Kapitel 77

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-Leyla-

Wie festgefroren stehe ich mitten auf dem Gehweg und schaue Jimmy nach, der zwischen den Leuten kaum noch zu erkennen ist. Mir war klar, das er nicht begeistert sein würde, wenn er von Joey und mir erfährt, aber damit, das er SO reagiert, hatte ich nicht gerechnet. Das er es auf diese Art und Weise erfährt war allerdings auch nie geplant. Joey und ich wollten eigentlich morgen in Ruhe mit Jimmy über die ... Situation reden. Das wäre damit ja jetzt überflüssig.

Keine Ahnung wie lange ich dagestanden und gehofft habe, das Jimmy vielleicht doch wiederkommt. Die Erkenntnis, dass dies nicht geschehen wird, treibt mir erneut die Tränen in die Augen. Meine Beine fühlen sich an wie Pudding und drohen jeden Moment unter mir nachzugeben. Um zu verhindern, das ich hier mitten auf dem Weg heulend zusammenbreche, lehne ich mich gegen die Mauer, die parallel zur Straße gebaut wurde. Ich lege den Kopf in den Nacken, schließe die Augen und lasse den Tränen freien Lauf.

Irgendwann schaffe ich es tatsächlich mich wieder zu beruhigen. Noch ein letztes Mal schaue ich in die Richtung, in die Jimmy verschwunden ist und gehe dann in die Entgegengesetze nach Hause. Der Wind weht mir eiskalt ins Gesicht und eine Gänsehaut zieht sich über meine nackten Arme. Als ich Jimmy vorhin nachgelaufen bin, habe ich gerade noch daran gedacht mir feste Schuhe anzuziehen. An eine Jacke konnte ich nicht auch noch denken!

"Ist alles in Ordnung bei Ihnen?", fragt mich ein älterer Herr, den ich beinahe umgerannt hätte.

"Was? Ja, alles okay. Tut mir leid.", antworte ich und wisvhe mir die Tränen aus dem Gesicht.

"Ich wünsche Ihnen ein frohes neues Jahr.", sagt er.

"Danke. Das wünsche ich Ihnen auch.", antworte ich und bekomme sogar ein kurzes Lächeln zustande.

Während ich jetzt total durchgefroren zurück zum Haus der Kelly's laufe frage ich mich, was an diesem Jahreswechsel bitte froh sein soll. Es ist der bisher deprimierendste den ich je erlebt habe. Dieses Desaster kann nicht einmal das Jahr toppen, als ich komplett alleine zu Hause war.

Völlig durchgefroren komme ich wenige Minuten später zu Hause an. Aus dem Esszimmer höre ich die fröhlichen Stimmen der Anderen. Vom Türrahmen aus beobachte ich sie eine Weile, kann mich aber nicht dazu überwinden, mich zu ihnen zu setzen. An dem Tisch sind zwei Plätze frei - meiner und Jimmy's.

Bei den Erinnerungen an unser Gespräch steigen mir erneut die Tränen in die Augen. Schnell lege ich eine Hand auf meinen Mund, um ein lautes Schluchzen zu unterdrücken und hechte dann die Treppe hoch. Ich kann mich jetzt, nach all dem Schlamassel, nicht zu den anderen setzen und so tun, als wäre alles in Ordnung. Denn das ist es nicht; ganz und gar nicht.

Mit voller Wucht fliegt meine Tür ins Schloss. Ich durchquere mein Zimmer mit wenigen Schritten und werfe mich auf das Bett. Ich vergrabe mein Gesicht im Kissen und kneife die Augen zusammen. Vielleicht ist das Alles nur ein blöder Traum und wenn ich gleich aufwache ist meine Welt wieder in Ordnung. Doch nicht's ist in Ordnung, als ich die Augen wieder öffne. Die kochende Wut auf mich selbst und die Verzweiflung, beides ist noch da. Stärker als vor ein paar Minuten.

Ich setze mich auf und lehne mich mit dem Rücken gegen die Wand, doch das Stillsitzen fällt mir schwer. Ich muss mich dringend ablenken; irgendwie auf andere Gedanken machen. Und obwohl ich weiß, das es nicht klappen wird, nehme ich mir mein Buch vom Nachttisch. Wirklich wahrnehmen kann ich die Worte nicht.

'Ich habe Alles versaut. Ich habe alles kaputt gemacht.', spukt es mir die ganze Zeit durch den Kopf. Natürlich ist mir klar, dass das so nicht stimmt. Was kann ich denn dafür, dass sich ausgerechnet meine beiden besten Freunde in mich verlieben? Was kann ich denn dafür, das ich nur Joey's Gefühle erwidere? Genau - nicht's! Verdammt, ich habe mir das doch nicht ausgesucht.

"Du brauchst jetzt nicht damit zu kommen, das es dir leid tut!" Diese Worte reißen mich unsanft aus dem Schlaf. Das ich irgendwann eingeschlafen bin, habe ich nicht mitbekommen. Ich habe mich ja nicht einmal umgezogen. Echt unbequem in Jeans zu schlafen.

"Nein, das tut es auch nicht. Es ist eben, wie es ist!" Joey's Worte holen mich aus meinen Gedanken.

"Wenn ich an deiner Stelle wäre, würde ich das auch so einfach sagen können!" Jimmy! Erleichtert darüber, das er wiedergekommen ist, atme ich auf. Das er und Joey jetzt allerdings um diese Uhrzeit lautstark streiten, ist weniger erfreulich. Wenn die Beiden in der Lautstärke weiter streiten sind in fünf Minuten die anderen wach.

"Man, jetzt höre auf, dich hier so lächerlich zu machen!", erwidert Joey verärgert.

"Was soll das denn hier werden?" Ich stelle mich zwischen die Beiden, verschränke die Arme vor der Brust und sehe Jimmy und Joey fragend an. Antwort bekomme ich keine. Die Brüder sind viel zu sehr damit beschäftigt, sich finstere Blicke zuzuwerfen.

"Du bist doch nur neidisch.", sagt Joey mit einem kurzen Seitenblick auf mich. Ich verdrehe die Augen.

"Ganz unpassend.", wispere ich ihm zu und sehe Joey verärgert an.

"Warum? Sieht doch ganz so aus.", antwortet er und deutet auf seinen Bruder. Hätte er doch einfach den Mund gehalten! Kaum habe ich dies zu Ende gedacht, landet Jimmy's Faust auch schon im Gesicht seines Bruders. Joey, der damit genau so wenig gerechnet hat, wie ich, taumelt ein paar Schritte rückwärts, kann sich aber noch rechtzeitig an einem Türrahmen festhalten, ehe er auf dem Allerwertesten landet.

"Bist du bescheuert?", fragt er wütend an Jimmy gewandt.

"Nicht mehr als du.", erwidert dieser nur, dreht sich um und verschwindet die Treppe herunter. Immer noch geschockt schaue ich ihm nach, nehme aber im letzten Moment aus dem Augenwinkel war, das Joey ihm hinterher will.

"Halt! Du bleibst hier! Sonst eskaliert das ganze hier komplett!", mahne ich ihn und halte ihn am Arm fest.

"Aber..."

"Nicht's, aber! Hier bleiben!", befehle ich und gehe dann selbst nach unten. Warum renne ich ihm eigentlich immer hinterher? Ich muss echt verzweifelt sein!

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