Kapitel 15

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Paddy
Nachdem Joey mich nach unten getragen und in den Rollstuhl gesetzt hatte, verschwand er sofort und Angelo kam angestolpert. Er hatte eine Decke in der Hand, die er mir auf den Schoß warf. „Da, Tricia will, dass du deine Beine einwickelst", meinte er und weg war er. Mein kleiner Bruder rannte Richtung Bühne. Ich versuchte, mir die Decke um die Beine zu wickeln, scheiterte aber. „Angelito, komm mal bitte nochmal", rief ich und Angelo drehte sofort wieder um. „Was ist?", schnaufte er. „Ich schaff das nicht mit der Decke." Angelo kniete sich sofort vor mich und half mir. Er stopfte die Decke sorgfältig fest und wickelte meine Beine gut ein. Dann wollte er schon wieder wegrennen, doch ich hielt ihn zurück. „Angelo, nachher brauche ich dich. Ich möchte so gerne während „wir lieben die Stürme" auf der Bühne hin und her. Aber ich kann nicht gleichzeitig das Mirko halten und hin und her fahren. Könntest du mich schieben?" fragte ich ihn. Angelo nickte und ich drückte ihn kurz fest an mich. Dann ließ ich ihn los und er war sofort weg. Typisch mein kleiner Bruder, immer in Bewegung. So wie ich eigentlich auch, aber das ging ja jetzt nicht mehr. Das machte mich öfter fast verrückt. Ich wünschte mir so sehr, über die Bühne zu wirbeln und zu tanzen und zu hüpfen. Ich merkte, dass ich mal wieder weinte. Hoffentlich sah niemand, dass ich, Michael Patrick Kelly, allein hier saß und heulte. Wütend wischte ich mir die Tränen aus den Augen und rollte langsam zur Bühne. Dort warteten die anderen bereits auf mich und Joey schob mich schnell die Rampe nach oben. Kaum dass ich dort war, ging das Konzert auch schon los. Angelo wich mir die ganze Zeit nicht von der Seite und als wir „wir lieben die Stürme" anstimmten, schob mich Angelo sofort hin und her. So konnte ich das Publikum super einheizen und mal wieder so auftreten wie früher. Ich schrie und johlte wild herum. Angelo war ganz außer Atem, er war es nicht gewöhnt, so viel am Stück herumzurennen bei einem Konzert. Nach dem Lied schnauften wir dann aber beide ziemlich heftig und mussten lachen. Nachher durfte ich endlich mal wieder „chicken pies" singen und wie jedes Mal tobte das Publikum vor lachen als ich sagte: „Ihr seid die Hühner und ich bin der Hahn." Das kam jedes Mal super an. Heute waren wir mal wieder richtig gut in Form und blödlten viel während dem Konzert herum. Auch Kathy war endlich wieder super drauf und hüpfte herum.
Nach dem Konzert verkauften die großen wieder Platten und Kassetten und Barby, Maite, Angelo, Sean und ich saßen vor dem Bus zusammen. Irgendwann kamen ein paar Leute vorbei und blieben stehen. Es war eine Familie bestehend aus den Eltern und drei Kindern, zwei jungen und einem Mädchen. Die beiden Jungen schauten uns neugierig an, das Mädchen dagegen schaute gelangweilt auf den Boden. „Ihr habt vorher super gespielt", lobte uns die Mutter. „Können wir Autogramme und Fotos haben?", wollte einer der Jungs wissen. Die beiden dürften etwa so alt wie Angelo und Maite sein, das Mädchen vielleicht so alt wie ich. Wir willigten ein und stellten uns nacheinander neben die Eltern und die Jungs, um Fotos zu machen. Dann wollten sie noch ein Foto mit uns allen fünf machen und die Mutter drückte ihrer Tochter die Kamera in die Hand. Das Mädchen wirkte nicht sonderlich begeistert, stellte sich jedoch uns gegenüber. Wir schauten alle in die Kamera, als sie endlich den Blick hob und uns anschaute. Sie sah mir direkt in die Augen und mir stockte der Atem. Sie war wunderschön und ich versank sofort in ihren haselnussbraunen Augen. Sie dagegen schien mich gar nicht wahrzunehmen und drückte nur schnell auf den Auslöser der Kamera. Danach ließ sie ihre braunen Haare wieder vor ihre Augen fallen. Die Eltern und die Jungs bekamen noch Autogramme und die Mutter ließ uns auch alle noch für ihre Tochter unterschreiben. „Schreibt einfach für Lisa auf den Zettel", meinte sie. Das Mädchen hieß also Lisa. Nachdem wir noch Die Autogramme gegeben hatten, verabschiedete sich die Familie. Ich schaute Lisa noch lange hinterher, auch als sie schon gar nicht mehr in Sichtweite war. „Paddy, aufwachen", riss mich Barby aus meinen Gedanken. „Dich hat es ja voll erwischt", meinte sie noch und grinste frech. „Wehe, du erzählst den anderen etwas", zischte ich ihr zu und Barby nickte lächelnd. Kurz darauf kamen dann auch die anderen zurück und wir aßen noch etwas, bevor wir später nochmal ein Konzert spielten. Meine Gedanken wanderten vor dem Konzert die ganze Zeit zu Lisa. Ich hatte noch nie so ein wunderschönes Mädchen gesehen. Auch beim Konzert war ich ziemlich unkonzentriert und hielt die ganze Zeit Ausschau nach Lisa. Als ich mit Angelo ganz vorne an der Bühne war, entdeckte ich sie tatsächlich ganz am Rand stehen.
Nach dem Konzert wollte ich sofort zu ihr. Ich musste unbedingt mit ihr reden. Doch ich musste schnell feststellen, dass ich keine Chance hatte. Es waren einfach zu viele Menschen da, die Autogramme und Fotos wollten und außerdem kam ich mit dem Rollstuhl kaum zwischen den Menschen durch. Nach einer halben Stunde musste ich mich geschlagen geben und zurück zum Bus. Die anderen waren bereits dort. „Da bist du ja endlich. Dann können wir ja jetzt endlich los, damit wir heute Nacht noch beim Hausboot ankommen", meinte Joey und verfrachtete mich in den Bus und direkt ins Bett. Die anderen legten sich auch direkt hin, nur Kathy setzte sich ans Steuer vom Bus. Angelo kuschelte sich dicht an mich. „Danke, Angelito. Danke für die tollen Konzerte heute", flüsterte ich ihm ins Ohr, doch mein kleiner Bruder schlief bereits tief und fest. Ich dagegen konnte nicht einschlafen. Ich musste die ganze Zeit an Lisa denken und sobald ich die Augen schloss, sah ich ihre wunderschönen Augen vor mir. Noch nie in meinem Leben hatte ich so ein schönes Mädchen gesehen und ich musste sie unbedingt wiedersehen, denn ich wusste, dass sie das eine Mädchen für mich war. Blieb nur die Frage, wie ich Joey und John überzeugen sollte, wieder nach Stuttgart zu kommen, ohne dass sie Verdacht schöpften. Ich hoffte, dass Barby mir da helfen konnte, sie wusste sowieso Bescheid und vor ihr konnte ich auch nichts verheimlichen. Nachdem ich mir das überlegt hatte, war ich so müde, dass ich endlich einschlafen konnte. Ich träumte die ganze Nacht von Lisa.

Manchmal kommt alles andersWo Geschichten leben. Entdecke jetzt