Kapitel 63

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Mitte November 1993
Paddy
Inzwischen hatten sich meine Beine deutlich verbessert. Ich konnte beide Beine leicht anheben und mein linkes Knie anwinkeln. Am linken Bein konnte ich auch den Knöchel ein bisschen bewegen. Im Bus konnte ich mich inzwischen auch besser bewegen. Ich konnte ohne lehne sitzen und deshalb schaffte ich es auch, über den Boden zu krabbeln. Sogar aufs Bett kam ich allein. Nur in meinen Sitz nicht, weil ich mich nicht weit genug hochdrücken konnte. Die Beatmung benutzte ich jetzt immer nachts und zwischen den Konzerten für jeweils etwa eine Stunde. Den Sauerstoff brauchte ich nur noch an schlechten Tagen.
Im drei Tagen war Patricias Geburtstag und im Dezember, kurz nach meinem Geburtstag würde ich endlich Lisa wieder sehen. Denn dann würden wir in München spielen und da konnte sie kommen. Darauf freute ich mich jetzt schon. Nur mein Gewicht machte mir noch ziemlich Probleme. Ich nahm einfach nicht zu, sondern eher noch ab. Dr Verreet kam regelmäßig vorbei und war inzwischen auch oft bei Papa. Er arbeitete jetzt in Köln und lebte mit seiner Familie auch dort. Für Papa war er inzwischen ein guter Freund geworden. Ich mochte ihn im Moment nicht so gerne, weil vorgestern schon wieder das Thema Sonde im Raum gestanden hatte. Ich wollte auf keinen Fall so ein Teil, ich stellte es mir total schrecklich vor, ein Loch im Bauch zu haben und Nahrung direkt in den Magen zu bekommen. Satt werden ohne essen, das war schon damals im Krankenhaus sehr unangenehm zu werden.
„Paddy, kommst du, wir müssen raus", riss mich Maite aus meinen Gedanken. „Ja, ich komme", antwortete ich und ließ mich auf den Boden fallen. Zur Zeit trug ich nur Lederhosen, weil man die abwischen konnte und ich konnte damit auch besser über den Boden rutschen. So rutschte ich zur Tür des Busses. Draußen stand direkt mein Rollstuhl. Ich rutschte auf die unterste Stufe des Busses und von dort in den Rollstuhl. Dafür konnte ich mit meinen Beinen inzwischen ein bisschen nachhelfen. Ich drückte mich hoch und konnte mein linkes Bein auf das Fußbrett stellen, nur beim rechten klappte das noch nicht. Dr Verreet war der Meinung, dass wir bald versuchen könnten, ob ich stehen könnte. Darauf freute ich mich schon sehr. Maite und ich machten uns gemeinsam auf den Weg zur Bühne, wo bereits die anderen warteten. Nur Jimmy fehlte mal wieder, aber das war ja normal. Er tauchte einfach nicht auf. Deshalb beschloss John, dass er allein das Konzert beginnen würde. Barby wurde immer unruhiger. „Da stimmt was nicht. Wir müssen Jimmy suchen", meinte sie schließlich. Wir beschlossen gemeinsam, dass Angelo und ich hinter der Bühne warten sollten. Wenn John mit dem Lied fertig wäre, würden wir zu ihm kommen und irgendeine Show abziehen, bis die anderen kamen. So machten wir es dann auch. Angelo und ich erzählten Witze, John spielte Gitarre. Plötzlich entdeckte ich Kathy ganz vorne im Publikum. Sie winkte hektisch und bedeutete uns, das Konzert zu unterbrechen. Das taten wir dann auch sofort und verließen die Bühne. Kathy war total aufgelöst. „Wir haben ihn gefunden. Er ist zusammengeschlagen worden und lag bewusstlos ein paar hundert Meter vom Bus weg. Joey fährt mit Jimmy ins Krankenhaus. Wir ziehen das ohne die beiden durch. Und ohne Maite und Barby. Barby hat ihn gefunden und ist total fertig", erzählte Kathy und wischte sich die Tränen ab. Dann gingen wir raus auf die Bühne, gemeinsam mit Patricia, die inzwischen auch bei uns angekommen war. Wir lieferten so gut ab, wie wir eben konnten. Dann beendeten wir das Konzert frühzeitig und gingen zurück zum Bus. Dort saßen Maite und Barby. Barby konnte sich gar nicht mehr beruhigen und weinte total hysterisch. Ich bekam auch nur noch schlecht Luft und Angelo schloss mich an die Beatmung an. Da klingelte plötzlich im Büro das Telefon. Patricia rannte sofort nach oben. Sie redete kurz und kam dann zu uns herunter. „Jimmy muss im Krankenhaus bleiben. Er hat eine Gehirnerschütterung, mehrere gebrochene Rippen und eine gebrochene Hand. Joey ist auf dem Weg zu uns. Morgen oder übermorgen können wir Jimmy abholen. Wir spielen das zweite Konzert auf jeden Fall noch. Jimmy möchte das wohl auch", erzählte sie. Barby weinte sofort noch mehr und Maite hielt sie fest im Arm. Wir anderen waren ziemlich schockiert. Kathy telefonierte noch mit Papa und dann mussten wir auch schon wieder zum nächsten Konzert. Wir haben unser bestes, auch Barby und zogen uns danach sofort in den Bus zurück. Hunger hatte keiner von uns und wir legten ins früh schlafen. Ich hörte, wie Barby wieder weinte und auch Angelo weinte mein Oberteil nass. Ich strich ihm über den Rücken, bis er einschlief und kurz darauf schlief auch ich ein.

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