Kapitel 52

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Lisa
In den letzten Wochen waren meine Gedanken immer wieder zu dieser Kelly Family gewandert. Vor allem Paddy ging mir einfach nicht mehr aus dem Kopf. Aber ich hatte niemandem davon erzählt. Allerdings wurde jetzt ab und zu in Zeitungen oder im Fernsehen über die Familie berichtet. Meine beste Freundin Clara war total fasziniert und hatte organisiert, dass wir nach Ulm zu zwei Konzerten fahren durften. Wir hatten in der Woche Ferien und Claras großer Bruder Hendrik fuhr mit uns. Ich hatte so getan, als müsste ich überredet werden, um zu verstecken, dass ich mich total auf die beiden Tage freute. Vielleicht würde ich sogar die Gelegenheit haben, mit Paddy zu sprechen. Ich musste ihn auf jeden Fall woedersehen und zwar in Ulm. Länger als die zwei Tage, die bis dahin noch vor mir lagen, hätte ich es auch nicht ausgehalten.
Am nächsten Tag war es dann am Nachmittag so weit und ich wurde von Clara und Hendrik abgeholt. Hendrik war bereits 19 und hatte ein eigenes Auto. Ich stieg direkt ein. Clara quasselte die ganze Fahrt über die Kelly Family. Dabei fand ich heraus, dass Paddy vor knapp 2 Jahren einen schweren Unfall gehabt hatte und seitdem im Rollstuhl saß. Außerdem erzählte sie, dass er wohl auch noch Probleme mit seiner Lunge hatte. Das schockierte mich dann doch ziemlich. Aber dann waren wir auch schon da und wir konnten direkt unsere Zimmer im Hotel beziehen.
Am Abend gingen wir noch zusammen essen und dann auch schon ins Bett.
Am nächsten morgen wollte Clara direkt zum ersten Konzert auf den Münsterplatz, damit wir gute Plätze ganz weit vorne an der Bühne bekamen. Hendrik würde die beiden Tage allein verbringen, er hatte sich geweigert, sich die Konzerte anzuschauen.
Vor der Bühne standen bereits ein paar Leute, wir konnten aber noch in die erste Reihe und dort blieben wir dann auch frierend stehen, bis das Konzert begann. Nacheinander kamen alle neun Kellys auf die Bühne. Paddy hatte einen Schlauch in seiner Nase stecken, der an einem Gerät angeschlossen war. Das lag bestimmt an seinen Problemen mit der Lunge. Aber ansonsten wirkte er noch schöner als beim letzten Konzert. Er hatte seine Haare zu einem lockeren Zopf geflochten, aus dem sich mehrere Strähnen gelöst hatten. Dazu trug er ein helles Oberteil und darüber eine Weste. Seine Beine steckten in einer schwarzen Lederhose und an den Füßen hatte er rote Schuhe. Auf Paddys Schoß lag ein türkiser Bass, auf dem er spielte und seine Wangen waren knallrot, was bei der Kälte aber auch nicht verwunderlich war. Er ließ seinen Blick über das Publikum wandern. Dann blieben seine blauen Augen plötzlich an mir haften und über sein Gesicht ging ein strahlen. Ab diesem Moment spielte Paddy noch viel besser und schien voller Energie zu sein. Er gab wirklich alles und ließ sich von seinen Geschwistern immer wieder über die Bühne schieben. Außerdem gab er einen Witz nach dem anderen von sich, die aber eher selten wirklich lustig waren. Das Publikum lachte trotzdem.
Nach dem Konzert wollte Clara bleiben, bis das zweite Konzert begann. Die Zeit bis dahin vertrieben wir uns damit, an einen Stand zu gehen, an dem es Platten und fanartikel zu kaufen gab. Clara kaufte sich eine Platte und ein Poster. Danach holten wir uns noch was zu trinken, als Clara plötzlich ganz aufgeregt wurde. „Schau mal, da drüben sind Barby, Paddy und Patricia. Da müssen wir sofort hin", schon zerrte sie mich zu einem kleinen Tisch, auf dem verschiedene Bilder lagen. Diese verkaufte das Mädchen, das Clara Barby genannt hatte. Anscheinend waren die Zeichnungen von ihr. Die anderen beiden halfen beim Verkaufen. Plötzlich blickte Paddy auf, der sich um die Kasse kümmerte und sah mir direkt in die Augen. „Wir kennen uns doch schon", sagte er dann grinsend. Mir hatte es komplett die Sprache verschlagen und ich grinste nur einfältig. Clara dagegen drehte fast durch, als sie kapierte, dass ich Paddy bereits kannte. Ich sagte noch immer kein Wort, sondern starrte nur in die wunderschönen blauen Augen von Paddy.

Manchmal kommt alles andersWo Geschichten leben. Entdecke jetzt