Kapitel 3

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Meine Jacke nehme ich vom Haken, während mein Klavierlehrer mit meinen Noten im Eingangsbereich der Musikschule wartet. Eine Dreiviertelstunde in der Woche bin ich hier in Bünde, oft bringt mich Bolin rum, damit ich mir eine Busfahrt sparen kann. Und wenn ich dann gegen 19 Uhr wieder nach Hause fahre, sind dort sowieso fast nur noch Jugendliche oder Berufspendler. Diesen Lärm müssen meine Kopfhörer übertönen.

Bevor ich durch die Tür dieses Gebäude verlassen würde, gehe ich zu Heiko, mein Lehrer, und nehme meine Noten wieder entgegen. Er lächelt mich an, ich mache es ihm nach und packe die zwei Bücher in meinen Rucksack, wo auch noch meine Schulsachen drin liegen.
Heiko: Ich würde sagen, dass du dir bis nächste Woche nochmal die letzte Seite von In un'altra vita anschaust und dann beenden wir das Stück, okay Cassy?"
Cassy: Bekomme ich hin. Wir sehen uns dann nächsten Freitag wieder."
Heiko: Richtig. Bald sind auch Ferien."

Nach diesem Satz kommt mein Lächelt erzwungen über meine Lippen. Ja, es sind bald Ferien. Heißt aber auch gleich, dass wir näher an den Abschlussprüfungen sind und dass ich dann die ganzen Tage immer zu Hause rumhängen muss. Keine Schule, keine Musik, der Verein macht auch Pause. Ich bin dann zu Hause gefangen.
Cassy: Stimmt, aber das ist noch etwas. Also, bis nächste Woche."

Hinter mir fällt die Glastür wieder zu und augenblicklich habe ich wieder meine Kopfhörer auf und lasse meine Playlist vom Morgen wieder abspielen. Ich laufe die Straßen runter und tippe auf meinem Handy auf einer Seite eines Lokales ein, dass in dreißig Minuten was abholen würde zum Essen. Als die Bestellung raus ist, komme ich bei der Drogerie an, lege mir die Kopfhörer um den Hals und betrete das Geschäft.

Ich weiß selbst, dass sie in wenigen Minuten den Laden schließen wollen, aber zu anderen Zeiten kann ich nicht kommen, da es mein Tagesablauf nicht zulässt. Kaum einer ist hier und ich halte nur für einen kurzen Moment, lass es zwanzig Sekunden sein, vor dem Regal mit den Haarfarben, bis ich nach der Packung greife, die ich brauche und mit der ich dann vor zur Kasse laufe. Die ältere Dame schaut mich misstrauisch an, zieht es über die Kasse, schaut in die Verpackung, dass nichts anderes darin ist und stellt mir diese dann vor.
Kassiererin: Du weißt, wie man das anwendet?"
Glaubt sie, meine Haare sehen von Natur aus so aus? Es ist klar, dass ich braune Haare habe und dass ich ein derartig helles Blau niemals einfach so auftragen könnte.
Cassy: Ja, weiß ich."
Immerhin will sie meinen Ausweis nicht sehen. Das wäre noch die Krönung gewesen, kam aber auch oft genug schon vor, da ich wohl noch wie 16 oder so aussehe. Ich zahle mit der Karte, packe das auch wieder in meine Tasche und verlasse danach auch dieses Geschäft wieder. Während ich mein Essen aus dem Laden hole, muss ich meine Kopfhörer nicht wieder absetzen. Dafür haben die Menschen dort keine Zeit. Ich zahle, nehme die Tüte und bin wieder weg.

Mit dem Bus geht es nach Hause, die letzten Meter laufe ich und komme dann gegen halb acht zu Hause an. Als ich die Haustür aufschließe, kommt mir Stitch entgegen, den meine Tasche interessiert, als diese auf den Boden steht, weil ich meine Jacke aufhänge.
Cassy: Du bekommst auch was zu fressen und frisches Wasser. Heute Abend leistest du mir hoffentlich etwas Gesellschaft."
Stitch sitzt im Flur vor seinem Napf und ich sitze mit meinen vorher bestellten Essen im Wohnzimmer und streame eine meiner Serien auf Netflix. Kurz vor acht schaue ich das erste Mal wieder auf mein Handy.
Chris: Bist du wieder gut zu Hause angekommen?
Cassy: Alles gut. Habe mich auch bereits um Stitch gekümmert. Esse gerade noch etwas und mache dann gleich die Aufgaben für die Schule.
Chris: Wir sind noch unterwegs. Ich wollte nur wissen, dass du zu Hause bist.
Danach kommt von keiner Seite mehr eine Nachricht und mein Handy lege ich daher auch wieder zur Seite weg. Viel schreiben wir nicht, telefonieren tun wir nie.

Es ist verdammt kalt draußen, aber mit einer Decke über meinen Körper geht es halbwegs. Ich habe mich auf meinen Balkon gesetzt und während die Blondierung einwirkt, rauche ich hier eine und habe Stitch neben mir liegen, der ab und an versucht eine Fliege zu fangen, die geschickt vor seiner Nase fliegt.
Cassy: Schaffst du es nicht, Kleiner?"
Stitch ist noch nicht ganz ausgewachsen. Der Tierarzt meinte, er war gerade zwei Monate alt, als ich ihn gefunden hatte. Etwas größer wird er vermutlich daher noch, aber ob er noch geschickter beim Fangen wird, bezweifle ich. Mein Blick geht wieder auf mein Handy. Halb zehn, noch etwa zehn Minuten, bevor ich meine Haare auswaschen kann, aber dann muss ich noch wieder die blaue Farbe auftragen. Vor elf wird das heute nichts.
Cassy: Was machen wir beide morgen, Stitch?"
Ich lasse mich nach hinten fallen, schaue in den Nachthimmel, auf die Sterne und bekomme mit, das Stitch jetzt wieder zu mir schaut. So einen ganzen Tag immer allein zu sein, ist auf Dauer auch unfassbar langweilig.
Cassy: Bis 17 Uhr habe ich noch ein Spiel und wenn ich wiederkomme, könnten wir noch einen Film schauen. Sonntag muss ich erst gegen 14 Uhr nochmal kurz weg. Deal?"
Stitch schaut mich an und legt danach eine Pfote auf mein Bein.
Cassy: Sehr gut."

Bevor ich mich am Abend Schlafen lege, checke ich immer noch meine Mails. Vielleicht will meine Tutorin was von mir. Ist nicht der Fall. Danach tippe ich selbst noch schnell eine Nachricht an den Blumenladen am Rand der Stadt. Als ich die Adresse eingeben will, wird mir diese auch direkt angezeigt. Ist ja nicht die erste Mail, sondern bereits die vierte. Abgeschickt, Wecker gestellt, die Tür öffnet sich wieder einen Spalt weit und mein Kater kommt zu mir.
Cassy: Leistest du mir hier auch Gesellschaft?"
Er läuft zu mir und springt dann auf mein Bett, damit er sich ans Fußende legen kann. Dort gehe ich ihm einmal durchs Fell, bevor ich mich auch hinlege und zuletzt noch das Licht ausschalte.

Es ist still. Totenstill in diesem Haus, wo gerade keiner außer mir ist. Ich bekomme den Wind mit, der gegen mein Fenster weht und bekomme die vereinzelten Autos mit, die die Straße runterfahren. Dazu das leise Schnurren von Stitch, was aber auch immer leiser wird, bis es aufhört. Du bist es doch gewohnt, Cassy. Das ist nun mal dein Leben. Auch wenn manche Dinge schon Alltag sind, weil sie seit Jahren so sind, an viele Umstände werde ich mich nie gewöhnen, weil ich mich nie daran gewöhnen wollte...

Nameless to YouWo Geschichten leben. Entdecke jetzt