Kapitel 58

219 8 0
                                    

Paddy
Nachdem die Beatmung plötzlich nicht mehr funktioniert hatte und Angelo mir nicht geholfen hatte, war ich ziemlich schockiert. Es machte mir Angst, so auf den Strom angewiesen zu sein. Und es machte mich so unendlich traurig, dass Angelo mir nicht geholfen hatte. Ich dachte wirklich, ich würde ersticken und mein kleiner Bruder und bester Freund tat einfach nichts. Das hätte ich nie von ihm erwartet. Und das bestimmt nur, weil ich ihm nicht von Lisa erzählt hatte. Aber Angelo war einfach noch ein Kind, da wollte ich nicht über liebesangelegenheuten mit ihm reden. Dazu war er einfach noch zu jung. Und nur deshalb hatte ich jetzt meinen besten Freund verloren, aber nach dieser Aktion konnte ich ihm einfach nicht mehr vertrauen.
Die Nacht war ziemlich hart für mich gewesen. Ich hatte kaum geschlafen und wenn ich eingeschlafen war, war das für mich irgendwie anstrengend gewesen. Vermutlich hatte sich mein Körper schon so an die Beatmung gewöhnt, dass ich ohne gar nicht mehr wirklich schlafen konnte. Hoffentlich war das kein schlechtes Zeichen. Jetzt war ich völlig übermüdet und brauchte auch ziemlich viel Sauerstoff. Und ich musste unbedingt mit Kathy reden. Ich musste ihr davon erzählen, was Angelo getan hatte und mit ihr darüber reden, ob ich die Beatmung tagsüber öfter nutzen sollte.
Beim Frühstück saß mir Angelo gegenüber, doch ich sah ihn nicht an. Ich konnte meinem kleinen Bruder einfach nicht in die Augen schauen. Zum Glück war er schnell fertig und ging dann wieder nach oben. „Kathy, hast du Zeit, ich muss mit dir reden. Allein", fragte ich meine große Schwester. „Na klar, wir können nach dem Essen gleich einen Spaziergang machen, da sind wir ungestört", schlug sie vor. So machten wir es dann auch. Nachdem der Tisch abgeräumt war, trug mich John nach draußen. Ich wechselte noch das sauerstoffgerät und dann schob mich Kathy ein Stück einen Weg entlang. Wir kamen in einem Park, wo sie auf eine Bank zusteuerte. Dort schob sie mich neben die Bank und setzte sich dann neben mich. „So jetzt erzähl. Ich möchte wissen, was zwischen dir und Angelo passiert ist", begann sie. „Ich bin verliebt. Sie heißt Lisa. Und ich hab Jimmy davon erzählt und der hat mir dann geholfen, Lisa gestern Abend zu treffen. Wir haben uns geküsst und Angelo hat das gesehen. Ich hatte ihm nichts davon erzählt gehabt. Wir haben uns zwar geschworen, dass wir uns immer alles erzählen, aber ich wollte das Angelo nicht sagen. Er ist doch noch ein kind, da geht ihn mein Liebesleben doch noch gar nichts an und er versteht das alles ja auch noch nicht wirklich. Und jetzt hasst mich Angelo, weil ich ihm nichts erzählt hatte. Und er hat mir heute Nacht nicht geholfen. Ich glaube, ich kann ihm nie wieder vertrauen. Wegen einem Mädchen habe ich meinen kleinen Bruder verloren", schluchzte ich. „Du hast Angelo nicht verloren. Ihn beschäftigt das auch sehr. Er hat heute Nacht sogar wieder ins Bett gemacht. Das macht er nur noch, wenn er große Sorgen hat. Paddy, du bist ihm noch immer wichtig. Ihr müsst miteinander reden", meinte Kathy und legte ihren Arm um meine Schultern. „Das kann ich nicht. Zumindest noch nicht", sagte ich zu ihr. „Das ist in Ordnung, lass dir Zeit, irgendwann ist der Zeitpunkt gekommen und du kannst ihm wieder vertrauen. Das weiß ich." „Kathy, da ist nochmal was. Ich hab gemerkt, dass es mir viel besser geht, wenn ich auch tagsüber ab und zu an der Beatmung bin. Irgendwie habe ich dann viel mehr Kraft und kann auch viel besser atmen. Kannst du mit Dr Verreet reden, ob ich tagsüber zwischen den Konzerten auch immer wieder an die Beatmung soll", bat ich Kathy noch. „Das kann ich gerne machen. Jetzt gehen wir mal wieder zurück zum Bus, du solltest unbedingt noch ein bisschen schlafen. Und ich rufe solange bei Dr Verreet an", meinte Kathy. Ich nickte und wischte mir die Tränen aus den Augen. Dann schob mich Kathy zurück zum Bus. Ich war so froh, dass sie Zeit für mich gehabt hatte. Am Bus saßen Barby und Maite draußen. „Joey ist drinnen. Der Generator läuft. Aber hier haben wir auch Strom, da kannst du beruhigt an die Beatmung. Joey kümmert sich nachher auch noch um einen zweiten Generator", erklärte uns Barby. Maite holte Joey, damit er mich nach drinnen tragen konnte. Joey brachte mich auch gleich nach oben. „Joey, ich möchte schlafen", sagte ich zu ihm. „Mach das, heute Nacht hast du ja nicht wirklich geschlafen." „Aber ich möchte nicht allein oben sein, falls wieder was mit dem Strom ist", merkte ich an. „Kein Problem, ich hole Barby und Maite, die können auch hier drin sitzen", meinte Joey und kam gleich darauf mit meinen Schwestern zurück. Dann gab er mir die Maske und schloss mich an die Beatmung an. Das tat wieder richtig gut und ich konnte mich endlich ein bisschen erholen. Innerhalb weniger Minuten war ich tief und fest eingeschlafen.

Manchmal kommt alles andersWo Geschichten leben. Entdecke jetzt