Kapitel 77

273 11 3
                                    

Paddy
Ich zog das gesamte Konzert ohne Sauerstoff durch. Ich wollte mir selbst unbedingt zeigen, dass es mir wieder viel besser ging und ich den Sauerstoff nicht mehr brauchte. Allerdings merkte ich schon am Ende des Konzerts, dass ich schon bessere Ideen gehabt hatte. Ich war völlig fertig, mir tat die Brust weh und meine Lunge pfiff bei jedem Atemzug merkwürdig. Schnell schaltete ich den Sauerstoff an, als wir die Bühne verlassen hatten. Ich wollte das wieder in den Griff bekommen, bis wir am Bus waren. Aber das klappte auch nicht so richtig. Ich keuchte heftig vor mich hin und Angelo musste mich schieben. „Paddy, du darfst nicht übertreiben. Du musst dir und uns nichts beweisen. Deine Lunge ist krank, das musst du akzeptieren und aufpassen", schimpfte mich Kathy noch auf dem Weg zum Bus. Inzwischen atmete ich so schwer, dass ich ihr nicht mehr antworten konnte. Am Bus trug mich Joey sofort nach oben und legte mich auf mein Bett. Inzwischen hatte ich das Gefühl, gleich zu ersticken. Joey nahm mir den sauerstoffschlauch weg und schob die Maske für die Beatmung über meinen Mund und meine Nase. Sekunden später wurde Sauerstoff in meine Lunge gepumpt und ich wurde ruhiger. Es dauerte noch ein paar Atemzüge, bis ich wieder das Gefühl hatte, genug Luft zu bekommen. Meine Lunge tat aber nach wie vor weh, wenn die Luft hineingepresst wurde. Hoffentlich ließ das bald nach. Ich fühlte mich wieder total abhängig von diesem Gerät und das war kein schönes Gefühl. Zum Glück blieb Angelo bei mir. Er legte sich neben mich und nahm mich in den Arm. „Paddy, warum hast du das gemacht? Du musst uns doch nichts beweisen", sagte er irgendwann. Ich zuckte nur die Schultern. Warum ich das gemacht hatte, wusste ich selbst nicht so richtig. Aber ich bereute es auf jeden Fall. „Paddy, ich geb dir noch schnell dein Essen", meinte Patricia, die auf der Treppe stand. In der Hand hatte sie die Nahrung, eine Spritze und Wasser. Ich nickte und zerrte mein Oberteil hoch. Tricia gab mir heute sechs Spritzen Nahrung und vier mit Wasser. Danach ließ sie mich wieder in Ruhe. Ich hatte wieder Bauchschmerzen und es gluggerte laut in meinem Bauch. „Paddy, ist alles in Ordnung?", fragte Angelo besorgt. Ich nickte, die Bauchschmerzen würden ja gleich wieder besser werden. Ich zeigte Angelo, dass ich mich hinlegen und ausruhen wollte. Angelo verstand sofort und war still. Ich schloss die Augen, aber meine Lunge tat noch immer ziemlich weh, weshalb ich nicht schlafen konnte. Angelo schien das aber nicht zu merken. Nach einer Weile kam Patricia zu uns. „Paddy, ich weiß, dass du wach bist." Ich drehte meinen Kopf in ihre Richtung. „Ich nehme an, du willst im Bus bleiben anstatt zum Konzert zu gehen", meinte sie dann. Ich nickte. „Ok, dann bleib ich bei dir. Mir geht es heute nicht so gut, ich muss eine Show aussetzen", meinte sie und schickte dann Angelo nach unten. Patricia verschwand auch nochmal kurz und kam mit einer Tablette zurück, die sie schnell schluckte. Ich sah sie fragend an. „Ich hab Kopfschmerzen", erklärte sie. Ich ahnte, dass das nicht stimmte. Tricia schien Schmerzen zu haben, aber nicht Kopfschmerzen und auch sehr starke Schmerzen schienen es zu sein. Tricia legte sich mit einem stöhnen zu mir und ich legte meinen Arm um sie. Nach ein paar Minuten war meine große Schwester in meinem Arm eingeschlafen. Ich blieb ganz ruhig liegen und lauschte ihrem gleichmäßigen Atem. Das wirkte so beruhigend, dass auch ich schließlich einschlief.
Als ich aufwachte musste ich schrecklich husten. Mit der Maske war das mehr ein keuchen und tat ziemlich in meiner Lunge weh. Patricia wachte sofort auf. „Ist alles in Ordnung ?", fragte sie besorgt. Ich schüttelte den Kopf und bedeutete ihr, dass sie die Beatmung wegmachen sollte. Das machte sie sofort und endlich konnte ich richtig husten. Mein husten klang sehr seltsam und pfeifend. Auch hatte ich da Gefühl, wieder nicht genug Luft zu bekommen. „Paddy, ganz ruhig. Trink was", Tricia hielt mir eine Wasserflasche hin. Ich trank zwischen zwei Hustenanfällen. „Und jetzt atme ganz ruhig. Ein und aus. Ein und aus", Patricia machte mit mir irgendwelche Atemübungen, bis der husten endlich weniger wurde. Ich bekam wieder besser Luft und das pfeifen verschwand. Ich konnte noch immer ein leichtes Rasseln in meiner Lunge hören, aber anstonsten war meine Atmung wieder normal geworden. „Willst du wieder an die Beatmung?" „Nein, ich hab Angst, dass ich wieder husten muss. Aber ich brauche auf jeden Fall Sauerstoff", antwortete ich. Tricia holte mir den Schlauch und drehte den Sauerstoff fast ganz auf. „Wenn das bis heute Abend nicht besser wird, werden wir wohl morgen mit Dr Verreet reden müssen. Irgendwas scheint mit deiner Lunge nicht in Ordnung zu sein oder du hast es vorher einfach nur übertrieben. Hoffen wir mal, dass es daran liegt", meinte sie. Ich nickte. Sprechen traute ich mich nicht so wirklich, weil ich dann einen neuen Hustenanfall befürchtete. Dann kamen auch schon die anderen zurück. Tricia erzählte natürlich gleich Kathy, was passiert war und meine älteste Schwester stand besorgt neben mir. Sie redete kurz mit Patricia. „Paddy, Tricia bleibt bei dir. Jetzt warten wir mal, wie deine Lunge bis morgen früh ist und dann entscheiden wir, ob wir Dr Verreet anrufen müssen oder nicht", meinte sie dann. „Ja, das ist eine gute Idee", antwortete ich. Dabei musste ich schon wieder schwerer atmen. „Am besten hälst du jetzt einfach mal deine Klappe, auch wenn es schwer ist", lachte Jimmy, der uns zugehört hatte. „Ich glaube Paddy hat da weniger Probleme als du. Ich kann mich nicht erinnern, wann du das letzte mal länger still warst, außer wenn du geschlafen hast", stichelte Angelo. Jimmy streckte Angelo die Zunge heraus und Sekunden später rannten beide lachend die Treppe nach unten. „Kleinkinder", kommentierte Joey die Aktion, als wir die beiden draußen kreischen hörten. Da musste ich ein bisschen lachen und keuchte schon wieder. „Du verschwindest jetzt auch mal und schaust, dass Jimmy ein bisschen auf dich aufpasst, seine Hand und seine Rippen sind noch nicht verheilt", meinte Kathy und jagte dann auch Barby, John und Maite nach draußen. Auch sie ging und ließ Patricia und mich allein. Wir legten uns wieder hin und Tricia nahm mich in den Arm. Sie sang leise, bis ich das erste mal seit langem ohne die Beatmung einschlief.

Manchmal kommt alles andersWo Geschichten leben. Entdecke jetzt