar, würde ich ihn durch alles begleiten. Das war nicht die Frage.
Die eigentliche Frage war nämlich, ob die Geduld, Zeit und das gegenseitige Verständnis für alles Andere, was in unseren Leben gerade so stattfand das gleiche tun würden, wir uns trotzdem begleiten würden. Das konnte echt noch heiter werden. Zum Glück war Mats nun erstmal da.

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