Kapitel 73

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Paddy
Nachdem ich am Mittag auch Nahrung über die Sonde bekommen hatte, war mir wieder leicht übel. Das kam bestimmt von der ungewohnten Menge, die plötzlich in meinem Magen war.
Bei unserem Konzert fiel mir auf, dass Barby einem jungen winkte. Anscheinend gefiel er ihr. Das freute mich für meine Schwester, denn bisher hatte sie nie wirklich Interesse an einem männlichen Wesen gehabt. Was mich aber irritierte, war die Reaktion von Jimmy. Er wirkte total angespannt, nachdem Barby dem Jungen gewunken hatte. Ich vermutete, dass ihm der Typ aus irgendeinem Grund nicht gefiel und er Barby beschützen wollte. Vielleicht erzählte Barby ja später, wer dieser Junge war. Neugierig war ich auf jeden Fall.
Nach dem Konzert bauten die anderen die Bühne ab und ich war mit Maite im Bus. Ich zählte die heutigen Einnahmen und plante weiter meine Fanartikel, die bald verkauft werden sollten. Bisher hatte ich Caps und Shirts mit unserem Logo geplant und Poster mit unterschiedlichen Gruppenbildern von uns. Das sollte eine Überraschung für meine Geschwister sein. Ich hoffte, dass es ihnen gefallen würde. Maite kochte solange das Abendessen. Heute machte sie endlich mal wieder Erbsensuppe, was ich sehr gerne aß.
Als die anderen zurückkamen, schob ich meine Notizen unter die anderen Zettel. „Paddy, ich mach die Beatmung weg. Das Essen ist fertig", meinte Patricia. Ich nickte und nahm dann die Maske ab. Joey trug mich nach unten an den Tisch. Dort hatte Maite bereits die Suppe auf den Tisch gestellt und schöpfte mir auch direkt. Heute aß ich einigermaßen viel, weil die Suppe mein Lieblingsessen war. Das schien vor allem Kathy zu freuen. Danach blieb ich auch noch eine Weile bei meinen Geschwistern sitzen. Allerdings brauchte ich die Beatmung wieder und konnte nicht wirklich mitreden. Das Schreiben dauerte zu lange. „Barby, was war das eigentlich für ein Junge vorher?", fragte Jimmy. „Das war Max. Er hat mich vor dem Konzert angesprochen und ist total nett. Er kennt wohl auch dich und Joey. Zumindest vom sehen", erzählte Barby aufgeregt und strahlte dabei. Jimmy verzog das Gesicht. „Ja, gesehen habe ich den schonmal." „Barby, pass bitte einfach auf dich auf", sagte er dann noch. Das war ziemlich seltsam, normal war Jimmy doch nicht so besorgt, das war eher der Job von John. Aber dieser hielt sich momentan komplett heraus und redete mit Kathy und Vincent. Außer mir hatte auch sonst niemand das Gespräch mitbekommen, weil alle anderen in Gespräche bertieft waren. Ich hätte jetzt gerne etwas dazu gesagt, aber mit Beatmung ging das nicht. Ich regte mich darüber komischerweise ziemlich auf und wurde total wütend. Mir schossen Tränen in die Augen. „Paddy, was ist?", fragte Barby sofort besorgt und ich hatte unfreiwillig die gesamte Aufmerksamkeit meiner Geschwister. Ich schüttelte nur verzweifelt den Kopf. Aber Patricia schaltete einfach ohne Vorwarnung die Beatmung ab. „Paddy, sag schon, was ist." „Nichts. Ich würde nur so gerne mitreden, aber ich brauche die Beatmung", schluchzte ich. „Dann schreib doch auf, was du sagen willst", schlug Angelo vor. „Bis dahin seid ihr doch schon wieder beim nächsten Thema", meinte ich. Maite gab mir ein Taschentuch. Ich putzte mir die Nase und atmete wieder sehr schwer. „Paddy, ich glaube es ist am besten, wenn du ins Bett gehst. Du bist total müde", meinte Johnny und ich nickte. Er trug mich nach oben. Dort konnte ich endlich wieder an die Beatmung. Außerdem schloss John direkt die Nahrung an die Sonde an und kurz darauf war ich eingeschlafen. Mitten in der Nacht wurde ich wach, weil mir schrecklich schlecht war. Hastig weckte ich Angelo. Der leuchtete mich mit seiner Taschenlampe an. Ich versuchte, ihm klar zu machen, dass er die Beatmung sofort abschalten sollte. Zum Glück verstand er sofort und riss mir die Maske gerade noch rechtzeitig vom Gesicht. Angelo wollte in dem Moment nachfragen, was los sei, da war es schon zu spät. Ich übergab mich auf den Boden vor dem Bett. Angelo verzog das Gesicht. „War das alles?" „Ich hoffe", antwortete ich. Angelo weckte Patricia und Kathy. Patricia putzte sofort alles auf. Kathy setzte sich zu mir. „Was ist denn los? Ist Dir noch schlecht?" „nein, es ist glaub alles draußen. Ich weiß auch nicht, was los war", meinte ich. „Das sah irgendwie so aus, als hättest alles ausgespuckt, was du über die Sonde bekommen hast", mischte sich jetzt Patricia ein. „Vielleicht war das irgendwie zu viel auf einmal über die Sonde", überlegte Kathy. „Wie wäre es, wenn ich die Sonde so einstelle, dass die Nahrung langsamer läuft. Dann hängst du zwar länger daran, aber vielleicht wird Dir dann nicht mehr schlecht", schlug sie vor. Ich nickte und sie drückte den Schlauch mit der Klemme ein bisschen weiter zusammen, damit weniger Nahrung auf einmal durch den Schlauch in meinen Magen lief. Sofort spürte ich, wie die Nahrung langsamer in meinem Magen ankam. „Und jetzt Versuch nochmal zu schlafen", sagte Patricia und strich mir über den Kopf. Kathy schloss mich wieder an die Beatmung an. Doch einschlafen konnte ich nicht mehr. Irgendwie störten mich die Schläuche und ich hätte mich gerne gedreht, aber das ging so nicht. Bis die Wunde verheilt war, durfte ich nicht darauf liegen und solange die Sonde an der Nahrung angeschlossen war, sowieso nicht. Auf der Seite konnte ich auch nicht liegen, weil ich dann immer kippte. Also blieb ich auf dem Rücken liegen und starrte an die Decke. Ich spürte, wie es in meinem Bauch gluggerte, aber schlecht wurde mir nicht mehr. Mein Körper musste vermutlich erst damit klar kommen, dass so viel in meinem Magen landete. Irgendwann bewegte sich endlich Joey, aber machte die Musik nicht an, sondern zog sich leise seine sportsachen an und verschwand. Nach einer gefühlten Ewigkeit tauchte er wieder auf und weckte die anderen mit Hotel California. Patricia kam als erstes zu mir. „Ist alles in Ordnung?", fragte sie. Ich nickte. Dann sah ich, dass in dem Beutel noch ein Rest Nahrung drin war. „Du kannst trotzdem aufstehen, bis du angezogen bist, ist der Rest vielleicht schon durch", meinte sie und half mir dann in meine Hose. Heute konnte ich dabei ziemlich gut mithelfen. Nach ein paar Tagen hatte ich heute wieder die Kraft, meine Beine anzuheben. Dann brachte mich Joey nach unten zum Frühstück. Die Nahrung war inzwischen durch und Patricia reinigte den Schlauch am Frühstückstisch. Essen konnte ich danach nichts und trinken wollte ich auch nichts. Deshalb beschloss Kathy, dass ich noch zwei spritzen Wasser über die Sonde bekommen sollte. Dr Verreet hatte wohl gemeint, ich sollte auch ab und zu Wasser darüber bekommen, damit ich genug trank, was oft wegen der Beatmung auch nicht der Fall war. Der einzige Nachteil daran war, dass ich mir dann öfter einen Katheter legen musste, was ich dann auch tat als meine Geschwister den Bus verließen, um die Bühne aufzubauen.

Manchmal kommt alles andersWo Geschichten leben. Entdecke jetzt