Kapitel 64

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Maite
Barby hatte am Nachmittag Jimmy gefunden. Seitdem war sie gar nicht mehr zu beruhigen. Nur das Konzert hatte sie irgendwie überstanden, ohne zu weinen. Auch jetzt weinte sie noch, obwohl es schon sehr spät war und ich gerne schlafen würde. Alle anderen schliefen inzwischen. Meine Gedanken drehten sich nur noch im Krankenhaus. Warum war Jimmy das passiert? Und vor allem wer war das gewesen? Würde es ihm bald wieder besser? Wir brauchten ihn schließlich, er plante doch alles. Irgendwann wurde Barby ruhiger und schlief schließlich ein. Kurz darauf war auch ich eingeschlafen. Aber leider war die Nacht noch kürzer als sonst. Joey weckte uns bald nachdem ich eingeschlafen war mit Hotel California. Paddy wachte davon nicht mal auf. Barby dagegen weinte sofort wieder, als sie wach war. Ich nahm meine große Schwester in den Arm. „Barby, bitte beruhig dich. Das hilft Jimmy nicht, wenn du nur heulst. Wir müssen jetzt stark sein. Und seine Verletzungen sind lange nicht so schlimm wie bei Paddy damal", versuchte ich mein Glück. Doch vergeblich. Da winkte Paddy und ich ging zu ihm. „Was ist los?", fragte ich ihn. Er zeigte auf Barby und dann auf sein Bett. „Soll Barby zu dir kommen?", versuchte ich es und er nickte. Ich holte Barby zu Paddy und beobachtete, was dann passierte. Barby legte sich zu Paddy. Er war noch an der Beatmung und konnte nicht mit ihr reden. Doch er legte einfach seinen Arm um sie und ließ sie weinen. Dann streichelte er ihr über den Rücken und irgendwann griff er zu Papier und Stift und schrieb etwas für Barby auf. Barby nickte und umarmte Paddy nochmal. Dann wischte sie die Tränen ab und stand auf. Sie kam zu mir. „Besser?", fragte ich und sie nickte. „Aber wie Paddy das gemacht hat, bleibt unser Geheimnis", meinte sie dann noch und zog sich dann an. Ich ging auch runter zu den anderen. Kurz darauf erschienen Barby und Paddy. Paddy rutschte wie in letzter Zeit immer auf dem Po die Stufen herunter und zog sich dann mit den Armen bis zum Tisch. Seine Beine zog er hinterher. Am Tisch half ihm Angelo in seinen Sitz. „Ich hab eben im Krankenhaus angerufen. John kann Jimmy abholen. Er muss sich aber noch ein paar Tage schonen und Dr Verreet muss die Brüche in zwei Wochen kontrollieren", erklärte uns Patricia. Sie schien alles im Griff zu haben. „Dann müssen eben die anderen Jungs jetzt meine Sklaven spielen und mich tragen", grinste Paddy. Er schaffte es immer wieder, die Stimmung aufzulockern. Ich musste lachen und sogar auf Barbys Gesicht schlich sich ein grinsen.
Nach dem Frühstück fuhr John gleich los, damit er zum ersten Konzert wieder da war. Wir anderen bereiteten solange alles vor. Patricia übernahm Jimmys Aufgaben. „Maite, ich muss mich nochmal ein bisschen ausruhen, heute ist definitiv kein guter Tag", meinte Paddy. „Willst du unten bleiben oder hoch?", fragte ich ihn. „Unten bleiben", antwortete er. Ich schleppte die Beatmungsmaschine nach unten und schloss Paddy daran an. Er blieb mit Barby sitzen und sie zählten die Einnahmen von den verkauften Platten der letzten Tage. Das konnte Paddy auch ohne zu sprechen. Es musste sowieso alles aufgeschrieben werden. Bald wollte er auch noch t-Shirts und Poster verkaufen lassen. Das plante er seit ein paar Tagen. Wie die Motive sein würden, verriet er uns aber nicht. Kurz bevor wir uns umziehen mussten, kamen John und Jimmy zurück. Jimmy war ganz bleich. Außerdem hatte ein blaues Auge, ein Pflaster an der Stirn und einen Gips um seine linke Hand. Er stützte sich schwer auf John. Gemeinsam gingen sie nach oben, damit sich Jimmy hinlegen konnte. Barby schaute schon wieder besorgt, doch Paddy haute ihr leicht den Schenkel und sofort sah sie wieder auf den Zettel vor ihr. Mich würde wirklich interessieren, was die beiden ausgemacht hatten. Aber sie würden es sowieso nicht verraten. Also folgte ich John und Jimmy nach oben. Jimmy lag in seinem Bett und zitterte leicht. „Jimmy?", fragte ich leise. „Mir ist schlecht und mir tut alles weh. Mein Kopf und meine Rippen sind der Horror und jedes Geräusch ist zu laut. Komm her little sister", flüsterte Jimmy. Ich setzte mich an sein Bett und drückte sanft seine Hand. „Kannst du hierbleiben? Ich mag nicht ganz allein bleiben", bat mich Jimmy. „Natürlich", antwortete ich. „Ich bringe den anderen nur schnell ihre Klamotten nach unten, dann hast du hier deine Ruhe", meinte ich noch und sammelte alles zusammen. Zusätzlich nahm ich noch einen Katheter für Paddy mit. Das konnte nicht schaden, wenn er sich nochmal um seine Blase kümmerte. Das Gefühl in seinem Oberkörper und den Beinen kam zwar langsam zurück, aber wann er aufs Klo musste, merkte er immer noch nicht. Laut Dr Verreet könnte es auch sein, dass das so bleiben würde. Unten zogen sich alle um und dann schickte Paddy sie nach draußen und mich nach oben, damit er sich in Ruhe den Katheter legen konnte. Jimmy war inzwischen eingeschlafen. Unten schepperte es nach ein paar Minuten. Anscheinend war Paddy auf dem Weg nach draußen. Ich schaute nach unten und konnte sehen, wie er heute sehr mühsam zur Tür robbte. Er schien heute richtig Mühe zu haben, sich zu bewegen und wirkte ziemlich kraftlos. Joey half ihm dann auch in den Rollstuhl und holte noch das sauerstoffgerät. Anscheinend hatte Paddy durch all die Aufregung gestern heute allgemein einen sehr schlechten Tag. Ich ging wieder nach oben und setzte mich mit meinen Stricknadeln und den fast fertigen Socken für Patricia neben Jimmy, der tief und fest schlief.

Manchmal kommt alles andersWo Geschichten leben. Entdecke jetzt