Kapitel 72

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-Joey-

Als ich gestern Abend nach Hause kam, wäre ich beinahe vor Müdigkeit umgefallen. Trotzdem habe ich fast die ganze Nacht kein Auge zugetan. Ich habe die meiste Zeit wach gelegen und habe Leyla beim Schlafen beobachtet. Wer hätte gedacht, dass ich je eine Chance dazu gehabt hätte...

Sie liegt eng an mich gekuschelt und schläft noch. Vorsichtig ziehe ich meinen Arm unter ihrem Kopf weg schäle mich aus dem Bett. Eigentlich würde ich lieber noch länger bei ihr bleiben, aber wenn ich nicht gleich beim Frühstück erscheine, werden meine Geschwister sich ihren Teil denken. Und dieser Diskussion will ich aus dem Weg gehen.

Von meinen Geschwistern ist natürlich noch Keiner wach, war ja klar. Da hätte ich auch noch länger bei Leyla liegen bleiben können. Auf dem Weg in mein Zimmer treffe ich auf Jimmy, der gerade aus dem Bad kommt. Wir begrüßen uns mit einem kurzen "Morgen.", und dann geht jeder seinen Weg. Sofort habe ich die Bilder von Leyla und mir wieder im Kopf. Und prompt meldet sich mein schlechtes Gewissen.

"Hey, Joey! Gehst du laufen?", ruft Jimmy mir hinterher.

"Ja, ich ziehe mich nur noch um.", antworte ich.

"Cool, bin dabei." Ich verschwinde in meinem Zimmer. So richtig freuen kann ich mich nicht, das mein Bruder mich begleitet. Sonst bin ich immer froh, das er mitkommt, nicht heute. Was habe ich mir auch dabei gedacht, als ich mich zu Leyla ins Bett gelegt habe? Trotzdem bereue ich es kein Bisschen.

Ich ziehe irgendein Shirt aus meinem Schrank und gehe nach unten, wo Jimmy schon auf mich wartet. Bis ich einen vernünftigen Knoten in meine Schnürsenkel bekommen habe, brauche ich ewig.

"Da bist du ja endlich.", sagt Jimmy fröhlich und springt auf, als er mich sieht. Ich gehe nicht auf seine Aussage ein, sondern gehe an ihm vorbei zur Tür heraus.

Eigentlich kann ich beim Laufen richtig gut abschalten. Aber heute ist Alles anders. Ich kann mich nicht konzentrieren, wenn mir die Bilder der letzten Nacht durch den Kopf spuken und Jimmy neben mir läuft. Zum ersten Mal wünschte ich, dass das Mädchen, welches ich mag, nicht das gleiche für mich empfindet.

Die Luft ist eiskalt und sticht in meiner Nase und meiner Lunge. Jeder Atemzug ist die reinste Qual. Und da ich mit meinen Gedanken ganz weit weg bin und nicht auf meine Atmung geachtet habe, habe ich schon jetzt Seitenstechen. Nach zehn Minuten!

"Du lässt nach.", stellt Jimmy fest, der einige Meter vor mir läuft.

"Was ist denn los?", fragt Jimmy und joggt auf der Stelle weiter, bis wie wieder auf einer Höhe sind.

"Nicht's.", lüge ich und setze mich auf eine Bank, die am Wegesrand steht. Jimmy daneben. Als ich einen Schluck aus meiner Wasserflasche nehmen will merke ich, das ich diese zu Hause habe stehen lassen. Verdammt!

"Hier.", sagt Jimmy und hält mir seine entgegen. Ich nehme die Flasche, trinke einen großen Schluck und gebe sie meinem Bruder wider.

"Alles okay bei dir, Joey? Irgendwie bist du komisch.", stellt mein Bruder fest und sieht mich kritisch an.

"Alles bestens." Schon wieder eine Lüge. Egal.

"Okay, dann lass uns zurück. Ich habe echt Hunger.", sagt er und steht auf. Ich tue es ihm gleich.

"Ihr seid ja schon wieder da. Seid ihr nicht eben erst los?", fragt Patricia, als sie uns im Flur hört.

"Joey hat schlapp gemacht.", antwortet Jimmy und grinst mich frech an.

"Bist du krank?" Etwas besorgt schaut meine Schwester mich an.

"Nein, ich habe einfach nur schlecht geschlafen.", sage ich, was dieses Mal nicht komplett gelogen ist.

Während des Frühstückes geht mir die ganze Zeit ein Satz durch den Kopf, den Leyla gestern Nacht zu mir sagte.

'Wenn er mit uns nicht klar kommt, ist das sein Problem.'

Immer und immer wieder schieben sich diese Worte in mein Gedächtnis. Allem voran das kleine, aber sehr bedeutende Wörtchen UNS. Aber was hat das zu sagen? Heißt das: Wenn Jimmy nicht wäre, könnte diese Sache zwischen Leyla und mir, was auch immer es ist, funktionieren? Okay...wenn man es so formuliert klingt es ziemlich gemein! Dennoch ist es leider genau so.

Gedankenverloren und mit brummenden Kopf liege ich in meinem Zimmer auf meinem Bett. Zwar habe ich mein Buch aufgeschlagen in der Hand, nehme die Zeilen aber gar nicht war. Als meine Tür aufgeht lege ich es schnell beiseite, da ich mit Jimmy rechne, der mich weiter über mein angeblich komisches Verhalten ausfragen will. Doch es ist Leyla, die jetzt vor mir steht.

"Hoppla, hast du dich im Zimmer geirrt?", frage ich und setze mich auf.

"Wieso? Ist das nicht deines?" Fragend sieht sie mich an.

"Doch.", antworte ich mit hochgezogener Augenbraue.

"Gut, dann bin ich ja richtig.", sagt Leyla mit einem Lächeln und lässt sich ganz selbstverständlich zu mir auf mein Bett fallen. Nicht, das ich mich beschweren würde!

Und obwohl wir so viel, wegen der Sache zwischen uns (oh man, der Gedanke gefällt mir!), zu klären hätten, schweigen wir. Ich weiß, das wir dringend darüber reden sollten. Doch wie soll ich das Gespräch anfangen?

"Leyla, wegen gestern Abend...", setze ich an und räuspere mich. Abwartend sieht sie mich an. Auch ich schaue zu ihr, in der Hoffnung, das sie vielleicht schneller die richtigen Worte findet. Dem scheint allerdings nicht so zu sein.

"Ich habe darüber nachgedacht, was du über Jimmy gesagt hast. Und über uns.", sage ich, rutsche näher zu ihr und nehme ihre Hand. Ganz so, als wäre es selbstverständlich. Ich kann förmlich spüren, wie sie sich einen frechen Kommentar verkneifen muss. Außerdem verrät ihr Grinsen sie.

"Du hast vollkommen recht mit dem, was Du gesagt hast. Wenn das mit uns funktionieren soll, dürfen wir nicht immer Rücksicht auf andere nehmen. Und ich will, dass das funktioniert. Ich kann aber auch verstehen, wenn du das nicht willst, weil du deine Freundschaft zu Jimmy nicht auf's Spiel setzen willst.", sage ich langsam und sehe Leyla dabei fest in die Augen; wie als Beweis, das ich jedes Wort ehrlich so meine.

"Das wäre es mir wert.", ist alles was Leyla dazu sagt.

"Okay....dann... Darf ich dich küssen?", frage ich zögerlich. Eigentlich habe ich ihre Erlaubnis ja gestern schon bekommen, aber irgendwie kam mir kurz der Gedanke, ich könnte sie mit meinen Worten umgestimmt, oder verunsichert haben.

"Quatsche nicht so viel und mache einfach.", antwortet Leyla leise lachend.

"Ganz wie die Dame wünscht.", entgegne ich grinsend, werde aber schnell wieder ernst. Dieser, lang ersehnte Moment ist nun wirklich nicht der richtige, um ihn ins lächerliche zu ziehen.

'Hoffentlich sind meine Hände nicht mehr so kalt.', denke ich, als ich eine an Leyla's Wange lege und sie dann langsam in ihren Nacken wandern lasse. Doch ich muss kaum etwas tun; Leyla rutscht von alleine zu mir. Ihr Blick zuckt die ganze Zeit zwischen meinen Augen und meinem Mund hin und her. Aus ihren großen, rehbraundn Augen sieht sie mich fast schon flehend an. Ich verringere den Abstand zwischen uns so weit, das mir der Duft ihres Shampoo's in die Nase steigt. Instinktiv schließe ich die Augen, um all das noch intensiver wahrnehmen zu können. Ihr Atme kitzelt auf meiner Haut, die sich anfühlt als hätte sie Feuer gefangen. Und als meine Lippen dann (ENDLICH!!!) auf ihre Treffen, explodiert mein ganzer Körper. Am liebsten hätte ich mein Leben in diesem Moment pausiert, um diesen Kuss für immer festhalten zu können.

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