Kapitel 75

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Paddy
Heute fühlte ich mich körperlich richtig gut, mein emotionaler Zustand war das genau Gegenteil. Deshalb wollte ich auch nicht allein bleiben und das gesamte Konzert durchziehen. Ich hoffte, dass ich alle drei Konzerte heute dann auch durchhielt. Beim ersten Konzert hielt ich mich deshalb noch ziemlich zurück. Ich blieb hauptsächlich an meinem Mikro und ließ mich nur für chicken pies von Angelo nach vorne schieben. Nach dem Konzert hielt ich es für die beste Idee, mich hinzulegen und an die Beatmung zu gehen. Johnny legte mich hin und schloss die Beatmung an. Dann kam Kathy herauf. „Paddy, ich geb dir jetzt die Nahrung und ein bisschen Wasser über die Sonde, dann hast du bis heute Nacht Ruhe vor mir", meinte sie und wedelte mit der Spritze. Ich verdrehte die Augen und zog mein Oberteil hoch. Kathy gab mir heute fünf Spritzen Nahrung, anscheinend wollte Dr Verreet, dass ich jeden Tag eine Spritze mehr bekam. Ich sah Kathy fragend an. „Dr Verreet möchte, dass wir bald bei sieben spritzen ankommen, wenn du mittags nichts isst. Wenn du was isst soll ich dir noch drei spritzen geben", erklärte sie. Inzwischen hatte Kathy die Spritze fünf mal gefüllt und spritzte gerade langsam die letzte Portion durch die Sonde. Danach bekam ich noch vier spritzen Wasser. „Jetzt hast du es geschafft, ich lass dich noch eine Weile in Ruhe", meinte Kathy und ging dann nach unten. Ich lag allein oben liegen und wartete, dass die Zeit verging. Wie so oft langweilte ich mich sehr, wenn ich an der Beatmung war. Ich konnte damit nirgends hin und reden oder singen ging auch nicht. Ich hoffte sehr, dass ich das Teil nicht ewig brauchen würde und sich meine Lunge so weit verbesserte, dass ich die Beatmung bald nicht mehr brauchte. Im Moment nervte mich das Teil noch mehr als die Sonde. Irgendwann kam Patricia nach oben. „Paddy, hat Kathy die Sonde vorher schon bewegt?" Ich schüttelte den Kopf. Tricia zerrte meinen Pullover nach oben und bewegte kurz den Schlauch. Das war jedes Mal ziemlich unangenehm, aber musste wohl sein, damit die Sonde beweglich blieb. „Ich mach dir die Beatmung jetzt weg, du musst runter, in 10 Minuten geht es weiter", meinte sie dann. Ich nickte und nahm dann die Maske ab. „Ich denke, du kannst selbst krabbeln, die Wunde sieht sehr gut aus", meinte Patricia. „Gut, kannst du schonmal runter, ich muss noch schnell was erledigen", meinte ich. Patricia verstand sofort und warf mir einen Katheter zu. Sobald sie unten war, kümmerte ich mich um meine Blase. Danach ließ ich mich auf den Boden gleiten und krabbelte zur Treppe. Dort setzte ich mich auf den Po und rutschte nach unten. Dazu stellte ich meine Beine immer eine Stufe nach unten und rutschte dann hinunter. So kam ich ganz gut vorwärts. Unten ging es dann auf dem Bauch weiter bis zur Tür, wo bereits der Rollstuhl stand. Hinten hing noch immer das sauerstoffgerät. Ich zog mich in den Rollstuhl und fuhr dann in Richtung Bühne. Unterwegs begegnete ich Barby, die mich anstrahlte. Sie schob mich zur Bühne, damit wir schneller waren und nicht zu spät kamen. Die anderen warteten bereits, bis auf Jimmy, der kurz nach uns angerannt kam. Dabei hielt er sich den Oberkörper. „Alles in Ordnung?", fragte ich ihn. „Ja, ich hätte nur nicht rennen sollen, das mögen meine Rippen noch gar nicht", antwortete er. Gemeinsam betraten wir die Bühne und legten los. Im Publikum konnte ich diesen Max wieder sehen. Jimmy sah ihn ziemlich feindselig an, doch Max schien nur Augen für Barby zu haben, die ihn anstrahlte. Vermutlich hatten sie sich vorher noch kurz getroffen. Ich freute mich zwar sehr für meine Schwester, aber irgendwie war ich auch ein bisschen eifersüchtig. Dieser Typ reiste uns quasi hinterher und ich wusste nicht mal, wann ich meine Freundin wieder sehen würde. Ich vermisste Lisa schrecklich und konnte nicht mal jeden Tag mit ihr telefonieren, weil sonst die Rechnung zu hoch wurde. Zum Glück würden wir heute Nacht mal wieder in einem Hotel übernachten und dort konnte ich morgen früh sicher noch telefonieren, ohne dass es so teuer wurde. Ich musste einfach mit ihr sprechen.
Nach den beiden Konzerten fuhr John den Bus zum Hotel. Angelo und Kathy packten unsere Schmutzwäsche zusammen und Maite machte Abendessen. Wir aßen noch unterwegs und würden erst sehr spät im Hotel ankommen. „Paddy, ich mach dir die Nahrung schon mal hin, dann ist sie morgen durch, bis wir frühstücken gehen", meinte Kathy. „Mach das", antwortete ich. Kathy schloss die Nahrung an. Ich konnte damit immerhin auch bei meinen Geschwistern sitzen bleiben. Angelo beobachtete, wie die Nahrung langsam durch den Schlauch lief.
Kurz vor Mitternacht kamen wir endlich im Hotel an. Inzwischen hatte mich Patricia auch an die Beatmung angeschlossen. Die schaltete sie jetzt aber wieder aus, damit wir ins Hotel konnten. John setzte mich in meinen Rollstuhl und schob mich nach drinnen. Ich hielt den Beutel mit der Nahrung halb versteckt unter meiner Jacke. Joey brachte die Beatmung mit und die anderen unsere Klamotten. Wir hatten wieder eine große Suite gemietet, in der es mehrere Schlafzimmer gab. Kathy schlief mit Vincent und Sean in einem Zimmer, die anderen Mädchen hatten ein Zimmer, Jimmy und Joey ebenfalls und Angelo und ich teilten uns das vierte Zimmer mit John. Dieser half mir direkt ins Bett und schloss die Beatmung an. Angelo lag in seinem Bett, blieb dort aber nicht lange, sondern kam bald zu mir ins Bett. Wir konnten beide kaum allein schlafen, weil wir so gut wie nie ein eigenes Bett gehabt hätten. Die älteren waren immer froh, ein eigenes Bett zu haben, doch vor allem Angelo und ich brauchten einander nachts. Häufig lagen wir einander in den Armen. So legte auch jetzt Angelo seinen Arm im Schlaf um mich und ich legte meinen Kopf an seine Brust. Kurz darauf war auch ich eingeschlafen.

Manchmal kommt alles andersWo Geschichten leben. Entdecke jetzt