Lisa
Meine Eltern wollten unbedingt heute zu einem Konzert. Und dann nicht mal zu einem richtigen Konzert, sondern zu einer Gruppe, die auf der Straße spielte. Das konnte ja heiter werden. Jona und Simon waren total begeistert, ich dagegen konnte es kaum erwarten, dass es Abend wurde.
Wir machten uns eine Stunde vor Beginn des Konzerts auf den Weg zu dem Platz. Dort standen bereits viele Menschen und warteten. Meine Eltern stellten sich mit uns an den Rand, wo wir ziemlich nah an die Bühne heran konnten. Bald kamen immer wieder einzelne Jungs auf die Bühne und schlossen irgendwelche Mikros an und bauten Instrumente auf. Ab und zu tauchte auch ein kleineres Kind in Jonas alter auf. Alle hatten sie lange Haare und ich war mir nicht sicher, ob das kleine Kind ein Mädchen oder ein Junge war. Dann ging das Konzert endlich los und es kamen neun junge Leute auf die Bühne. Ein Junge fiel mir sofort auf, nicht nur, weil er in einem Rollstuhl saß, sondern vor allem, weil er einfach wunderschön aussah. So sanft und irgendwie kindlich, aber seine Augen wirkten viel älter. Ich war völlig fasziniert von diesem Jungen. Er strahlte das ganze Konzert über, wurde von dem kleineren Kind, das sich als junge herausstellte, über die Bühne geschoben und machte Witze. Er schien voller Energie zu sein und hatte so eine wunderschöne Stimme. Anhand der Texte nahm ich an, dass er wohl Paddy heißen musste.
Nach dem Konzert liefen wir eine Weile herum und kamen an einem alten Bus vorbei. Davor saßen vier der Musiker, darunter auch Paddy. Meine Eltern und Brüder wollten unbedingt hin und Autogramme und Fotos. Ich stand nur daneben. Ich konnte meinen Eltern unmöglich zeigen, dass ich Interesse an diesem Paddy hatte, schließlich hatte ich gar nicht mit zu dem Konzert gewollt. Also starrte ich konzentriert auf den Boden, bis ich ein Foto von der Truppe mit meiner Familie machen musste. Dazu musste ich aufschauen und mein Blick wanderte sofort zu Paddy. Auch er schaute mir direkt in die Augen und ich wandte meinen Blick schnell ab. Dann war der Moment zum Glück auch schon vorbei und ich blickte wieder zu Boden. Zum Glück liefen wir dann auch schon weiter. Simon und Jona wollten unbedingt noch bleiben, da nachher noch ein zweites Konzert stattfinden sollte. Also blieben wir noch und stellten uns wieder an den Rand, an den selben Platz wie vorher. Das zweite Konzert war nicht mehr ganz so energiegeladen wie das erste. Das lag vor allem an Paddy, der jetzt irgendwie nachdenklich und unkonzentriert wirkte. Sein Blick suchte ständig das Publikum ab und blieb aus irgendeinem Grund mehrmals an uns hängen. Dann strahlten seine Augen jedes Mal. Ich hoffte, dass er nicht wegen mir so war, schließlich würde er mich sowieso nie wieder sehen können.
Nach diesem zweiten Konzert war Jona ziemlich müde und wir machten uns schnell auf den Weg nach Hause. Ich bekam noch mit, wie nach und nach die ganze Band von der Bühne und ins Publikum kam. Auch dieser Paddy kämpfte sich langsam durch die Menge. Aber er kam mit seinem Rollstuhl kaum vorwärts. Meine Familie bemerkte das nicht mehr und ich musste mich beeilen, um sie nicht aus den Augen zu verlieren. Zu Hause ging ich gleich in mein Zimmer und legte mich ins Bett. Meine Gedanken wanderten ständig zu diesem Paddy. Wenn ich die Augen schloss, sah ich sofort seine Augen vor mir, die so unendlich tief wirkten. Warum er wohl im Rollstuhl saß? Entweder hatte er noch nie laufen können oder er hatte einen Unfall oder so gehabt. Ich hoffte für ihn, dass er nicht eine wichtige Person bei einem solchen Unfall verloren hatte. Aber leider konnte ich mir genau das ziemlich gut vorstellen, so traurig wie seine Augen gewesen waren. Diese Traurigkeit war während den Konzerten immer wieder zu sehen gewesen, teilweise aber auch vollständig verschwunden und einem liebevollen Ausdruck gewichen. Auch fragte ich mich, warum diese Familie ohne Eltern auf der Bühne stand. Schließlich war die Hälfte von ihnen noch fast Kinder und eigentlich viel zu jung, um allein unterwegs zu sein. Meine Gedanken kreisten noch ewig um diese seltsame Familie, die so nicht von dieser Welt gewirkt hatte. Alles an ihnen war irgendwie besonders gewesen. Die Kleidung, die langen Haare, die Musik und die einzelnen Personen. Sie alle hatten so erfüllt gewirkt und schienen auf der Bühne wirklich glücklich gewesen zu sein. Vielleicht würde ich ja morgen mehr in Erfahrung bringen können. Wir wohnten zwar in Stuttgart, aber selbst in so einer großen Stadt war es etwas besonderes, wenn so eine Truppe in der Stadt auftauchte. Ich beschloss, dass ich auf jeden Fall herausfinden musste, wer diese Leute waren und ob sie nochmal hier auftreten würden. Irgendwie musste ich meine Familie unauffällig dazu bringen, weitere Konzerte von dieser Familie zu besuchen. Denn für mich stand fest, dass ich diesen Paddy unbedingt wieder sehen musste. Ich spürte, dass er etwas ganz besonderes war und ich auf jeden Fall mit ihm reden musste. Egal wie.
Mit den Gedanken an Paddy schlief ich dann schließlich ein und träumte die ganze Nacht von diesem ganz speziellen Jungen und seiner bunten Familie.
Am nächsten morgen fand ich dann heraus, dass die Familie sich Kelly Family nannte und wohl öfter solche Konzerte gab. Auch waren sie wohl schon öfter im Fernsehen zu sehen gewesen und relativ bekannt. Das gab mir die Hoffnung, Paddy wieder zu treffen. Irgendwann.
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Manchmal kommt alles anders
FanfictionDie Kelly Family tourt gerade durch Deutschland, als sich das Leben aller Mitglieder plötzlich verändert. Paddy rettet seiner Schwester das Leben, doch dies hat dramatische Folgen für ihn. Doch auch für die anderen Familienmitglieder verändert sich...