Kapitel 23

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"Marco du musst unbedingt deinen Einkaufsrhytmus regeln. Sag mal, isst du denn nichts?" fragte ich entsetzt, als ich am nächsten Morgen einen Blick in seinen Kühlschrank warf der ziemlich nüchtern ausfiel. Er schlang unschuldig seine Arme von hinten um mich und platzierte seinen Kopf müde auf meiner Schulter. "Nö meistens auf dem Weg.","Und das hier ist auch schon lange abgelaufen.","Der Magerquark? Achja, also der ist übrig geblieben von meiner Diät." sagte er und lachte leise. Ich verdrehte meine Augen: "Wenn du den nicht bald entsorgst kriecht der dir entgegen.". Mein Magen knurrte mittlerweile so laut, dass es ganz sicher die Einwohner von Neapel hören konnten. "Du siehst heiß aus in meinem Shirt." knurrte Marco derweil in mein Ohr. "Das hilft mir jetzt auch nicht weiter." murmelte ich mit einem versteckten Grinsen. Gestern Abend brauchte ich es, weil ich mich völlig spontan dazu entschied, doch noch bei ihm zu bleiben. Ehrlich gesagt, hatte ich noch nie in einem weicheren Bett gelegen, als in seinem und noch nie besser in meinem Leben geschlafen als in seinen Armen. Bei dem Gedanken daran begann ich zu lächeln: "Und jetzt?" meine Frage wurde von meinem laut knurrenden Magen unterstützt. Gerade als Marco ansetzte um etwas zu sagen, klingelte die Haustür. "Ist bestimmt der Postbote!" bemerkte er und stiefelte nur in Shirt und Boxershorts bekleidet skrupellos zur Haustür. Der Kerl hatte echt eine riesige Vollmeise: "Na, der Frühstücksbote wird es wohl nicht sein." murmelte ich mit hochgezogenen Augenbrauen und war mir zu hundert Prozent sicher, er hatte es gehört. Gut so, ihm musste man anscheinend Parole bieten. Als dann auch noch André, Jule und Mario samt Brötchentüte in die offene Wohnküche spazierten spuckte ich fast das Wasser wieder aus, welches ich gerade zu trinken begann. Also doch Frühstücksboten? In meinen Gedanken erklärte ich die Jungs für Heilige. Die drei schauten mich dennoch genau so verdattert an wie ich sie. Gleichzeitig schauten wir daraufhin Marco mit dem selben Blick an. Marco schaute hilflos zu mir herüber und kratzte sich am Hinterkopf: "Ich habe da glaube ich was vergessen.","Einsicht ist der erste Schritt zur Besserung." lachte ich. "Macht nichts Bella, wir haben genug Brötchen." lächelte André. "Genau und an Aufschnitt haben wir auch gedacht." zwinkerte Mario, während Julian den Tisch deckte. Natürlich wusste er auch von der Dauer-Ebbe in Marcos Kühlschrank. Marco warf mir einen entschuldigenden Blick zu, als ich neben ihm Platz nahm. Ich grinste ihn amüsiert an. "Äh kurze Frage, seid ihr jetzt zusammen oder was?" fragte Jule verwirrt. Marco und ich schauten uns an: "Ja!","Super, endlich dass konnte sich ja keiner mehr mit ansehen, so lange hat da gedauert." sagte Mario froh und klatschte sich zufrieden in in die Hände. Das hatte er definitiv von Ann-Kathrin. Jule und André schüttelten gleichzeitig grinsend die Köpfe. Zufrieden starrte ich mein Nutellabrötchen an, so startete mein Tag doch perfekt.

Nach dem Frühstück ließ ich den Kerlen ein wenig Zeit für sich und stapfte hoch in Marcos Bad. Dort kramte ich in meiner Handtasche und fand tatsächlich Haar- und Zahnbürste, Deo und eine Creme, Sachen die ich vor Ewigkeiten mal für Notfälle eingepackt hatte. Daraufhin blieb mir nichts Anderes übrig, als wieder in meine blaue Skinny Jeans zu schlüpfen und meinen fast schon neongrünen Rollkragenpullover wieder über den Kopf zu ziehen, von dem Marco schon vor Wochen nicht begeistert war. Ich hingegen fand ihn immer noch total klasse. Wieder unten angekommen, schlüpfte ich in meine weißen Chucks und ging zurück in die moderne Wohnküche. "Willst du schon weg?" fragte Marco traurig als er meine Autoschlüssel bemerkte. "Hast du mal auf die Uhr geguckt Schätzelein? Wann soll ich den auf der Arbeit aufkreuzen?" lachte ich und wuschelte durch seine eh schon zerstörten Haare. Die anderen drei Chaoten zogen gleichzeitig ihre Augenbrauen hoch. "Was?" fragte ich misstrauisch. "Du darfst Marcos Haare anfassen?" lachte Mario. "Ja, siehst du doch?" murmelte ich irritiert. "Also ich habe bis jetzt keinen kennengelernt, der das einfach so durfte." erklärte her. Ich begann zu strahlen, das musste ja was heißen wenn Mario das schon sagte: "Neidisch?" fragte ich frech. "Aber hallo!" lachte Mario und zwinkerte mir zu.

In Brackel saß ich verträumt an meinem Schreibtisch und konnte mich einfach nicht auf die Rede für meinen Vater konzentrieren. Alles schwirrte in meinem Kopf rum, außer das. Mein Herz begann Marco schmerzlich zu vermissen, mein Kopf machte sich eher Gedanken um mein Outfit für die Weihnachtsfeier. Nachdenklich knabberte ich an meinem Kugelschreiber herum und schaute durch die Gegend. In diesem Moment war es mehr als passend, dass mein Vater anrief: "Bella kommst du mal schnell runter? Wir brauchen deine Hilfe." sagte er und legte umgehend auf. Was soll's, mir kam es mehr als gelegen, also trottete ich nach unten und steckte kurze Zeit später meinen Kopf durch den offenen Türspalt: "Was soll ich machen?" fragte ich extra lieb. Mein Vater hingegen winkte mich wortlos herein: "Wo warst du gestern Nacht?" fragte er stirnrunzelnd. Ich schloss die Tür hinter mir: "Bei Marco, wieso?","Wir haben uns Sorgen gemacht.","Sorry hab nicht aufs Handy geschaut.","Ich merk's, du könntest und doch wenigstens bescheid sagen, wo du bist." murrte er leise und genervt. So hatte ich ihn selten erlebt: "Willst du mir gerade sagen, dass ihr eure 20 Jahre alte Tochter morgens nicht mehr wecken wollt, weil sie alt genug sei, aber beschatten muss noch sein oder was?" fragte ich ungläubig. Er zuckte bloß desinteressiert mit den Achseln. Was hatte der denn? Auf sowas reagierte ich schon immer extrem allergisch: "Warum hast du denn so schlechte Laune?","Keine Ahnung, vielleicht weil es mich interessiert wo meine Tochter sich rum treibt?" konterte er schamlos. "Wieso? Weil Marco fast 10 Jahre älter ist als ich?" fragte ich provozierend. Schon wieder zuckte er mit den Schultern: "Vielleicht ist genau das der Punkt.". Mein Blut raste in diesem Moment in Lichtgeschwindigkeit durch meinen Körper. War das jetzt echt sein ernst, mich so zu behandeln? Und für den sollte ich noch eine schnulzige Rede schreiben? Mein ganzer Körper, samt Kiefer spannte sich an: "Nicht dein Ernst." murmelte ich enttäuscht und betonte jedes einzelne Wort. Mein Vater schwieg mich ab diesem Moment nur noch an wie ein beleidigter Fünfjähriger. "Gut, ich bin dann mal weg. Achja, du brauchst heute Abend nicht mehr mit mir zu rechnen." stellte ich sauer klar und zog Leine.

Zuhause packte ich die nötigsten Sachen in einen Rucksack und fuhr direkt zu Marco. Schon an den schnellen Schritten auf der anderen Seite der Tür erkannte ich, dass er mir die Tür öffnen würde. Den Autos zufolge waren die Anderen aber auch noch da. Marco rechnete nicht mit mir, dass erkannte ich an seinem verwirrten Blick und an dem darauffolgenden Blick auf seine Uhr: "Was machst du denn schon hier, Süße?" fragte er lächelnd, aber trotzdem besorgt. Ich zeigte verzweifelt auf meinen Rucksack: "Kann ich vielleicht noch eine Nacht hier bleiben?" brachte ich schüchtern heraus. Meine Wangen glühten und meine Laune war zwischenzeitlich auf Kellerniveau gesunken. Marco nickte energisch und zog mich hinein. Er wollte nicht weiter zwischen Tür und Angel mit mir sprechen: "Komm erstmal rein, was ist denn los? Du kannst immer hier schlafen Bella, du brauchst mich nicht fragen.", schon wurde ich von ihm in eine liebevolle Umarmung gezogen, während er besänftigend meinen Haaransatz streichelte. Nachdem ich ihm alles erklärte schaute er mich ungläubig an und öffnete seinen Mund, wusste aber nicht was er sagen sollte. Ich schenkte ihm ein nüchternes Lächeln. "Ich kann mir Micha so gar nicht vorstellen." murmelte er dann leise. "Ich mir auch nicht." sagte ich traurig und vergrub meinen Kopf erneut in seine Halsgrube. Ich bemerkte, wie er nachzudenken schien. Er räusperte sich nach ein paar weiteren Sekunden Stille: "Mach dir darüber jetzt erstmal keinen Kopf, ja? Vielleicht sieht die Welt morgen schon ganz anders aus." lächelte er zuversichtlich. Ich zuckte mürrisch mit den Achseln. Er musste über mein stures Verhalten schmunzeln, gab mir aber trotzdem das Gefühl völlig hinter mir zu stehen: "Soll ich die Jungs nach Hause schicken?", ich schüttelte vehement den Kopf: "Auf gar keinen Fall, ich gehe aber hoch, ja?","Kommt gar nicht in Frage, du bleibst bei mir. Schließlich musst du zusehen, wie ich die anderen bei FIFA abzocke." grinste er aufheiternd und küsste mich schnell. Ich lächelte ein wenig, als ich ihm ins Wohnzimmer folgte. Die Jungs ließen mich daraufhin sogar gerne mitspielen und Marco half mir, in dem er sich hinter mich setzte. In Marcos Nähe sah meine Welt schon wieder ganz anders und viel zuversichtlicher aus, als vor guten einer halben Stunde.

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