Kapitel 76

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Angelo
Die Nacht im Hotel war viel zu kurz gewesen. Wir waren ja erst spät dort angekommen und mussten schon um 7 wieder aufstehen. Paddy bekam ich fast nicht wach, bis er irgendwann dann doch blinzelte. Patricia kam auch gleich zu uns ins Zimmer. „Paddy, ich mach die Nahrung weg", sagte sie zu ihm und hob sein Oberteil hoch. Zum ersten Mal sah ich Paddys Bauch mit der Sonde. Er sah so verletzlich aus, wie er so dalag und die Maske im Gesicht und den Schlauch im Bauch hatte. Das war gar nicht mehr nein großer stärker Bruder. Patricia löste den Beutel von dem Schlauch und spritzte dann Wasser durch den Schlauch. Danach rüttelte sie noch kurz an der Sonde. Dabei kam ein leises Geräusch von Paddy. „Tut das weh?", fragte ich ihn sofort, doch er schüttelte den Kopf. Dann deutete er auf die Maske. „Soll ich ausschalten?", fragte John, der sich eben angezogen hatte. Paddy nickte. Nachdem er von der Beatmung weg war und etwas getrunken hatte, antwortete er mir. „Es tut nicht weh, ist aber unangenehm, wenn die Sonde bewegt wird." Dann rutschte er in den Rollstuhl, der neben dem Bett gestanden hatte. Gemeinsam gingen wir ins Bad. Ich half Paddy, der duschen wollte und danach zogen wir uns an. Alle zusammen gingen wir in den Speisesaal und schoben dort mehrere Tische zusammen. „Angelito, kannst du mir ein bisschen Müsli mitbringen? Ich mag lieber am Tisch bleiben", bat mich Paddy. „Mach ich", antwortete ich. Ich füllte meinen Teller und danach noch eine Schale mit Müsli für Paddy. Beides trug ich zu unserem Tisch. „Was magst du trinken?" „Tee", antwortete Paddy. Also lief ich nochmal los und holte zwei Tassen Tee. Die anderen hatte inzwischen auch ihr Frühstück geholt. Alle futterten ordentlich, nur Paddy mal wieder nicht. Während ich bereits meinen Teller erneut füllte, knabberte Paddy immer noch an seinem Müsli herum. Aber er hatte schließlich die ganze Nacht über gegessen. Kathy hatte mir erklärt, dass Paddy nachts so viel Nahrung bekam, wie John oder Jimmy oder Joey an einem Tag aßen. Und tagsüber bekam er nochmal ein ganzes essen oder mehr über die Sonde und musste dazu noch normal essen. Da hätte vermutlich nicht mal ich mehr Hunger gehabt. Deshalb sagte auch niemand etwas, als Paddy die Schale von sich schob, obwohl noch ein Rest darin war. Immerhin trank er den Tee und ließ sich dann von Barby noch eine zweite Tasse mitbringen.
Nach dem Frühstück verließen wir alle zusammen das Hotel wieder und gingen zum Bus. Paddy schob seinen Rollstuhl selbst an und hatte deshalb sein sauerstoffgerät eingeschaltet. Aber ich konnte sehen, dass er den Sauerstoff ganz niedrig eingestellt hatte. Anscheinend brauchte er den Sauerstoff kaum. Das fand ich ziemlich gut, denn ich hatte das Gefühl, dass es ihm langsam besser ging. Im Bus war es eiskalt geworden und es roch auch nach Schnee. Wir trugen jetzt alle Wärme Jacken und Kathy setzte mir eine Mütze auf. Paddy trug einen dicken Schal, weil er sich immer einbildete, Probleme mit seiner Stimme zu bekommen, wenn er im Winter keinen Schal trug. „Paddy, willst du noch ein bisschen an die Beatmung?", erkundigte sich Kathy. „Nein, im Moment nicht. Ich versuche es mal, wenn ich zwischen den Konzerten kürzer an die Beatmung gehe und morgens Sauerstoff nehme", erzählte er ihr. Kathy schien einverstanden zu sein und ließ uns in Ruhe. „Angelo, kannst du mir mal bitte den Block dort geben, ich möchte dir etwas zeigen", bat mich Paddy dann. Ich brachte ihm den Block und er blätterte darin. „Schau mal Angelito, ich hab in den letzten Tagen ein bisschen was geplant", sagte er dann und zeigte mir einen Zettel mit einigen Skizzen und Notizen. „Was ist das?", wollte ich neugierig wissen. „Das sind die Planungen für neue Fanartikel. Ich hab das in den letzten Tagen geplant und will die anderen damit überraschen. Die Skizzen sind die Aufdrucke für Shirts und Caps. Dann will ich noch Poster machen lassen. Dazu habe ich auch schon ein paar Fotos von uns allen ausgesucht. Morgen gebe ich den Auftrag dafür ab. Die anderen will ich damit überraschen, aber ich musste das jetzt jemand zeigen, bevor ich mich noch verplappere", erzählte mir Paddy. Die Skizzen sahen wirklich gut aus und ich war schon gespannt darauf, wie die Sachen dann aussehen würden. „Wenn ich dir damit was helfen soll, sag mir Bescheid", schlug ich vor. „Mach ich", antwortete Paddy. Dann bat er mich, den Block wieder wegzulegen und zog mich anschließend in seine Arme. Paddy drückte mich fest an sich und strich mir über den Kopf. „Danke Angelito, danke für alles", flüsterte er in meine Haare. Ich blieb ganz still, denn ich wusste absolut nicht, was jetzt plötzlich mit Paddy los war. Normal war er doch nicht so. „Angelo, sei beruhigt, ich habe keinen Vogel, zumindest keinen größeren als bisher", lachte Paddy dann und ließ mich wieder los. Das beruhigte mich dann wieder. Dann wurden wir auch schon von Johnny unterbrochen. „Kommt ihr beiden, wir müssen los zum Konzert", meinte er und verschwand wieder. Ich half Paddy dabei, seine Schuhe anzuziehen und nahm das sauerstoffgerät mit. Er selbst rutschte die Treppe herunter und zu seinem Rollstuhl, der draußen bereitstand. Paddy setzte sich hinein. „Willst du den Sauerstoff gleich?", fragte ich meinen großen Bruder. „Nein, häng das Gerät nur hinten an den Rollstuhl und gib mir den Schlauch. Dann kann ich es nachher anschalten", meinte Paddy. Ich hielt ihm den Schlauch hin und er schob ihn in die Nase. Dann schob ich Paddy, der heute mithalf, zur Bühne, wo alle außer Jimmy bereits standen. Maite und John waren bereits draußen auf der Bühne und spielten einen Song, den Maite ganz neu geschrieben hatte. Da kam auch endlich Jimmy und wir konnten alle zusammen auf die Bühne.

Manchmal kommt alles andersWo Geschichten leben. Entdecke jetzt