Kapitel 30

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Paddy
Ich wachte am nächsten Morgen davon auf, dass sich Jimmy bewegte und meine Hand losließ. Joeys Hand lag noch in meiner anderen Hand. Im Hintergrund war das Brummen des Beatmungsgeräts zu hören und ich merkte, dass mir das Gesicht wehtat und die Maske ziemlich drückte. „Guten morgen, Paddy. Alles in Ordnung?", flüsterte mir Jimmy zu. Ich zuckte mit den Schultern, sprechen konnte ich ja nicht. „Tut dir was weh?", fragte Jimmy weiter und ich nickte. Dann deutete ich auf mein Gesicht. „Verstehe, aber du musst noch ein bisschen durchhalten, es ist erst halb sieben. Vor acht wird die Krankenschwester wohl nicht auftauchen und ich glaube, dass das auch kein wirklicher Notfall ist, wenn die Maske drückt", meinte Jimmy und streichelte mir über den Kopf. Das war mir auch klar, aber ich wollte dieses Ding so schnell wie möglich los werden, vor allem weil ich mit Jimmy und Joey reden wollte und nicht nur mit nicken und Kopf schütteln auf deren Fragen antworten wollte. Außerdem hatte ich schon wieder Hunger und mein Finger tat auch weh, von dem Gerät, das meinen sauerstoffgehalt im Blut kontrollierte. Jimmy schien das zu merken und versuchte mich abzulenken. Er erzählte mir von früher, als Mama noch gelebt hatte. Irgendwann wurde auch Joey wach und flüsterte kurz mit Jimmy. Dieser verschwand dann schnell im Bad und machte sich fertig. Anschließend ging Joey ins Bad. Inzwischen war es kurz nach acht und auf dem Flur waren immer wieder Schritte zu hören. Ich hatte jetzt auch schrecklich Durst und wollte unbedingt so bald wie möglich etwas trinken. Aber auch das war vermutlich kein Notfall und so harrte ich eben aus. Um kurz vor neun kam endlich die Krankenschwester herein und brachte das Frühstück mit. „Paddy, ich mache dir gleich die Beatmung ab. Dann musst du sofort wieder selbst atmen. Das Gerät an deinem Finger bleibt noch dran, damit deine Werte weiterhin gemessen werden. Sobald die Maske weg ist, bekommst du wieder Sauerstoff wie gestern. Und es ist völlig normal, dass du jetzt erstmal sehr viel Durst haben wirst, du kannst so viel trinken wie du willst", erklärte mir die Krankenschwester. Dann sortierte sie den Schlauch für den Sauerstoff und gab ihn mir in die Hand. „Sobald die Maske weg ist, machst du dir den Sauerstoff selbst hin. Und keine Panik, dir kann gar nichts passieren", beruhigte sie mich. Joey und Jimmy saßen neben mir und warteten ab. Dann löste die Krankenschwester die Maske an meinem Hinterkopf und ich musste selbst Luft holen. Ich fummelte hektisch an meiner Nase herum und Joey half mir sofort. Nach wenigen Sekunden merkte ich, dass der Schlauch richtig saß und ich Hilfe beim Atmen hatte. Aber es strengte mich erstmal ziemlich an, sodass ich noch immer nicht reden konnte. „Das darf alles so sein, du musst jetzt nämlich wieder was selbst tun und das strengt dich ein bisschen an. Bleib einfach ein paar Minuten ruhig liegen, dann klappt das wieder. Ich komme später nochmal vorbei und schaue mir deine Werte an", meinte die Krankenschwester und ging. Das Beatmungsgerät ließ sie aber noch im Zimmer stehen. Vermutlich dachte sie, ich würde es nochmal brauchen.
Nach ein paar Minuten bekam ich genug Luft und bat Jimmy, mein Bett aufzurichten. Joey gab mir gleich ein Glas Wasser, welches ich sofort leerte. „Kann ich nochmal was haben", bat ich ihn dann. Joey stellte mir gleich die ganze Flasche Wasser hin und ich trank vier Gläser. Dann fühlte sich mein Hals endlich nicht mehr so trocken an. „Paddy, du hast ganz rote stellen an den backen und an der Nase, da hat bestimmt die Maske heute Nacht gedrückt", stellte Jimmy fest. „Ja, das tat auch ziemlich weh. Und es war so unangenehm, weil ich mich gar nicht bemerkbar machen konnte und gar nicht selbst entscheiden konnte, wann ich einatmen will. Ich musste machen was das Gerät gemacht hat. Ich will das nicht nochmal haben müssen", jetzt weinte ich schon wieder. „Paddy, es kann gut sein, dass du das Gerät nochmal eine Nacht benutzen musst. Aber das ist ja nur, damit es dir besser geht. Und du willst doch auch nicht, dass es dir nicht besser geht. Du musst das jetzt einfach durchziehen und dann bist du bald wieder fit und kannst wieder mit auf Tour gehen", versuchte mich Joey zu beruhigen. Aber ich wollte mich nicht beruhigen und weinte hemmungslos weiter. Irgendwann hatte ich dann aber so hunger, dass ich mich beruhigte und das Frühstück aß. Jimmy verließ kurz das Zimmer, um für sich und Joey auch etwas zu essen zu besorgen. Als ich fertig war, wandte er sich an mich: „Paddy, wir müssen nachher gehen. Papa und Kathy haben beschlossen, dass wir wieder auf Tour gehen, auch solange du hier bist. Du wirst ja noch ein paar Tage bleiben müssen und wir können nicht so lange hier bleiben. Aber sobald du fit genug bist, holen wir dich sofort ab." „nein, ich will nicht allein hierbleiben müssen. Ich habe Angst", schluchzte ich und Joey nahm mich fest in den Arm. Er erklärte mir in Ruhe, dass sie gar nicht so weit weg fahren würden und jederzeit zu mir kommen könnten. Das beruhigte mich dann auch ein bisschen. „Wir werden in zwanzig Minuten von John abgeholt, aber du bekommst auf jeden Fall ein Telefon ins Zimmer und kannst uns jederzeit anrufen", meinte Jimmy. Dann packten die beiden ihre Sachen zusammen und wenig später mussten sie auch schon gehen. Ich weinte schrecklich, als sie weg waren. Jetzt war ich ganz allein und wusste nichtmal, wann meine Geschwister mich abholen würden. Ich weinte so stark, dass ich kaum noch Luft bekam, weil meine Nase so sehr lief. Da piepste schon wieder das Gerät an meinem Finger und ein Arzt kam herein. Er wollte wissen, was los war und ich erzählte es ihm. „Aber du darfst dich jetzt nicht so sehr darüber aufregen. Du brauchst Ruhe, damit du schnell wieder fit wirst und zu deinen Geschwister kannst", meinte er. Doch das machte es nur noch schlimmer und ich weinte immer stärker und wurde total panisch, weil ich plötzlich Angst hatte, dass ich gar nicht mehr abgeholt werden würde. Ich schnaufte immer heftiger und hatte das Gefühl, bald zu ersticken. Dann beugte sich der Arzt über mich und alles wurde dunkel.

Manchmal kommt alles andersWo Geschichten leben. Entdecke jetzt