Kapitel 27

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Paddy
Die Krankenschwester weckte mich nach einer Weile wieder auf. „So, dann wollen wir mal. Deine Geschwister haben dir Klamotten mitgebracht, die kannst du jetzt anziehen und dann probieren wir mal aus, ob du es bis zur Tür schaffst. Draußen steht ein Rollstuhl, mit dem ich dich dann zu deinen Untersuchungen bringen werde. Den Katheter kann ich dir davor auch noch entfernen", erklärte sie. Scheinbar wusste sie nicht, dass ich gar nicht laufen konnte. „Da gibt es aber ein Problem", erklärte ich. „Ich kann nämlich gar nicht aufstehen und laufen. Ich bin querschnittsgelähmt." Die Krankenschwester schaute verwirrt. „Das hat mir ja gar niemand gesagt. Dann hole ich den Rollstuhl herein. Soll ich dir dann den Katheter noch dran lasssen?" Ich nickte. So verschwand die Schwester schnell und Angelo half mir, mich umzuziehen. Danach schob die Krankenschwester den Rollstuhl neben das Bett und Angelo half mir, mich aufzusetzen. Er stützte mich auch auf dem Weg kn den Rollstuhl. Dabei merkte ich, dass ich nur durch den Mund geatmet hatte, und jetzt total außer Atem war. Anscheinend brauchte ich den Sauerstoff wirklich. Die Schwester hatte das auch gemerkt. „Du atmest jetzt mal ganz ruhig durch die Nase, gleich wird es besser. Den Sauerstoff behältst du auf jeden Fall noch mindestens bis morgen", dann löste sie den Urinbeutel vom Bett und befestigte ihn am Rollstuhl. Danach schob sie mich hinaus und zu den Untersuchungen. Angelo lief neben mir her und schob den infusionsständer. Die Krankenschwester schob mich in den Aufzug und dann ging es einige Stockwerke nach unten. Dort wartete bereits ein Arzt auf uns. „Michael Patrick, du kommst mit mir, dein Bruder kann hier auf uns warten", erklärte er und übernahm den Rollstuhl. Angelo musste sich auf einen Stuhl im Flur setzten. Ich wurde in einen Raum geschoben, in dem mehrere Geräte standen. „Dann wollen wir mal. Als erstes würde ich gerne testen, wie fit du körperlich bist. Dazu musst du hier ein paar mal auf und ab laufen", erklärte der Arzt. „Geht nicht", antwortete ich. „Ich kann nicht laufen, ich habe eine Querschnittslähmung." Der Arzt wirkte kurz erstaunt. „Dann müssen wir das wohl ein bisschen anders machen. Am besten fährst du einfach mal mit dem Rollstuhl hin und her, so oft, wie du es schaffst", meinte er dann. Ich nickte und fuhr langsam los. Der Rollstuhl war ziemlich schwer und ich hatte das Gefühl, gar nicht vorwärts zu kommen. Der Arzt lief neben mir her. Ich schaffte es gerade mal einmal bis ans andere Ende des Raumes und wieder zurück zur Tür. Dann war ich so außer Atem, dass ich kaum noch Luft bekam und Kraft hatte ich auch keine mehr. „Das gefällt mir nicht so richtig, du bist ja völlig außer Atem", meinte der Arzt. Dann wandte er sich an das Gerät, über das ich den Sauerstoff bekam und verstellte daran etwas. Sofort strömte mehr Luft durch den Schlauch und ich konnte besser atmen. „Ich habe eingestellt, dass du kurzzeitig mehr Sauerstoff bekommst, bis du wieder besser Luft bekommst", erklärte er mir. Ich durfte eine Weile Pause machen, bis ich wieder gut Luft bekam. Dann stellte der Arzt ein, dass ich wieder weniger Sauerstoff bekam, aber immer noch mehr als vorher. Erst jetzt merkte ich, wie anstrengend das Atmen auch mit dem Sauerstoff gewesen war und wie viel besser das jetzt mit mehr Sauerstoff klappte. Dann kontrollierte der Arzt meinen Blutdruck und anschließend wollte er noch ein MRT machen. Dazu spritzte er mir zuerst irgendein Mittel, damit nachher auf den Bildern mehr zu erkennen war. Anschließend half er mir auf eine liege, die in das Gerät geschoben wurde. „Jetzt musst du zwanzig Minuten ganz ruhig liegen bleiben, solange werden die Bilder von dir gemacht. Hier neben dir ist ein Knopf. Wenn etwas ist, drück einfach darauf, dann komme ich rein", erklärte er und verschwand dann. Die Maschine machte einen ziemlichen Lärm. Ich schloss die Augen und versuchte, mich auf etwas schönes zu konzentrieren. Sofort sah ich Lisa, das Mädchen von dem Konzert in Stuttgart vor mir. Die letzten Tage hatte ich gar nicht an sie gedacht. Ich sah ihre wunderschönen Augen vor mir und malte mir aus, wie es wohl wäre, wenn ich sie Wiedersehen würde. Ich war so in meinen Gedanken versunken, dass ich nicht mal merkte, wie schnell die zwanzig Minuten vorbei gingen. Da kam schon der Arzt und schob mich aus dem Gerät. Dann wurde die Liege noch zum Röntgen geschoben und danach half mir der Arzt wieder in den Rollstuhl. „Du kannst jetzt wieder in dein Zimmer und dich ein bisschen ausruhen. Ich werte die Ergebnisse aus und komme dann auf dein Zimmer. Es wäre gut, wenn dann deine Eltern da wären", sagte er. „Geht auch meine große Schwester? Meine Mutter ist tot und mein Vater in Köln", erklärte ich. „Natürlich, das geht auch", meinte der Arzt und schob mich auf den Gang, wo Angelo noch saß. „Angelito, wir können zurück in mein Zimmer, du musst aber noch Kathy anrufen, sie soll kommen, damit der Arzt ihr die Ergebnisse von den Untersuchungen zeigen kann", sagte ich zu ihm. Angelo nickte und brachte erstmal mich in mein Zimmer. Dort half er mir noch aufs Bett und ging dann nach draußen, um Kathy anzurufen. Ich legte mich direkt hin und schloss die Augen. Irgendwie war ich schon wieder total erledigt. Da kam Angelo auch schon wieder zurück. „Kathy und John kommen sofort, vielleicht kommt Barby auch mit", berichtete er und legte sich dann zu mir ins Bett. Ich legte meinen Arm um ihn und war kurz darauf mal wieder völlig erschöpft eingeschlafen.

Manchmal kommt alles andersWo Geschichten leben. Entdecke jetzt