Kapitel 4

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Paddy
Nachdem ich gegessen hatte, wollte ich so schnell wie möglich in den Bus zu Barby. Ihr ging es warum auch immer nicht wirklich gut. Ich musste dringend mit meiner großen Schwester reden, schließlich war ich der einzige, dem sie alles erzählte. Joey merkte, dass ich es eilig hatte und brachte mich schnell zum Bus und dort an den Tisch. Jetzt musste ich mir nur noch überlegen, wie ich nach oben zu Barby kam. Ich dachte kurz nach und lies mich dann auf den Boden fallen. Ich krabbelte bis zur Treppe und zog mich dann mühsam die Stufen nach oben. Das war irgendwie ziemlich wackelig, aber bald war ich oben und krabbelte zu Barby. „Barby, was ist los mit dir?", fragte ich. Statt einer Antwort setzte sie sich zu mir auf den Boden und weinte. Ich hielt sie eine Weile im Arm, auch als Joey kurz nach und schaute. Irgendwann begann Barby zu reden. „Ich kann es nicht ertragen, dass du wegen mir nicht mehr laufen kannst. Ich bin schuld, dass du jetzt so viel nicht mehr kannst und überhaupt nicht mehr so lustig bist wie früher. Ich will doch einfach nur meinen kleinen Paddy wieder." „Barby, du bist doch nicht schuld. Ich habe dir damals das Leben gerettet. Ohne mich wärst du nicht mehr hier und ich würde ohne dich nicht leben wollen", antwortete ich. „Wenn ich damals besser aufgepasst hätte, wäre das alles nicht passiert", weinte sie weiter. „Ich glaube, es sollte genau so passieren. Mama hatte da bestimmt ihre Finger im Spiel. Sie passt auf uns auf und sorgt dafür, dass alles irgendwie immer wieder gut wird", sagte ich. „Wirklich?" ich nickte und Barby wurde langsam immer ruhiger. „Paddy, du musst mir aber versprechen, dass du wieder mehr lachst und einfach wieder mein kleiner Bruder wirst", flüsterte Barby irgendwann. Ich nickte und meine große Schwester begann aus irgendeinem Grund zu kichern. Ich drückte sie nochmal kurz an mich, dann stand sie auf, um Bescheid zu sagen, dass mich einer meiner Brüder wieder nach unten bringen sollte. Joey kam sofort und trug mich nach unten. Weil wir jetzt fuhren, musste ich in meinem Sitz angeschnallt werden, um nicht herauszufallen. Ich begann mit Maite und Angelo mal wieder Karten zu spielen, bis Angelo irgendwann verkündete, dass er dringend auf die Toilette musste. Also hielt Kathy an der nächsten Raststätte an und alle stiegen aus. Nur ich blieb im Bus sitzen, bis Angelo als erster wieder zurückkam. Er setzte sich neben mich und stupste mich plötzlich an. „Du Paddy, deine Hose ist nass", sagte er. Ich schaute nach unten und mir schossen sofort die Tränen in die Augen. Das durfte doch nicht wahr sein. Ich hatte tatsächlich vergessen, dass ich mich regelmäßig katheterisieren musste. „Hol schnell John, aber wehe du erzählst irgendjemand anders, was los ist", zischte ich Angelo zu, der sofort nach draußen rannte und gleich darauf mit Jimmy zurückkam. „John konnte ich nirgends finden", sagte er und verschwand wieder nach draußen. Ich weinte jetzt richtig und Jimmy ging vor mir in die Hocke. „Was ist denn los?" „Das", ich deutete auf meine Hose. Jimmy musste schlucken, sagte aber nichts. Er schnallte mich nur los und trug mich wortlos nach oben. Dort legte er mich auf mein Bett und zog mir die nasse Hose aus. Dabei verzog er kurz das Gesicht und mir war das ganze so unsagbar peinlich. Warum hatte Angelo auch ausgerechnet Jimmy holen müssen. Jimmy half mir wortlos dabei, mir etwas frisches anzuziehen. Dabei glitzerten seine Augen irgendwie komisch. „Ich sag schnell Patricia Bescheid, sie soll unten schnell putzen, bevor das alle mitbekommen", murmelte Jimmy und weg war er. Ich lag immer noch weinend auf meinem Bett und krallte mich an der Bettdecke fest. Kurz darauf kam Jimmy zu mir zurück. Mein großer, immer gut gelaunter Bruder legte sich wortlos neben mich, nahm mich in den Arm und weinte. Jimmy weinte. Ich war völlig hilflos und blieb einfach liegen. Irgendwann begann Jimmy zu reden. „Paddy, ich kann das alles nicht mehr. Seit du hier bist, muss ich ständig sehen, was mein kleiner Bruder alles nicht mehr kann. Und jedes Mal fällt mir wieder ein, dass eigentlich ich schuld an allem bin." „ach Quatsch, du warst doch nicht mal direkt bei uns als es passiert ist. Da waren nur Angelo, Barby, Maite und ich. Du warst doch mit Joey irgendwo anders", versuchte ich ihn zu beruhigen. „Ja, aber John hatte damals zu mir gesagt gehabt, dass ich bei euch kleinen bleiben soll, aber ich habe lieber mit Joey Quatsch gemacht. Wenn ich doch nur einmal auf meinen großen Bruder gehört hätte, dann könntest du jetzt noch laufen und alles wäre gut. Ich mache mir solche Vorwürfe", weinte er weiter. Ich seufzte und sagte das selbe wie bereits am Morgen zu Barby. „Ich glaube, Mama hatte da ihre Finger im spül. Sie passt auf uns auf und schaut, dass es allen gut geht. Sie wollte aus irgendeinem Grund, dass der Unfall genau so passiert." Jimmy schluchzte noch immer und hielt mich fest im Arm. Ich war nach wie vor leicht überfordert mit der Situation. Ich hatte Jimmy erst einmal weinen sehen. Das war gewesen, als Mama gestorben war. Sonst war er immer tapfer und fröhlich gewesen. Jimmy war eigentlich derjenige von uns, der immer gute Laune hatte und für jeden Unsinn bereit war. Und jetzt lag er hier und weinte. Ich streichelte ihm einfach weiter über den rücke und hoffte, dass er sich beruhigte. Irgendwann tat er das auch und schlief ein. Im Schlaf hielt er mich aber weiterhin fest. Irgendwann wachte er auf und sah mich an. „Ich werde dich ab jetzt immer beschützen, Paddy. Das bin ich Mama schuldig."

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