Kapitel 80

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-Leyla-

Seit diesem Tag habe ich nicht's mehr von den Kelly's gehört. Jetzt im Nachhinein weiß ich, dass das richtig war. Ich brauchte einen glatten, klaren Schnitt. Wenn ich damals immer und immer wieder zurück geschaut hätte, wäre ich zerbrochen. Heimlich, still und leise habe ich mich über Nacht davon geschlichen. Allein Thomas habe ich einen Brief geschrieben, in dem ich ihn informierte, wohin ich verschwunden bin, damit er sich keine Sorgen machen muss. Und ich schrieb, das ich nicht wiederkommen werde.

Den ganzen Weg zum Flughafen habe ich nur geheult und wäre am liebsten umgekehrt. Aber ich konnte nicht zulassen, das die Familie auseinander bricht, nur weil Jimmy und Joey eben beiden in mich verliebt sind und einander das Glück nicht gönnen. Ich wollte nicht Schuld an einem Familiendrama sein. Also entschied ich mich zu gehen. Je weiter weg ich war, desto leichter wurde es und als ich in Spanien landete fühlte ich mich nur noch leer und nur noch halb so elend.

Ich hatte mein Ziel klar vor Augen. Ich fuhr vom Flughafen direkt zu meinen Eltern. Erst, als ich vor der Wohnungstür stand, wusste ich nicht mehr, ob ich das Richtige tue. Kurz habe ich darüber nachgedacht, einfach umzukehren und zurück nach Deutschland zu fliegen. Gerade, als ich mich umdrehen und geheb wollte, öffnete sich die Tür und meine Mutter stand vor mir. Wir starrten einander nur an und konnten Beide nicht glauben, wem wir da gegenüber standen, aber ich konnte sehen, das meine Mutter Tränen in den Augen hatte. Wahrscheinlich hatte sie genau so wenig mit einem so baldigen Wiedersehen gerechnet, wie ich. An Weihnachten haben wir kein Wort darüber fallen lassen, wann ich zurückkommen würde.

Natürlich hat sie mir sofort angesehen, das etwas nicht stimmt und ich nicht ohne Grund zu Hause aufgetaucht bin. Und obwohl ich anfangs absolut keine Lust hatte, mit meiner Mutter über mein Liebesleben zu reden, erzählte ich ihr, was mit Jimmy und Joey vorgefallen ist. Wirklich Alles.

Irgendwann, so drei Wochen später, war ich an dem Punkt angekommen, das ich nicht mehr in Tränen ausbrach, sobald die Kelly's in den Medien erwähnt wurden. Trotzdem habe ich versucht, genau das zu vermeiden. Ich mied Sendungen in denen sie auftraten und sämtliche Zeitschriften bei denen die Family auf dem Titelblatt war. Eigentlich mies ich alles, was mit ihnen zu tun hatte. Ich bekam gerade so mit, wie es langsam wieder ruhiger um die Kelly's wurde und die ersten Geschwister ihren eigenen Weg gingen. Das John wieder hier auftauchte und mit Maite zusammen kam, überraschte mich überhaupt nicht. Wurde ja auch langsam Zeit bei den Beiden!

Da ich meinen Eltern nicht länger auf der Tasche liegen wollte, habe ich ein Jahr später tatsächlich angefangen in ihrer Firma zu arbeiten. Es wurde langsam wieder Zeit für mich, eigenes Geld zu verdienen. Mein Vater hat mich direkt als seine Assistentin eingestellt, was sein Vertrauen zu mir bewies.

Das ich drei Jahre später allerdings die alleinige Geschäftsführung übernehmen würde, damit hatte ich nicht gerechnet und hätte gern darauf verzichtet und meinen Vater länger an meiner Seite gehabt.

Die ersten Monate ohne ihn waren die reinsten Qualen für meine Mutter und mich. Gerade, als ich es geschafft hatte,  aus diesem Loch herauszukommen, verlor ich auch meine Mutter. Danach zog ich eine Weile zu Maite und John, die während diesem Prozess an meiner Seite und für mich da waren.

Und irgendwie habe ich den richtigen Zeitpunkt, den Beiden wieder ihre Privatsphäre zu lassen, verpasst. Auch, wenn sie es nicht zugeben würden, wird es Zeit mir wieder etwas eigenes zu suchen.

Ja, seit ich wieder in Spanien lebe ist eine Menge passiert und trotzdem habe ich das Gefühl nur im Kreis zu laufen.

Seit Stunden, um genau zu sein die ganze Nacht, sitze ich mit meinem Laptop auf dem Schoß im Wohnzimmer, habe den Kopf in die Hände gestützt und starre verzweifelt auf den Bildschirm. Ein kleiner, aber sehr ausschlaggebender Fehler hat sich in meine Inventurliste geschlichen und will sich mir einfach nicht zeigen.

Seufzend stelle ich den Laptop neben mich und gehe in die Küche, um mir frischen Kaffee zu machen. Vielleicht rüttelt Koffein meine müden Hirnzellen ja wach. Ich setze mich auf meinen gewohnten Platz am Esstisch, da sich meine Beine wie Wackelpudding anfühlen, weil ich die letzten beiden Nächte kaum geschlafen habe. Diese blöde Buchhaltung!

"Bist du schon wach, oder immer noch?", fragt John, der mich vom Türrahmen aus beobachtet. Ich halte zwei Finger in die Höhe. Muss ihm als Antwort reichen.

"Machst du irgendwann auch mal Pause und schläfst ein paar Stunden?", fragt er und nimmt einen großen Schluck aus meiner Kaffeetasse. Zu seinem Glück bin ich zum Protestieren viel zu müde.

"Schlafen kann ich wieder, wenn ich diesen besch... blöden Fehler gefunden habe.", entgegne ich und nehme ihm meine Tasse wieder ab.

"Leyla, du siehst aus wie ein Zombie, um das mal nett auszudrücken.", stellt John fest und ignoriert sein klingelndes Handy auf dem Tisch.

"Du bist wichtig.", sage ich und deute auf dieses. Er wirft einen kurzen Blick auf das Display und sieht dann wieder mich an.

"Überarbeite dich nicht. Das hätten sie nicht gewollt.", sagt er, lächelt mir zu und nimmt den Anruf dann entgegen. Mit den Worten: "Angelo, was gibt's?", verschwindet er im Flur.

Ich leere meine Tasse in einem Zug, befülle sie erneut und setze mich damit wieder vor meinen Laptop. Ich bin noch nicht mal im zweiten Viertel der Liste angekommen, als mir die Augen zufallen.

Von Stimmen, die von weit her und nur gedämpft zu mir durchdringen, werde ich wieder wach. Mit einem Blick auf mein Handy muss ich erschrocken feststellen, das ich den ganzen Tag verschlafen habe. Ich setze mich auf, reibe mir den Schlaf aus den Augen und streiche mir die Haare aus dem Gesicht. Zwei Fragen stelle sich mir, als ich mich im Wohnzimmer unsere. Wo ist mein Laptop? Wer hat mich zugedeckt?

"Oh, da ist ja Jemand von den Toten auferwacht.", sagt Maite, als ich zu ihr gehe.

"Nur optisch.", gebe ich zurück und muss gähnen. Ich setze mich zu ihr an den Tisch und sie stellt eine heiße, dampfende Tassen vor mir ab.

"Ich habe da mal drüber geschaut.", sagt Maite und deutet auf den Laptop, der zugeklappr neben ihr liegt. Ganz langsam kommt auch in meinem Kopf an, das es sich bei dem Gerät um mein eigenes handelt. Fragend sehe ich meine Freundin an.

"Du hattest bei den Preisen einen Zahlendreher drin.", erklärt sie und ich seufze. Da hätte ich ja auch von alleine drauf kommen können! Hätte mir zwei fast schlaflose Nächte erspart.

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