Kapitel 68

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Jimmy
Der morgen mit meinen Geschwistern hatte mir gut getan, aber jetzt war ich doch froh, mich wieder hinlegen zu können. Meine Rippen machten mich fertig und mein Kopf tat auch wieder weh. Hoffentlich hörte mein Kopf wenigstens bald auf zu pochen.
Ich hörte, wie unten jemand in den Bus kam und spannte mich sofort an. Dann hörte ich Dr Verreet rufen: „Jimmy, bist du oben?" „Ja", antwortete ich. Dr Verreet kam die Stufen nach oben. „Wie gehts dir denn?", fragte er gleich. „Es geht. Die Hand tut gar nicht weh. Kopfschmerzen hatte ich seit gestern Abend nicht mehr, jetzt aber wieder ein bisschen. Und meine Rippen machen mich fertig", zählte ich auf. „Die Kopfschmerzen sind völlig normal, je werden aber immer weniger. Ich denke morgen kannst du wieder auf die Bühne. Die Rippen schaue ich mir aber nochmal an", meinte Dr Verreet. Dann musste ich mein Oberteil ausziehen, was ziemlich schmerzhaft war. Dr Verreet betrachtete die Blutergüsse an meinem Brustkorb. „Ich wickle dir jetzt einen Verband um die Brust. Der liegt ganz eng an und stabilisiert deine Rippen. Dann hast du weniger schmerzen und die Rippen heilen auch besser und wachsen auch gerader zusammen", erklärte er. Dann musste ich mich aufrecht hinsetzen. Dr Verreet wickelte mir eine Binde straff um den Oberkörper. Dabei presste er mir gefühlt die ganze Luft aus der Lunge. „Ruhig bleiben, das muss so sein. Deine Geschwister müssen Dir den Verband morgen früh neu wickeln, aber das dürfte ja kein Problem sein. Der Verband bleibt jetzt mal eine Woche dran und dann schaue ich mir das nochmal an und werde dann auch noch Röntgenaufnahmen von deiner Hand machen, um zu schauen, wie gut der Knochen zusammenwächst", erklärte er mir. „Jetzt warten wir, bis die anderen kommen, dann ist noch Paddy dran", meinte er. „Paddy macht mir sorgen. Er ist total schwach und hat gestern den ganzen Tag die Beatmung gebraucht. Er isst auch kaum was", erzählte ich. „Das schaue ich mir mal an, mach dir keine Gedanken, ich finde eine Lösung. Muss ich ja, sonst dreht mir dein Vater den Hals um", lachte Dr Verreet. Ich musste auch lachen, bereute es aber sofort, denn meine Rippen fanden das nicht so gut und rebellierten. „Ganz ruhig, du musst noch ein bisschen vorsichtig mit deinen Rippen sein", ermahnte mich Dr Verreet. Ich nickte. Dann hörte ich unten Schritte und John und Kathy kamen mit Paddy herauf. Dieser hing erschöpft auf Johns rücken. John setzte Paddy auf seinem Bett ab. „So Paddy, dann bist jetzt du dran. Zeig doch mal, wie du dich inzwischen bewegen kannst", meinte Dr Verreet und Paddy bewegte langsam seine Beine. „Das gefällt mir sehr gut", sagte er und nun wurde Paddy abgehört. „Mit deiner Lunge ist alles in Ordnung, aber du scheinst ziemlich schwach zu sein. Außerdem hast du schon wieder abgenommen. Da müssen wir definitiv was unternehmen. Du musst mehr essen, nur so hast du genug Kraft. So hart das klingen mag, aber wenn du nicht mehr isst, wirst du auch nicht stehen können und die Beatmung immer öfter brauchen, was wiederum bedeutet, dass du auch nicht so oft mit auf die Bühne kannst", sagte Dr Verreet. Paddy hatte sofort Tränen in den Augen. „Aber ich will doch auf die Bühne. Und ich will wieder laufen können", schluchzte er. „Da gibt es jetzt vermutlich nur noch eine Möglichkeit. Du musst dir die Magensonde legen lassen. Die muss ja nicht für immer bleiben, nur bis du das mit dem Essen in den Griff bekommen hast", meinte Dr Verreet und Paddy sah ihn schockiert an. „Paddy, bitte, denk daran, dass es dir damit besser gehen wird. Denk an das, was du dadurch alles wieder machen kannst", versuchte ich, ihn zu beruhigen. Doch es nützte nichts. Paddy schluchzte immer stärker. Dr Verreet verließ mit Kathy und John kurz den Bus, um sich zu besprechen. Ich hielt meinen kleinen Bruder im Arm. „Jimmy, bitte mach was. Ich will das nicht haben. Ich will kein Loch im Bauch", weinte er. „Pad, da kann ich nichts machen. Ich würde dir so gerne helfen, aber ich kann nicht. Ich kann dich auch verstehen, aber ich kann auch Dr Verreet verstehen. Du wiegst keine 50 Kilo mehr, du musst zunehmen. Und du bist so schwach geworden in den letzten Tagen. Wir müssen was tun, so kann das mit dir nicht weitergehen. Aber Dr Verreet hat ja gesagt, dass die Sonde auch irgendwann wieder weg kann, sobald du dein Gewicht im Griff hast. Ich denke, du kannst dann auch viel schneller ein bisschen laufen", versuchte ich, Paddy zu beruhigen. „Und wenn du im Krankenhaus bist, bleibe ich bei dir. Versprochen", ich drückte seine Hand. Paddy wischte sich die Tränen ab. Da kamen die anderen wieder zurück. „Paddy, wir haben uns besprochen. Du brauchst die Sonde. Eine andere Möglichkeit hast du nicht. Dr Verreet holt dich morgen früh am Bus ab und bringt dich nach Köln. Dort wird er dich operieren. Dann musst du noch ein oder zwei Nächte im Krankenhaus bleiben und danach können wir dich schon wieder abholen", erklärte Kathy sehr bestimmt. Sofort weinte Paddy wieder. „Paddy, beruhig dich, ich komme mit Dir, du bist nicht allein", beruhigte ich ihn. Kathy und John sprachen nochmal kurz mit Dr Verreet und dieser fuhr dann auch schon wieder nach Köln. Paddy weinte noch eine Weile, bis er keine Kraft mehr hatte und einschlief. John schloss ihn an die Beatmung an, wovon er nicht mal wach wurde. Wir anderen saßen noch ein bisschen zusammen, damit Patricia wenigstens noch ein bisschen etwas von ihrem Geburtstag hatte, bevor wir auch schon weiterfahren mussten.

Manchmal kommt alles andersWo Geschichten leben. Entdecke jetzt