Sprache

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Kleines 100-Teile-Special (exakt hundert Verse)

Du, Freund der Flügelverse,
Bezwinger einer schönen Sprach,
erfreuen kannst diverse,
und häufig bringst du Ungemach.
Denn Worte könn' verführen leicht,
in Bann jeweilig ziehen.
Das Herz, verätzt und aufgeweicht,
kann selten ihn' entfliehen.
Ja, bist du wirklich so gewiss,
denn Worten zu vertrauen?
Für viele wäre Ärgernis,
zu hören statt zu schauen.
Manch Schreiberling dem Engel
die Zunge aus dem Munde schnitt,
vermag drum blöde Bengel
zu reißen rast- und gnadlos mit.

Mit bunten Worten, blättergleich,
ein Leich sich lässt bedecken,
doch hoffnungsgrün statt durstig, weich,
könn sie das Leben wecken.
Die Zeiten stets vergehen,
wo Worte zu dem Feur' entfacht.
Bei Zeiten wird verstehen,
wer morgen noch das Böse macht.
Wir wahrlich schön könn' sprechen,
verteufeln oft doch diesen Schatz.
Und wenn wir Wort auch brechen,
so bleibt doch weiter für sie Platz.
Die Worte brachen selber nicht,
ihr Holz ist frei von Kerben.
Doch bitte richte niemals Licht
auf ausgebrochne Scherben.

Wenngleich sie öfter tun verkehrt,
sind Worte noch nicht böse.
Durch sie wird viel mehr Guts gelehrt,
zersungen manchs Getöse.
In Liedern toll sie tanzen,
und singen im Gedicht;
die Alten sich verschanzen,
versacken durchs Gewicht.
Sie schlafen gern als Bücher,
zuweilen wird geträumt.
Die ihren Leichentücher
sind Sprüche, blumgesäumt.
Die Worte stumm sich binden
und bilden eine Welt,
die in den tiefsten Gründen
Verstand zusammenhält.
Am Anfang der Äonen
die Sprachenquelle schlief.
Vulkangleich Eruptionen
sie heute speit, aktiv.
Der Umgang mit den Flammen
unmöglich Worten ist.
Dafür wir sie verdammen,
währ'nd sie ihr Feuer frisst.
Weil uns zu heiß sie brannten,
wir werfen Worte weg.
Seit je wir stets verkannten,
was quält den Aschedreck.
Wir immer noch vergessen,
was eines Wortes Herz.
Auch du nun fragst: Ja, wessen?
Nur Menschen kennten Schmerz.

Zwar schätzen wir zuweilen
die Sprach, doch nie wir heilen,
was wir ihr angetan.
In ihren dunklen Stunden
wir sind ihn' nicht verbunden
und neigen gar zum Strafewahn.
Wir sollten Worten danken,
dass sie trotz unsren Schranken
bereiten Straßen noch;
die scheinbar's Menschen Größe,
wenn Sprache gäb sich Blöße,
fiel' erdwärts, haltend Luft für Loch.
Vom Tun der Arroganten
wir kämen mit zu Schanden,
so redest du dich aus.
Dabei sind die, die lassen
die Narren weiter hassen,
der Isolator bösem Haus.
Und weißt du nicht zu schätzen
die Sprach, dann wird verletzen
zur Einfachheit sich sie.
Dann kannst du aus kaum drücken
die Ding, die dich beglücken
sowie die, traurig, 's geht mehr nie.

Ich hoffe, dass sie mir verzeiht,
die Sprache, die ich darum bitte;
so lange war ich nicht bereit,
nun mach ich zu ihr meine Schritte.
Ich hielt mich lange für den Held',
den einzgen Vater der Gedichte,
was griff zu kurz, was hat verfehlt
die Mutter meiner Glücksgeschichte.
Wer schreibt, der unterliegt der Sprach,
und sieht im Zweifel immer nach.
Nun, Worte, wollt ihr mir noch geben
ein zweites Mal Vertraun im Leben?

28. - 31. 10. 2019

Ein Buch, so bunt wie das LebenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt