Kapitel 56

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Paddy
Ich hätte Lisa so gerne getroffen und mich mit ihr unterhalten. Aber mich hatte der Tag bisher extrem angestrengt und jedes einatmen kostete mich unendlich viel Kraft. Mit Tränen in den Augen sagte ich zu Jimmy, dass ich in den Bus musste. John trug mich dann auch gleich nach drinnen und legte mich ins Bett. „Johnny, ich hab kaum noch Kraft zum Atmen", jammerte ich. „Soll ich dir dann die Beatmung eine Weile anschalten? Dann kannst du Pause machen", schlug John vor und ich nickte. John gab mir die Maske, die ich sofort gegen den Sauerstoff tauschte und wenige Sekunden später atmete das Gerät für mich. Das war gerade so eine Erleichterung. Vielleicht sollte ich das wirklich öfter so machen. Am besten wäre es, wenn ich mit Kathy darüber reden würde und dann mit ihr und vielleicht Dr Verreet darüber entscheiden würde. Im Moment hatte die Beatmung aber noch einen weiteren Vorteil für mich. Ich konnte nicht reden und so musste ich John auch nicht erzählen, was mit mir los war. Und ich musste liegen bleiben und konnte nicht sehen, wie Lisa unten vor dem Bus stand. So musste ich den Anblick von ihr nicht ertragen, während ich nicht zu ihr konnte. Vor lauter Wut über meinen Körper liefen mir die Tränen über das Gesicht. Ich zog mir die Decke halb über den Kopf, damit niemand sehen konnte, dass ich stumm weinte. Ich hatte keine Lust darauf, von meinen Geschwistern ausgefragt zu werden. Wie ich mich im Moment fühlte, brauchte niemand wissen.
Nach einer halben Stunde beruhigte ich mich langsam wieder, denn bald musste ich wieder zum nächsten Konzert. John kam zu mir. „Paddy, bist du bereit für das Konzert?", wollte er wissen und ich nickte heftig. Sofort war die Beatmung weg und ich nahm die Maske ab. John hielt mir den Schlauch für den Sauerstoff hin und ich schob ihn mir in die nase. Dann trank ich noch etwas und rutschte an die Bettkante. „Kann losgehen", sagte ich zu John, der mich hochhob und nach draußen zum Rollstuhl brachte. Dort wartete Jimmy auf uns. „Paddy, ich hab die Nummer. Und nach dem Konzert kommen die beiden nochmal zum Bus. Dann kannst du deine kleine auf jeden Fall noch kurz sehen", flüsterte er mir zu und ich musste sofort grinsen. Jimmy hatte es tatsächlich geschafft und ich würde Lisa noch heute sehen. Und ich konnte sie sogar anrufen, wenn ich wollte. Ich hatte wirklich den besten großen Bruder, den man sich nur wünschen konnte. Jimmy schob mich auf die Bühne und sofort sah ich Lisa. Sie strahlte mich an und winkte verhalten. Ich lächelte sie an und gab dann nochmal alles für dieses letzte Konzert heute.
Nach dem Konzert schob mich Jimmy zum Bus und wenig später standen da wirklich Lisa und ihre Freundin. „Hallo ihr beiden, jetzt klappt es ja doch noch, dass wir uns nochmal sehen. Vorher habe ich eine Pause gebraucht. Wie man nicht übersehen kann, bin ich körperlich gerade nicht so fit", begrüßte ich die beiden. „Das ist doch egal, Hauptsache es hat überhaupt geklappt. Schließlich scheinst du ja eine von uns beiden besonders zu mögen, wie uns dein Bruder verraten hat", meinte Lisa und ich wurde sofort knallrot. „Naja, das kann schon sein. Ach ich weiß auch nicht", drückste ich nervös herum. Da ergriff Jimmy das Wort: „entweder du sagst jetzt, welche der beiden Dir gefällt oder ich sag es." Na toll, jetzt blamierte er mich auch noch so richtig. „Dann mache ich es jetzt wohl kurz und schmerzlos. Es ist Lisa", jetzt war es raus. Lisa sah mich erst kurz ungläubig an. Ihre beste Freundin fiel Jimmy um den Hals. Scheinbar war da auch was im Busch. Plötzlich lief Lisa doch zu mir und bückte sich zu mir nach unten. Dann drückte sie mich. „Danke Paddy, danke", flüsterte sie. Ich wusste zwar nicht, wofür sie sich bedankte, aber ich nahm jetzt meinen ganzen Mut zusammen und gab Lisa einen schüchternen Kuss auf die Wange. Lisa keuchte überrascht auf und sah mich mit großen Augen an. „Das ist jetzt nicht dein Ernst, oder?", fragte sie dann. „Doch, mein voller ernst. Ich hab mich total in dich verliebt", flüsterte ich ihr ins Ohr. „Und ich bin so froh, dich nochmal getroffen zu haben. Und ich werde dich auf jeden Fall bald anrufen und ich will dich auch bald wieder sehen", redete ich weiter. „Ich auch", war alles, was Lisa herausbrachte. Ich warf einen flüchtigen Blick zu Jimmy und sah, dass auch er erfolgreich gewesen war. Clara lag in seinen Armen. Lisa saß inzwischen auf meinem Schoß und lehnte an meiner Brust. Ich strich über ihre Haare, die so weich waren. Der Moment hätte ewig anhalten können, aber leider wurden wir unterbrochen. „Paddy, Jimmy, wir müssen gleich lis", unterbrach uns Angelo. Manchmal nervte der kleine doch ziemlich. „Lisa, versprich mir, dass wir uns bald wieder sehen. Und ich rufe dich gleich morgen an", flüsterte ich ihr zu. Lisa nickte und ich sah Tränen in ihren Augen glänzen. „Nicht weinen, wir werden uns wieder treffen, versprochen", sagte ich deshalb zu ihr und nahm nochmal meinen ganzen Mut zusammen. Ich küsste Lisa auf den Mund und sie erwiderte den Kuss. Dann mussten wir uns leider verabschieden und Lisa lief mit Clara davon. Jimmy kam zu mir. „Na das ging ja noch schneller als gedacht. Du bist ja richtig zur Sache gegangen. Hätte ich dir gar nicht zugetraut, little Brother", sagte er zu mir und grinste. „Ich hätte mir das auch nicht zugetraut. Aber es war so wunderschön. Du musst unbedingt dafür sorgen, dass ich Lisa bald wieder sehen kann. Ich weiß nicht, wie ich das sonst aushalten soll", erzählte ich ihm. „Mach dir da mal keine sorgen, du siehst deine Maus bald wieder, da kümmere ich mich schon drum", versprach er mir und dann mussten wir wirklich in den Bus, denn es war bereits dunkel und die letzte Szene für den fernsehbeitrag musste noch gedreht werden. Deshalb trug mich Jimmy in den Bus und Maite räumte den Rollstuhl weg. Dann musste Joey fürs Fernsehen noch in den Bus steigen und losfahren. Wir anderen aßen noch etwas und dann brachte mich Jimmy ins Bett. „Schlaf gut und hör endlich auf, so dämlich zu grinsen, sonst sieht jeder, dass du komplett verknallt bist", sagte er noch zu mir, als ich bereits an der Beatmung angeschlossen war. Ich schüttelte nur den Kopf und schloss dann die Augen. Mit den Gedanken an Lisa war ich innerhalb kürzester Zeit erschöpft eingeschlafen.

Manchmal kommt alles andersWo Geschichten leben. Entdecke jetzt