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Langsam öffne ich meine Augen und merke, dass mein Traum mir mehr als ein komisches Gefühl verpasst hat. Seufzend streiche ich mir die Tränen aus dem Gesicht und stehe auf. Mein Blick fällt auf den Kalender, der an meiner Wand hängt. Der rot eingekreiste Tag ist kaum zu übersehen. Heute vor einem Jahr hat sie es getan. Heute ist es ein Jahr her. Seit einem Jahr hab ich keine beste Freundin mehr. Außerdem bin ich seit einem halben Jahr bei Papa. Zwar geht es mir zwar seit ich hier bin besser, das einzige, was mich immer noch beschäftigt ist der Tod von Marie. Außerdem hab ich mit Mama so ziemlich den Kontakt verloren, sie hat sich seit Ewigkeiten nicht mehr gemeldet und ich halt auch nicht. Ich sehe es auch nicht ein, dass ich diejenige bin, die sie anrufen sollte oder sowas. Immerhin ist sie die erwachsene. Am liebsten würde ich Marie anrufen und mich mit ihr darüber ausgiebig unterhalten. Seit ich hier bin denke ich so oft daran, dass ich sie Mal anrufen sollte. Es fühlt sich nicht so an, als wäre sie Tod. Sondern eher als wäre ich weg gezogen und sie sei noch in meiner Heimatstadt. Wenn es nur so wäre.

"Toni, du bist ja schon wach, guten morgen" Erschrocken schnellt mein Blick zur Tür, durch die soeben mein Vater gekommen ist und streiche mir die Tränen aus dem Gesicht. Mit ihm habe ich nichts wirklich gerechnet. Sein Lächeln, das er eben noch auf dem Gesicht hatte verschwindet abrubt. "Hey, was ist denn los?" Ziemlich besorgt sieht er mich an und setzt sich neben mich. Erneut streiche ich mir die Tränen von den Wangen. Aufhören zu fließen tun sie jedoch nicht.
Ohne etwas zu sagen starre ich auf den Kalender, in der Hoffnung er würde meinem Blick folgen, was, wie ich aus meinem Augenwinkel erkennen kann, auch der Fall ist. "Oh", entfährt ihm ziemlich leise. Dennoch ist es noch so laut, dass ich es hören kann. "Heute ist es ein Jahr her", schluchze ich leise und mit brüchiger Stimme. Papa legt seine Hand auf meinen Rücken, die ich direkt wieder abschüttle. Das kann ich momentan am wenigsten gebrauchen. "Bitte geh einfach", flüstere ich leise. Ich will alleine sein. So hab ich die Sache schon immer verarbeitet, auch wenn es nicht sonderlich gut geklappt hat, vorübergehend war es okay.
"Wenn du reden willst, kannst du immer zu mir kommen ja?", meint er beruhigend und steht, glücklicherweise ohne weiteres zu sagen auf, um den Raum zu verlassen.
Tief atme ich durch und stehe auf, um mich umzuziehen. Der Blick nach draußen bestätigt meine Vermutung, dass das Wetter ziemlich gut ist, was meinem Plan direkt in die Hände spielt. Ich brauche frische Luft und vor allem etwas Ablenkung.

Seufzend schlendere ich durch die Stadt, Richtung Parkhaus und ziehe die schon relativ frische Luft in meine Lungen. Der Winteranfang lässt sich immer mehr spüren. Dennoch bin ich froh, dass ich hier hergekommen bin. Zwar war es vermutlich nicht wirklich so schlau, so
ganz ohne mich bei Papa abzumelden wegzugehen, aber das ist mir eigentlich gerade relativ egal. Auch wenn ich noch nicht oft hier war, ist es einer meiner Lieblingsorte hier in Köln. Das Gefühl sich einfach oben an die kante zu setzen und die Stadt von oben zu beobachten ist so befreiend. Zwar sind die Blicke, von den Leuten, die dort oben parken, immer etwas komisch, aber was soll's. Sollen die doch denken, was sie wollen.
Oben angekommen steuere ich ohne Umweg direkt auf die Kante zu.  rrrIch kann die schiefen Blicke schon verstehen, immerhin würde ich vermutlich das gleiche  denken. Wie sich Marie wohl gefühlt haben muss, bevor sie es getan hat? Hat sie sich Gedanken gemacht, was andere denken werden? Hat sie auch nur eine Sekunde an mich gedacht? Ich glaube kaum, sonst hätte sie es vielleicht nicht getan. Irgendwie klingt dieser Gedanke ziemlich egoistisch. Ich weiß genau, wie schlecht es ihr ging, schon Monate davor.
Doch irgendwie hab ich nie reagiert. Vielleicht hätte ich sie aufhalten können. Aber nein, stattdessen mache ich ihr nur Vorwürfe. Ich bin nicht wirklich eine gute Freundin. "Hey du! Tu das nicht" Eine Stimme schreckt mich aus meinen Gedanken. Verwirrt fahre ich herum, möchte mich vergewissern, dass nicht ich gemeint bin. Doch das ist nicht wirklich der Fall.

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Könntet ihr auf Musik verzichten?

Man liest sich im nächsten Teil<3

ASDS// Kreatur Der NachtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt