Kapitel 83

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John
Ich schaute Dr Verreet ungläubig an. Er wollte tatsächlich, dass Paddy versuchte zu laufen. „John, dich bräuchte ich mal kurz. Paddy muss sich an dir festhalten", sagte da Dr Verreet. Ich nickte und stellte mich vor Paddy. Paddy legte auf Anweisung von Dr Verreet seine Hände auf meine Schultern und ich hielt ihn an der Hüfte fest. Dann richtete ich mich langsam auf und zog Paddy nach oben. Sekunden später stand Paddy und stützte sich schwer auf meinen Schultern ab. „Du machst das sehr gut, Paddy. Und jetzt versuch mal dein stärkeres Bein anzuheben und einen Schritt zu machen", lobte der Arzt. Paddy nickte hoch konzentriert. Er keuchte vor Anstrengung. „Paddy, du schaffst das", ermutigte ich meinen kleinen Bruder. Er nickte gequält und schaffte es schließlich, das linke Bein ein Stück nach vorne zu schieben. „Du hast es geschafft", jubelte Patricia und Barby schluchzte laut auf. In Paddys Augen glitzerten auch Tränen. „John, setz Paddy wieder hin", meinte da Dr Verreet. Ich nickte und half Paddy, sich wieder aufs Bett zu setzen. Dort nahm ihn Lisa sofort ganz fest in den Arm und Paddy schluchzte nun auch. „Paddy, das war sehr sehr gut. Ich denke, wenn du in dem Tempo weitermachst, läufst du bald ein paar Schritte", meinte Dr Verreet. „Ich lasse dir jetzt noch Krücken da, die wirst du brauchen. Du kannst ja schließlich nicht immer an John hängen, wenn du läufst." Da grinste Paddy unter Tränen und nickte. Er war sichtlich erledigt. „Am besten ruhst du dich jetzt noch ein bisschen aus", meinte der Arzt und Paddy nickte wieder. „Ich brauche glaube ich kurz die Beatmung", meinte er dann. Ich schloss ihn sofort daran an. Paddy bedeutete Lisa, dass sie sich zu ihm legen sollte und legte seinen Arm um sie. Lisa kuschelte sich an Paddy und er strich ihr sanft über den Kopf. Wir anderen gingen nach draußen, da Dr Verreet unten am Tisch mit Jimmy saß und sich seine Rippen anschauen wollte.
Jimmy kam ziemlich schnell wieder nach draußen. „Meine Rippen sind soweit wieder in Ordnung, ich soll nur noch zwei Wochen lang keinen Sport machen. Und in ein paar Tagen kann der Gips auch ab. Dr Verreet kommt dann nochmal vorbei und kümmert sich darum", erzählte uns Jimmy begeistert. „Das klingt ja sehr gut", meinte ich. Da kam Dr Verreet noch zu uns. „Ich muss euch noch ein paar Infos wegen Paddy mitteilen. Er hat sich dafür entschieden, dass seine ganze Ernährung über die Sonde geregelt werden soll. Ich hab euch nochmal aufgeschrieben, wie viel Nahrung er wann bekommen muss. Und ermutigt ihn dazu, auch immer wieder etwas zu essen, aber ohne Druck. Paddy soll ja irgendwann wieder komplett ohne Sonde klarkommen, aber das wird nur klappen, wenn das Essen kein Zwang für ihn wird. Bietet ihm einfach immer wieder etwas an, was er gerne isst. Und wegen dem stehen übt ihr bitte auch täglich mit ihm. Paddy kann auch mal probieren, mit den Krücken zu stehen, aber da müsst ihr ihn am Anfang noch unterstützen und festhalten", erklärte uns Dr Verreet. Wir nickten alle wortlos. Dieser Mann schaffte es immer wieder, uns alle so mit Informationen zu überhäufen, dass sogar wir Kellys überfordert und ausnahmsweise mal still waren. Außer ihm hatte das bisher noch niemand geschafft, außer vielleicht Papa, aber der zählte nicht, weil er schließlich auch ein Sturkopf wie wir war. „Ach und startet heute mit der Sonde erst mit dem Mittagessen, jetzt ist es schon zu spät", sagte Dr Verreet noch, bevor er sich von uns verabschiedete. Dann wandte er sich noch an Patricia. „Ich habe mir die Berichte von dir aus dem Krankenhaus angesehen. Allerdings weiß ich auch nicht, was mit dir los sein könnte. Du bekommst von mir jetzt erstmal nochmal ein Rezept für Schmerzmittel und dann kümmere ich mich darum, dass du nach Weihnachten einen Termin bei einem Neurologen in Köln bekommst, vorher wird das leider nicht klappen. Und sollte es schlimmer werden mit den Schmerzen, kannst du dich jederzeit melden und ich kann dich als Notfall in die Klinik aufnehmen und eine Untersuchung veranlassen. Das gilt aber wirklich nur für den Notfall", erklärte er ihr und gab ihr noch ein Rezept. Patricia nickte dankbar. „Ich hole mal die beiden turteltauben, wir müssen gleich zum Konzert", meinte ich und lief nach oben. Paddy und Lisa lagen noch immer dicht beieinander in Paddys Bett und kuschelten. „Hey ihr beiden, wir müssen los zum Konzert", sprach ich die beiden an. Paddy zuckte kurz zusammen, nickte dann aber sofort. Ich schaltete ihm die Beatmung ab und gab ihm etwas zu trinken. „Lisa, gehst du schon mal nach draußen, ich komme gleich nach", sagte er zu Lisa. Die sah uns verwirrt an, ging dann aber nach draußen. Ich verstand sofort, warum Paddy Lisa weggeschickt hatte. Ich gab ihm einen Katheter, nahm das kleinere sauerstoffgerät mit und ging dann ebenfalls nach unten. Lisa stand draußen bei Barby, die ihr offenbar erklärt hatte, warum Paddy noch oben war. Joey holte bereits den Rollstuhl für Paddy, welcher kurz darauf zu uns stieß. Kathy wickelte ihm noch eine Decke um die Beine, welche Lisa ordentlich feststopfte. Dann schob ich Paddy zum Bus, während er mit Lisa Händchen hielt. An der Bühne brachte ich Lisa an die Seite von der Bühne, von wo aus sie das Konzert gut sehen konnte. Dann gingen wir alle auf die Bühne. Unsere Fans wussten natürlich alle, dass Paddy heute Geburtstag hatte und es wurden einige Geschenke für ihn auf die Bühne geworfen. Am Ende des Konzerts überraschte uns der kleine dann alle. Er fuhr an den Rand der Bühne und Angelo verschwand plötzlich. „Ich möchte mich erstmal für die ganzen Geschenke bedanken. Aber jetzt möchte ich gerne das beste Geschenk auf die Bühne holen, dass ich heute überhaupt bekommen konnte", sagte Paddy. In dem Moment kam Angelo wieder auf die Bühne und zerrte Lisa mit sich. Anscheinend wusste die auch nicht, was Paddy vorhatte. Angelo zerrte Lisa weiter, bis sie neben Paddy stand. Er lächelte sie an, griff nach ihrer Hand und gab uns dann das Zeichen, dass wir take my hand anstimmen sollten. Das taten wir dann auch und Paddy strahlte dabei die ganze Zeit Lisa an. Diese strahlte ebenfalls.
Nach dem Konzert lächelten sich die beiden verliebten noch immer an. Wir gingen alle gemeinsam zum Bus. Dort wollte Paddy unbedingt ohne die Beatmung bleiben. Wie gut diese Idee war, wusste ich nicht, hoffte aber, dass er das durchhalten würde. Maite hatte inzwischen Brote gemacht. Kathy kam mit der sondennahrung zu Paddy. „Kathy, können wir das bitte oben machen. Ich möchte nicht, dass alle zuschauen", sagte Paddy leise zu ihr. Das passte so gar nicht zu ihm, normal hatte er keine Probleme, wenn wir zusahen wie er die Nahrung bekam. Vermutlich lag es an Lisa und er wollte ihr nicht zeigen, wie sein Bauch aussah. Das konnte ich verstehen, ich hätte an seiner Stelle auch nicht gewollt, dass meine Freundin soetwas sah, vor allem weil die zwei auch noch nicht so lange zusammen waren.

Manchmal kommt alles andersWo Geschichten leben. Entdecke jetzt