Kapitel 81

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Paddy
Spülen gehörte definitiv nicht zu meinen liebsten Aufgaben. Aber ich hatte Glück und musste es auch nicht tun, weil ich nicht an die Spüle herabkam. Deshalb konnte ich am Tisch sitzen bleiben und Angelo stellte mir alles hin, damit ich es abtrocknen konnte. Ich saß völlig in Gedanken versunken da. Ich konnte es einfach nicht glauben, dass ich vorher gestanden war. Ich war wirklich nach mehr als zwei Jahren auf meinen eigenen Füßen gestanden. Zwar hatte ich das wenigste selbst gemacht, aber das war Nebensache. Die Tatsache, dass ich gestanden war, reichte. Angelo riss mich irgendwann aus meinen Gedanken. „Paddy, kommst du mit nach oben?" Ich nickte und warf ihn erst noch mit dem Handtuch ab. Er fing es auf und legte es auf das Spülbecken. Ich ließ mich in der Zwischenzeit auf den Boden plumpsen und robbte schon mal zur Treppe. Dort brauchte ich sowieso ewig, bis ich oben war. Nach unten ging es deutlich schneller als nach oben. Angelo wartete aber erstmal geduldig. Doch dann half er mir. Ich rutschte mit dem Po immer eine Stufe nach oben und Angelo stellte meine Beine immer eine Stufe nach oben. So musste ich das nicht machen und war schneller. Oben krabbelte ich dann zu unserem Bett und stemmte mich darauf. Dann ließ ich mich nach hinten fallen und lehnte mich an die kalte Wand des Busses. „Paddy, geh von der Wand weg, sonst wirst du noch krank", ermahnte mich da Kathy. Ich stöhnte genervt, setzte mich dann aber anders hin. „Du brauchst nicht genervt sein. Aber du bist nunmal derjenige von uns, der körperlich nicht so fit ist, da musst du es nicht noch provozieren, krank zu werden", fügte sie hinzu. „Ist ja schon gut", gab ich zurück. Manchmal nervte Kathy ganz schön. Barby suchte inzwischen unsere Klamotten für die Konzerte heraus und verteilte sie. Wir zogen uns alle um. „Paddy, du nimmst bitte den Sauerstoff für das Konzert, gestern hat das wirklich gereicht", meinte Kathy, nachdem ich mich angezogen hatte. Heute trug ich zwei lange Unterhosen unter meiner Hose und mehrere Pullover und eine Weste. Die anderen waren ebenfalls so warm angezogen. Dann machten wir uns alle auf den Weg zum Konzert. Nur Patricia blieb mit Sean und Vincent im Bus, da sie sich heute noch ausruhen sollte. Draußen wickelte mich Barby noch in eine Decke ein und gab mir den Sauerstoff. Ich schob mir sofort den Schlauch in die Nase und schaltete das Gerät ein, drehte aber den Sauerstoff fast ganz aus. Dann mussten wir alle los zur Bühne. Nur Jimmy war mal wieder verschwunden, keiner wusste, wo er steckte, außer vielleicht Joey, aber der verriet nichts. Ich wollte Maite helfen, die mich schob, aber die Griffe an den Rädern von meinem Rollstuhl waren eiskalt. „Maite, du musst mich schieben, die Griffe sind so kalt, da kann ich sonst nachher nicht Gitarre spielen", meinte ich zu meiner kleinen Schwester, die nickte. Ich trug zwar fingerlose Handschuhe, schob aber trotzdem meine Hände unter die Decke auf meinem Schoß, damit meine Finger einigermaßen warm blieben. Gitarre spielen mit kalten Fingern klappt einfach nicht.
Bei der Bühne angekommen, ging John sofort zum Publikum und spielte ein Lied, bevor wir anderen ihm folgten. Jimmy kam auf die Sekunde pünktlich. Er wirkte ziemlich erledigt und irgendwas schien ihn zu beschäftigen. Auf der Bühne bemerkte ich, wie Barby plötzlich strahlte. Anscheinend hatte sie ihren Kerl zwischen den Zuschauern entdeckt und suchte Blickkontakt zu ihm. Jimmy nahm ebenfalls Blickkontakt zu ihm auf und starrte den Kerl feindselig an. Ich beobachtete das ganze noch kurz, beschloss dann aber, dass mich das nichts anging und konzentrierte mich lieber wieder auf das Konzert.
Nach dem Konzert brachte mich Jimmy zum Bus. „Jimmy, sag schon, was ist denn los? Du kommst ständig zu spät, also noch öfter als sonst, und du hast den Kerl, der sich für Barby interessiert, so komisch angesehen", stellte ich ihn zur Rede. „Ich komm doch immer zu spät, also nicht öfter als sonst, weil das gar nicht geht. Und ich will eben auf meine kleine Schwester aufpassen, nicht dass sie an den falschen gerät und ihr was passiert", wich mir Jimmy aus. Ich bohrte nochmal nach, bekam aber keine Antwort mehr. Am Bus trug mich Jimmy nach drinnen. „Willst du an die Beatmung? Dann bist du endlich still, du nervst heute schon ziemlich", grinste mich Jimmy an. „Ja, aber weil ich sie brauche", antwortete ich. Jimmy schloss mich daran an und kurz darauf kam Kathy zu uns und ich bekam mein Mittagessen über die Sonde. Heute waren es jetzt die sieben Spritzen, die Dr Verreet haben wollte. Das war ziemlich viel auf einmal und mir wurde sofort ziemlich übel. „Paddy, Probier ob du es aushältst. Wenn du dich übergebe musst, ich bleibe hier", meinte Kathy, die sofort gemerkt hatte, was das Problem war. Ich nickte und wartete ab. Nach ein paar Minuten wurde es besser und ich konnte mich wieder hinlegen. Kathy ging nach unten und ich schloss die Augen. Keine Minute später war ich eingeschlafen.

Manchmal kommt alles andersWo Geschichten leben. Entdecke jetzt