Kapitel 20

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Sicht von Chris...

Leicht aufgelöst aber vor allem massiv verwirrt hat mich Cassy hier zurückgelassen. Eigentlich meinte sie, dass heute bei ihr nichts anstünde und dass sie sich deswegen um ein paar Sachen für die Schule kümmern wollte. Als sie dann aber vor dreißig Minuten einfach rausgelaufen ist und mir einzig die Aussage »Dauert nicht lange. Bin gleich wieder da.« gegeben hat, wusste ich auch nicht so recht, was passiert sein soll.

Die Spülmaschine hatte ich ausgeräumt und die Wäsche habe ich zusammengelegt, damit die durchlaufen kann, später sollte ich mich ums Abendessen kümmern. Ich weiß, nicht sonderlich interessant sich damit zu beschäftigen, gehört halt dazu. Während des Wartens kann ich mich dann aber wieder vor meine Pläne setzen. Andreas hatte mir die Deadline gesteckt, dass ich am besten bis zum Wochenende einmal die ersten Pläne an die Gewerke schicken sollte. Anderweitig würde ich mich vermutlich bis ein Tag vor der Show in kleinen Detail verlieren. Sonderlich konzentriert bin ich dabei allerdings nicht. Immer wieder formuliere ich Sätze, die überhaupt keinen Sinn ergeben. Ich würde mich ja gerne konzentrieren, dabei schaue ich aber immer wieder auf die Uhr, wo die Zeit verstreicht und auf mein Handy, was keine neue Nachricht anzeigt. Es wird schon alles gut sein, richtig? Vielleicht musste sie nur schnell zu einer Freundin, eben was klären.Trotzdem kann ich nicht aufhören, daran zu denken und mir auszumalen, was sie gerade macht.

Obwohl ich das eigentlich nie mache, ich klappe den Bildschirm einfach zu und stehe vom Platz auf, als die Haustür aufgeschlossen wird. Als ich dann in den Flur komme, steht Cassy auch wieder im Haus, wobei sie nicht danach aussieht, als wäre alles gut bei ihr.
Chris: Cassy?"
Sie schaut auf, als hätte sie gar nicht bemerkt, dass ich mit hier bei ihr stehe. Irgendwie sieht sie so seltsam aus. Ist sie hergelaufen? Ist irgendwas vorgefallen? Ihr Blick sieht so eigenartig aus. Vielleicht betrübt, verwirrt, aufgelöst.
Chris: Ist irgendwas passiert?"
Auch wenn sie mit den Kopf schüttelt, dass sie es so zögernd macht, zeigt mir, dass sie gerade lügt. Dabei weiß ich aber, dass ich nicht nachfragen muss. Niemals im Leben würde sie mir die Wahrheit sagen, wenn sie es nicht eigenständig will.
Chris: Kann ich was für dich tun?"
Cassy: Ich gehe wieder rauf, in mein Zimmer. Ich...möchte einfach nur allein sein, Chris."
Das einzige, was ich tun kann, ist nicken. Ich könnte sie zu nichts anderen überreden und ich versuche gar nicht erst rauszufinden, was passiert ist. Ob sie sich zerstritten hat mit jemanden, ob was vorgefallen ist oder ob sie was rausfinden musste, was sie nicht wollte.
Chris: Sollte etwas sein, ich bin hier unten."
Cassy: Musst du nicht noch zu Andreas?"
Chris: Ist nicht so wichtig. Ich bleibe heute zu Hause."

Ein letztes Nicken und danach geht sie ihren Weg hoch in eines ihrer Zimmer. Ich schaue ihr nach und seufze danach leicht. Hätte ich als Vater nachfragen sollen? Hätte ich mehr mit ihr reden sollen? War es okay, dass ich sie einfach hab gehen lassen? Manche Sachen werden niemals einfacher. Und je älter sie wird, desto aufgeschmissener bin ich bei solchen Dingen. Mit vielem kann ich selbst nicht umgehen, vieles habe ich selbst nicht gehabt durch Sarah oder die kleine Cassy. Wieder ein Problem des jungen Vaters Christian.

Von der Seite, aus dem Wohnzimmer heraus, kommt Stitch getapst. Bis eben lag er dort auf dem Sofa und hat tief geschlafen. Das sieht man ihm an. Jetzt allerdings schaut er zuerst zur Treppe und im Anschluss zu mir hin.
Chris: Ich denke, dass sie dich gebrauchen kann, kleiner."
Sonderlich geschickt war er noch nie darin die Treppen raufzulaufen und ich denke, dass er darin auch nicht mehr besser wird. Vielleicht, wenn er noch etwas wachsen würde. Damit ich nicht weiter stumm im Raum stehen würde, gehe ich wieder zurück zu meinem Arbeitsplatz und setze mich wieder vor meinem Mac. Die letzten Sätze, die wirklich kompletter Unsinn sind, kann ich wieder löschen und nochmal von vorne beginnen. Vielleicht hätte ich reden sollen, irgendwas sagen können. Hätte Cassy das gewollt? Vermutlich nicht. Auch wenn ich meine Sätze und die letzten Einheiten eintrage, immer wieder schaue ich zur Treppe hin und denke an sie. Was hatte sie in der Dreiviertelstunde getan, wo sie unterwegs gewesen ist?

Bolin lebt nicht mal hier im Ort. Zu dem kann sie nicht gelaufen sein, er hätte einzig zu ihr kommen können. Aber warum hätte er dann nicht reinkommen sollen? Er kennt uns seit so vielen Jahren, das kann es kaum sein. Von vielen anderen Freunden würde ich nichts wissen. Sie hat die Mädels im Verein, mit denen trifft sie sich aber einzig mal nach einem Spiel. In der Schule ist sie viel bei Bolin und ich denke, dass sie nicht sehr viel mehr Kontakte geknüpft hatte. Wobei, ich weiß, dass sie sich oft mit dieser einen Truppe trifft, bei der ich kein sonderlich gutes Gefühl habe. Ich kenne kaum einen von denen, da die meisten älter sind als sie, aber Bolin ist immer da. Wird es aber auch kaum sein. Ist irgendwas mit ihrem Freund? Ich habe öfters auf ihrem Handy gesehen, dass sie irgendeinen Namen mit einem Herz eigespeichert hat. Ich habe mich nicht getraut nachzufragen, wer das ist. Wenn es damit was auf sich hat?

Der Tag zieht an mir vorbei. Wenn ich vor den Plänen sitze, eine Playlist laufen haben und generell wenig gestört werde, versinke ich auch vollkommen darin. Etwas später als üblich habe ich mich daher ums Abendessen gekümmert und habe einmal nach Cassy gerufen, damit sie Bescheid wissen würde. Der einzige, der aber zu mir kam, war ihr Kater Stitch, der auch auf sein Abendessen wartet.
Chris: Vermutlich hat Cassy nicht vor runterzukommen, oder?"
Sein kleines Köpfchen legt er etwas zur Seite, bevor er einmal leise miaut. Einen Moment lache ich stumm, bevor ich zuerst Stitch etwas in seine Schale gebe, damit ich danach auch Cassy etwas auf einen Teller geben kann, wonach ich die Treppen zu ihren Zimmer raufgehe. Ich bin fast nie hier oben. Ich denke, sie würde auch nicht wollen, dass ich in ihr Reich eindringe. Da alle anderen Türen offen stehen, denke ich, dass sie in ihrem Schlafzimmer sein wird. Bevor ich reingehe, klopfe ich einmal und bekomme nur ein fast stummes Geräusch als Antwort, woraufhin ich reingehe. Cassy liegt auf ihrem Bett und schaut an die Decke, hat eine Serie auf ihrem Fernseher laufen.
Chris: Ich habe Abendessen gemacht, aber du bist nicht gekommen. Ich stelle dir den Teller einfach auf den Tisch."

Eine Antwort bekomme ich nicht und ich hatte sie auch nicht erwartet. Der Teller steht auf dem kleinen Tisch und ich will wieder gehen.
Cassy: Danke...Chris..."
Ich lächle nur leicht, bevor ich das Zimmer verlasse...

Nameless to YouWo Geschichten leben. Entdecke jetzt