Kapitel 18

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Barby
Paddy gefiel mein Lied. Das machte mich sehr glücklich. Hoffentlich mochten es die anderen auch. Ich hatte ewig an diesem Lied gesessen und mir so viele Gedanken dazu gemacht. Noch nie davor hatte ich so lange gebraucht, um ein Lied zu schreiben. Aber dieses Lied war ja auch etwas besonderes für meinen ganz besonderen Bruder. Ich streichelte Paddy über den Kopf und gab ihm dann einen Kuss auf die Wange. Paddy zog mich in seine Arme und drückte mich fest an sich. Dann sagte er: „Barby, kannst du mir helfen? Ich möchte gerne zu den anderen und traue mich nicht, mich allein in den Rollstuhl zu setzen." Ich nickte und stand auf. Dann wartete ich ab, was Paddy vorhatte. Er setzte sich mühsam auf und schob seine Beine vom Bett. Dabei sah ich, dass seine Beine noch viel dünner geworden waren als früher. Man konnte richtig sehen, dass er schon so lange nicht mehr seine Beine bewegt hatte. Paddy rutschte jetzt näher an den Rollstuhl. „Barby, kannst du dich vor mich stellen und mich festhalten, falls irgendwas schief geht?" Ich nickte und stellte mich vor ihn. Paddy stützte sich jetzt auf Bett und Rollstuhl ab. Er drückte sich nach oben und drehte sich zum Rollstuhl, wo er sich fallen ließ. Ich stand die ganze Zeit mit ausgestreckten Armen vor ihm, bereit meinen kleinen Bruder aufzufangen, sollte er abrutschen. Sobald Paddy saß, stellte er seine Füße auf das Fußbrett und schnallte sich an. „Komm, gehen wir zu den anderen", meinte er dann und ich folgte ihm mit meiner Gitarre in der Hand. Wir fanden die anderen im Wohnzimmer, nur Papa war nicht da. Wahrscheinlich hatte er sich wieder hinlegen und ausruhen müssen. „Barby hat ein neues Lied geschrieben, es ist so toll", schwärmte Paddy und mir blieb nichts anderes übrig, als „Baby smile" meinen Geschwistern vorzuspielen. Ich war ziemlich nervös und schaute das ganze Lied über auf meine Gitarre. Doch als ich fertig war, klatschten alle. „Barby, das Lied ist wirklich toll", schwärmte Patricia und drückte mich. Auch die anderen waren total begeistert. „Ich finde, das Lied muss unbedingt auf die neue Platte", schlug Paddy vor. Die anderen stimmten zu. „Dann haben wir noch ein Lied für die Platte. Mit solchen Liedern kann die ja nur erfolgreich werden", freute sich John und umarmte mich nun ebenfalls. Ich wurde knallrot. So viel Aufmerksamkeit mochte ich eigentlich gar nicht, außer ich tanzte auf der Bühne. Aber meine Geschwister waren so begeistert, dass sie sich gar nicht mehr beruhigten. Weil alle sowieso so aufregt waren, beschlossen wir, noch ein bisschen zu singen. Jimmy holte noch Paddys Gitarre und er und ich spielten. Irgendwann holte Kathy dann noch ihr Akkordeon und ich drückte meine Gitarre Joey in die Hand. Ich wollte unbedingt tanzen. Ich stand auf und hüpfte durch den Raum. Auch Maite sprang auf und tanzte mit mir durchs Zimmer. So ging es eine ganze Weile, bis sich Maite außer Atem auf das Sofa fallen ließ. Sie war ganz verschwitzt und rot im Gesicht. Auch Paddy hatte hochrote Wangen. Ich setzte mich ebenfalls wieder zu den anderen. „So langsam habe ich Hunger. Maite, kochst du was für uns?", verkündete Angelo. Maite nickte und verschwand in die Küche. „Maite, ich helfe dir", rief ich ihr hinterher und folgte ihr in die Küche. Paddy folgte uns ebenfalls. Er fuhr an den Tisch und Maite stellte ihm eine große Schüssel Kartoffeln hin. „Die müssen geschält werden. Barby, hilfst du ihm?" Ich nickte und setzte mich zu Paddy. Zu zweit kamen wir gut voran und waren schnell fertig mit den vielen Kartoffeln. Maite briet in der Zwischenzeit Fleisch und Gemüse an. Dazu kamen dann die Kartoffeln und Paddy kümmerte sich noch um eine Soße. Ich holte solange die anderen. Patricia holte noch Papa und wir setzten uns alle zusammen an den Tisch.
Nach dem Essen verzog ich mich in mein Zimmer. Auch den Abend mit meinen Geschwistern zu verbringen, war mir irgendwie zu viel. Hier auf dem Boot genoss ich es, mich jederzeit zurückziehen zu können. Hier konnte ich in Ruhe malen oder schreiben. Ich setzte mich an den kleinen Tisch und holte meine Farben. Ich überlegte kurz und malte dann los. So konnte ich alles zum Ausdruck bringen, was mich beschäftigte. Meine Geschwister nutzten dazu immer die Musik oder Sport, mir war das Malen lieber. Wenn mich etwas sehr beschäftigte, schrieb ich auch mal einen Song, aber malen ging mir deutlich leichter von der Hand. Irgendwann klopfte es an meine Tür. „Ja?" Paddy streckte den Kopf herein. „Möchtest du mit uns noch einen Film anschauen? Ich würde mich freuen, wenn du kommst", er lächelte mich mit seinem unwiderstehlichen Lächeln an und konnte gar nicht nein sagen. Ich legte meine Stifte hin und folgte ihm ins Wohnzimmer. Die anderen saßen bereits alle vor dem Fernseher und warteten auf uns. Ich setzte mich vor Joey auf den Boden und Paddy blieb in seinem Rollstuhl neben dem Sofa stehen. „Paddy, willst du nicht auch aufs Sofa sitzen?", fragte Angelo. Paddy schüttelte nur den Kopf und schaute betreten auf seinen Schoß. Wahrscheinlich hatte er Angst, zur Seite zu kippen. „Komm schon Paddy, hier ist es wirklich bequemer", versuchte Jimmy sein Glück, doch Paddy reagierte gar nicht mehr. Da kam mir eine Idee und ich flüsterte kurz mit Joey. Joey nickte und stand auf. Er ging zu Paddy und schnallte ihn los. Paddy protestierte wild, doch Joey hob ihn hoch und setzte ihn neben mich auf den Boden. Er lehnte Paddy gegen Kathys Beine und setzte sich neben ihn. Ich saß auf der anderen Seite und rutschte näher zu ihm. „Du brauchst keine Angst haben, Joey und ich passen auf, dass du nicht fällst und du kannst dich an Kathy anlehnen", flüsterte ich ihm zu. Paddy lächelte verkrampft und John startete den Film. Nach und nach merkte ich, wie sich Paddy entspannte und auf den Film konzentrierte. Gegen Ende saß er ganz entspannt zwischen uns und konnte den Film genießen.
Nach dem Film trug John Paddy in sein Zimmer und auch wir anderen gingen ins Bett. Morgen hatten wir schließlich einiges vor. Wir würden die ersten Aufnahmen für das neue Album machen und Paddy sollte seine erste Stunde Krankengymnastik bekommen, bevor wir abends wieder losfahren würden zum nächsten Konzert und unterwegs noch Vincent abholen würden.

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