Kapitel 31

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-Leyla-

Draußen tobt ein Unwetter, genau wie in mir drin. Ich bin einfach nur wütend. Wütend und enttäuscht. Ich liege auf meinem Bett und schaue aus dem Fenster, an welches dicke Regentropfen schlagen. Blitze zucken über den Himmel und Donner grollt. Der Wind heult mystisch ums Haus und spielt mit meiner Gardine, da mein Fenster nur angekippt ist. Vorhin, als ich in mein Zimmer kam, habe ich mich einfach auf mein Bett fallen lassen und mir die Decke über den Kopf gezogen. Ich wollte Alles um mich herum ausblenden; wollte nicht's mehr sehen und nicht's hören. Trotzdem drangen die Stimmen meiner Eltern zu mir durch. Dabei waren genau sie es, die ich auf keinen Fall gebrauchen konnte! Die ganze Zeit schwirren mir die Fetzen unseres Gespräches durch den Kopf.

Ein leises, fast zögerliches Klopfen an meiner Tür holt mich aus meinen Gedanken. Schnell, da ich keine Lust auf eine weitere Diskussion habe, drehe ich mich auf die Seite und schließe die Augen. Wenn sie denken, ich würde schlafen, lassen sie mich wenigstens in Ruhe. Als die Tür geöffnet wird, huscht ein schmaler Lichtstreifen durch mein Zimmer. Hastig, um nicht beim Simulieren erwischt zu werden, ziehe ich die Decke höher und versuche gleichmäßig zu atmen, obwohl ich innerlich koche. Wie ich feststellen muss, habe ich eindeutige schauspielerisches Talent. Als es in meinem Zimmer wieder dunkel ist, atme ich durch und schiebe die Decke zur Seite. War ganz schön warm darunter!

Am nächsten Morgen hoffe ich, das meine Eltern bereist bei der Arbeit sind, als ich aufwache. Wo sollten sie auch sonst sein? Die sind doch immer arbeiten! Warum nicht auch heute? Tja, ganz einfach - weil sie ausgerechnet heute noch am Frühstückstisch sitzen, als ich in die Küche komme. Wortlos setze ich mich dazu. Appetit habe ich keinen und gieße mir daher nur eine Tasse Tee ein.
"Ich war gestern Abend nochmal bei dir, aber du hast schon geschlafen.", sagt meine Mutter in die Stille.
"Aha.", antworte ich nur knapp und widme mich wieder meiner Tasse.
"Willst du es dir nicht doch nochmal überlegen?"
"Nein. Für mich gibt's da nicht's zu Überlegen. Ich habe es auch gestern Abend schon gesagt und ich wiederhole es gern noch einmal. Ich werde nicht in eurer Firma anfangen. Das ist nicht's für mich.", entgegne ich.
"Und daran wird sich auch nicht's ändern, wenn ihr das Thema noch dreimal anschneidet.", füge ich hinzu und nehme einen großen Schluck Tee.
"Was ist denn so schlimm daran?" Mein Vater legt seine Zeitung beiseite und sieht mich eindringlich an. War ja klar, das er sich nicht so leicht abwimmeln lässt, wie meine Mutter. Ich weiß, das ihm viel daran liegt, das seine Firma in der Familie bleibt, aber warum akzeptiert er meine Entscheidung nicht einfach?
"Ich will nicht den Rest meines Lebens in einem stickigen Büro sitzen und den ganzen Tag irgendwelche Zahlen und Formeln vor der Nase haben. Echt, da gehe ich ein.", antworte ich.
"Woher willst du das denn wissen? Du hast es ja noch nicht einmal versucht. Leyla, du weißt, wie viel uns das bedeuten würde." Jetzt kommt er wieder so! Jetzt versucht mein Vater mir ein schlechtes Gewissen zu machen. Und irgendwie, warum auch immer, gelingt es ihm. Meine Eltern mussten lange schuften, um ihre Firma zu dem zu machen, was sie jetzt ist. Es war quasi ihr Leben, zumindest bis ich kam. Und in den letzten Jahren haben sie diesen Vorgang wieder rückgängig gemacht. Die Tage, die wir zu dritt, als Familie verbracht haben würden von Jahr zu Jahr weniger und meine Eltern waren nur noch am Arbeiten. Andere Kinder in meinem Alter, immerhin werde ich bald zwanzig, wären froh, mal sturmfreie Bude zu haben, aber ich sehne mich immer mehr danach eine 'normale' Familie zu haben.
"Bitte nicht diese Masche.", sage ich leise, in der Hoffnung, das er es nicht gehört hat. Hat er natürlich trotzdem; war ja klar! Streng schaut er mich an und ich wende vorsichtshalber den Blick ab. Schnell trinke ich meinen Tee aus, nehme mir einen Apfel aus dem Obstkorb und gehe in mein Zimmer.

Warum verstehen mich meine Eltern nicht? Wobei ich anmerken muss, das meine Mutter es zumindest versucht, im Gegensatz zu meinem Vater. Warum ist es ihm so wichtig, das ich seine Nachfolgerin auf dem Chefsessel werde? Ich weiß, das es zur Zeit nicht gut läuft und meine Eltern jeden Cent zweimal umdrehen müssen, aber daran würde sich auch nicht's ändern, wenn ich seine Nachfolge antreten würde. Für mich gab es immer nur eine Sache, die mich wirklich interessiert hat, nämlich das Fotografieren. Schon als meine Eltern mir zum zehnten Geburtstag meine erste, eigene Kamera schenkten war mir klar, was ich mit meinem Leben anfangen wollte. Und dieser Wunsch ist bis heute geblieben.

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