Kapitel 74

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-Leyla-

Obwohl ich letzte Nacht kaum geschlafen habe und todmüde bin, tue ich während des gesamten Fluges kein Auge zu. Ich bin so aufgeregt, was das Wiedersehen mit meinen Eltern angeht, das ich die ganze Zeit das Gefühl hatte, mich übergeben zu müssen, was, Gott sei Dank nicht passiert ist. Trotzdem bin ich froh, als ich wieder festen Boden unter den Füßen habe.

Die Menschenmassen sind hier nicht ganz so groß wie bei meinem Abflug, reicht aber trotzdem aus. Insgeheim hoffe ich zwischen all den Leuten ein bekanntes Gesicht zu entdecken; meine Eltern, oder Maite, die gekommen sind, um mich abzuholen. Ich habe ihnen extra geschrieben, wann ich landen werde. Aber da ich damals ohne ein Wort zu sagen verschwunden bin, kann ich nicht verlangen, das sie mich zu Hause willkommen heißen, als wäre nicht's gewesen. Trotzdem ist da dieser kleine Funken Hoffnung, dass irgend jemand gekommen ist, um mich abzuholen.

Und als ich dann, etwas abseits stehend, meinen Vater entdecke, rutscht mir das Herz in die Hose und Tränen schießen mir in die Augen. Freudentränen, versteht sich.
Als auch er mich erblickt, zieht er seine Hände aus dn Hosentaschen und kommt zügig auf mich zugelaufen. Ohne zu wissen, was jetzt auf mich zukommt, lasse ich meine Tasche auf den Boden fallen und umarme meinen Vater. Ein bisschen zögerlich, zwar, aber er erwidert die Umarmung.
Nach wenigen Minuten lösen wir uns wieder voneinander.

"Komm, wir fahren nach Hause.", sagt mein Vater  und wischt mir eine Träne von der Wange.

"Okay." Mehr bekomme ich in diesem Moment nicht heraus. Mir war klar, dass dieses Wiedersehen emotional wird, aber das es SO extrem wird, damit habe ich nicht gerechnet. Mein Vater legt einen Arm um mich und zusammen gehen wir zum Auto.

Kaum hat mein Vater das Auto geparkt und den Motor abgestellt, fliegt die Haustür auf und meine Mutter kommt auf mich zugerannt. Ich habe nicht mal genug Zeit, um auszusteigen, schon liegen wir uns in den Armen.

Die Tage bis Weihnachten vergehen wie im Flug. Nachdem wir uns ausgesprochen hatten, war alles wie immer zwischen meine Eltern und mir. Und das ist auch gut so! Nicht's hätte ich weniger gebrauchen können, als Streit an Weihnachten. Wahrscheinlich hätte ich dann angefangen den Besuch zu bereuen.

Maite und ihre Eltern kommen bereits am Vormittag des Weihnachtstages zu uns. Während unsere Väter sich um die Dekoration und unsere Mütter sich um das Mittagessen kümmern, nutzen wir die Chance und flüchten aus dem Haus. Nach all der Zeit besteht definitiv Gesprächsbedarf. Zwar haben wir oft telefoniert, aber trotzdem gibt es da die ein oder andere Sache, von der Maite nicht weiß.

Als ich ihr von dem Kuss erzähle, ist meine Freundin völlig aus dem Häuschen und braucht eine Weile um sich zu beruhigen.

"Und jetzt? Seid ihr so richtig zusammen?", fragt sie immer noch total aufgebracht. Ich muss lachen.

"Maite, ich habe keine Ahnung. Da haben wir noch nicht drüber geredet. Und ganz so einfach wie du denkst, ist das nicht.", antworte ich.

"Warum das denn?" Fragend sieht sie mich an. Ich bleibe stehen und vergrabe meine Hände in den Jackentaschen.

"Wegen Jimmy.", antworte ich knapp, aber ehrlich und zucke mit den Schultern.

"Was hat er jetzt damit zu tun?" Daraufhin erzähle ich meiner Freundin von Joey's und meinen Gesprächen und schildere ihr die Situation. Nämlich, dass auch Jimmy Gefühle für mich hat.

"Ich habe einfach Angst, dass ich dadurch unsere Freundschaft kaputt mache, verstehst du? Jimmy bedeutet mir etwas, zwar anders als Joey, aber... Keine Ahnung. Ich will ihn einfach nicht verletzen." Mit diesen Worten schließe ich meine Erzählung und bin dann noch verwirrter als vorher.

"Liebst du ihn? Joey, meine ich.", fragt Maite mich. Eigentlich hatte ich einem endlosen Vortrag von meiner besten Freundin gerechnet, was eigentlich typisch für sie ist.

"Ja, das tue ich.", antworte ich, ohne lange überlegen zu müssen.

"Siehst du. Da hast du die Antwort auf all deine Fragen."

"Aber wegen...", beginne ich, doch Maite unterbricht mich, indem sie sich bei mir unterhakt und mich weiter mit sich zieht.

"Wenn Jimmy eure Freundschaft genau so wichtig ist wie dir, wird er das Beste für dich wollen. Und wenn das eben nicht er, sondern sein Bruder ist, muss er das akzeptieren. Hört auf Rücksicht auf ihn zu nehmen. Jimmy ist erwachsen, er wird damit schon klarkommen."

"Wenn du das so sagst, klingt das so einfach.", stelle ich fest.

"Ich habe nie behauptet, dass es einfach ist, aber auch nicht so kompliziert, wie ihr es macht."

Stimmt das? Machen wir es uns wirklich komplizierter, als es ist? Hat Maite vielleicht Recht und in Wirklichkeit ist alles ganz leicht? Das wir aufhören müssen, Rücksicht auf Jimmy zu nehmen, so weit waren Joey und ich bei unserem letzten Gespräch auch schon.

"Oder hat Joey deswegen ein schlechtes Gewissen?", fragt Maite in meine Gedanken hinein.

"Er sagt nein."

"Aber? Glaubst du, das stimmt nicht?"

"Ich weiß es nicht.", antworte ich ehrlich. Von den vielen Fragen schwirrt mir der Kopf; ich weiß gar nicht mehr, was richtig und was falsch ist.

Meine Eltern bekommen nicht's von meinem innerlichen Chaos mit, was mich echt wundert. Ich hätte schwören können, dass man mir meine Unsicherheit ansieht. Anscheinend nicht...

Gerade als ich mich an das Zusammensein mit meinen Eltern gewohnt habe, heißt es Abschied nehmen. Denn dieses Mal gibt es eine richtige Verabschiedung. Meine Eltern, und auch Maite, haben es sich nicht ausreden lassen, mich wenige Tage später zum Flughafen zu fahren. Ich weiß schon, warum ich mir lieber ein Taxi genommen hätte. Ich hasse Abschiede!

"Ich melde mich, wenn ich gelandet bin.", verspreche ich und nehme meinem Vater mein Gepäck ab. Dann umarme ich erst ihn und dann meine Mutter. Beide haben Tränen in den Augen; genau wie ich.

"Du schaffst das schon.", flüstert Maite mir zu, als ich auch sie zum Abschied in den Arm nehme.

"Bis bald.", sage ich und drehe mich dann zum Gehen um.

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