Sicht von Chris...
Eine kurze Stunde, bis ich für die letzte Show des Jahres fertig gemacht werde und ich habe mal wieder vergessen, dass ich den Technikern noch was schicken muss. Kein "ich könnte denen das schicken", nein, ich muss, weil eine ganze Nummer sonst gar nicht funktionieren würde. Perfektes Management, Christian. Sowas kann auch nur dir immer wieder passieren.
Bevor ich in meine Kabine stürmen würde, werfe ich einen letzten Blick auf mein Handy. Christina hatte sich vorhin nur einen Moment gemeldet, dass sie wieder auf dem Gelände ist, sich aber schlafen legen würde bis zur Show. Sie würde schon rechtzeitig wieder da sein. Bei ihr muss ich mir da auch keine Sorgen machen, anders bei mir. Während ich in die Kabine gehe, stecke ich das Handy wieder weg und gehe rein, nur damit ich nach wenigen Schritten starr stehenbleibe und versuche gar kein Geräusch mehr von mir zu geben. Als ich sagte, dass du dich in der Kabine schlafen legen kannst, meinte ich damit nicht meine. Meine Tochter liegt auf dem kleinen Sofa und das nicht seit eben, da sie wirklich tief und fest eingeschlafen ist. Dabei sieht sie auch zu friedlich aus, als dass ich auch nur im Ansatz genervt sein könnte. Okay, dein Mac liegt auf dem Tisch, den nimmst du dir einfach mit und gehst für die Stunde zu Andreas. Wird schon schief laufen.
Gesagt, getan. Auf sanften Schritten gehe ich zum Tisch, greife nach meinem Mac, nehme den mit, damit ich wieder meine Kabine verlassen und den Gang weiter zu meinem Bruder laufen kann. Währenddessen lasse ich den bereits hochfahren und komme bei seiner Tür an, bei der ich kurz klopfe. Nach dem kurzen Laut, was er von sich gibt, öffne ich die Tür und gehe rein. Bekomme dabei auch genau den Blick von meinem Bruder, den ich erwartet hatte. Er ist komplett verwirrt.
Ich hingegen lasse hinter mir die Tür zufallen, gehe zu seinem Tisch, den er gerade noch nicht in Gebrauch hat und setze mich mit den Mac daran, damit ich arbeiten kann.
Andreas: Habe ich etwas verpasst?"
Chris: Sorry, ich...muss den Technikern noch etwas zuschicken, was ich vergessen habe und in meiner Kabine schläft Christina gerade."
Andreas: Wieso nicht im Bus?"
Chris: Habe mich scheinbar etwas missverständlich ausgedrückt, als ich nur von einer Kabine gesprochen hatte. Störe ich gerade sehr?"
Über die Schulter schaue ich zu meinem Bruder und hoffe einfach, dass er mich für die eine Stunde aufnehmen kann. Sein zuerst schwaches Lachen und danach ausreichendes Nicken bestätigen mir das, sodass ich mich wieder an meinen Bildschirm hänge.
Andreas: Geht es um die neue Nummer?"
Chris: Ja. Ich habe vollkommen vergessen, dass wir dort nochmal was geändert hatten in der letzten Probe. Ich habe Levi dann gesagt, dass ich ihr das noch zukommen lasse, aber das ist irgendwie untergegangen."
Andreas: Dabei fand ich, dass die Nummer gestern schon gut lief..."
Ich nicke nur verkrampft, da wir dort einmal nicht einer Meinung sind.
Andreas: Ich habe gesehen, dass Cassy in den letzten Tagen viel mit Karina gemacht hat."Ich kann sie nicht leiden. Es liegt nicht daran, dass sie mich vor einigen Wochen, als wir uns eine Zeit bereits kannten, auch schon einige Stunden aufeinander gehangen haben, da wir proben mussten, gefragt hat, ob wir mal was unternehmen könnten, eine Art Date. Es liegt daran, dass sie mir seitdem immer wieder zu anhänglich und aufdringlich wird. Wie deutlich soll ich ihr denn noch sagen, dass ich gerade nur für meine Tochter da sein will und dass ich auch keine Lust habe, jemanden zu daten. Geschweige jemanden von der Arbeit. Das bringt immer nur Probleme mit sich.
Meine Hände nehme ich für einen Moment von der Tastatur mit, als ich in den Anschreiben an Levi den Namen meiner Tochter gesetzt habe. Zu viel über was ganz anderes nachgedacht.
Chris: Ich kann sie nicht leiden, Andreas. Sie nervt mich immer wieder und es ist nur eine Frage der Zeit, bis das gesamte Klima darunter leiden wird."
Andreas: War auch nicht gerade unauffällig, dass du sie nicht magst. Sie ist nur für die ersten Blöcke bis Mitte Februar eingeplant. Ich habe schon eine Schalte gesetzt, dass wir jemand anderen suchen."
Chris: Danke."
Nachdem der Name getauscht wurde und die Mail mehr oder weniger ausführlich beendet wurde, kann ich sie abschicken und erstmal durchatmen.
Andreas: Da nicht für. Bringt uns am Ende auch nicht weiter. Warum sie gerade so viel mit Cassy unternimmt?"
Als hätte ich eine Antwort darauf. Ich zucke mit den Schultern und drehe mich im nächsten Moment wieder zu meinem Bruder.
Chris: Keine Ahnung, Christina redet davon nicht viel. Nur von den Dingen, die sie in den letzten Tagen alle gesehen hat. Die Tour holt sie gerade sehr aus ihrem Leben."Ich sollte mich für sie freuen, das weiß ich. Aber innerlich geht das nicht. Jeden Tag habe ich immer wieder gesehen, wie fasziniert sie von all dem ist, was diese Großstädte zu bieten hatten. Alles, was sie in den ganzen Jahren nie gesehen hat, weil sie Herford nie verlassen hatte. Dass sie sich gerade so wohl in dem ganzen fühlt, macht mir Angst. Ihr Fernweh macht mir Angst.
Kurz schaue ich zum Boden und überlege, ob ich meine Gedanken mit meinen Bruder teilen sollte. Als ich aufschaue, bekomme ich mit, dass er bereits etwas erwartet.
Chris: Ich habe Angst, dass ich sie verliere, Andreas. Ich habe sie gerade erst wieder."
Andreas: Warum denkst du das?"
Chris: Du hast nicht gesehen, wie sie auf alles reagiert hat, was sie bisher gesehen und erlebt hat, seitdem wir aus Herford raus sind. Was sollte sie nach dem Abitur bitte noch in dem Ort halten, wo sie sichtlich raus will?"
Andreas: Ihr Vater."
Ich bringe ein kurzen Lachen hervor, da es das letzte ist, was ich denken würde. Auch wenn das zwischen uns wieder ganz gut läuft, ich denke nicht, dass sie mich vorziehen würde.
Andreas: Vielleicht will sie raus, das wolltest du mit 16 auch. Da warst du für ein paar Monate in Frankreich. Vielleicht braucht Cassy das auch."
Chris: Christina...ihr Name ist Christina. Und...vielleicht hast du irgendwo recht. Aber ich kann und will sie nicht nochmal verlieren. Die letzten Jahren waren dafür schon schlimm genug, aber ich weiß, dass ich sie nicht zum Bleiben zwingen kann...
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Nameless to You
Fanfiction»Es heißt immer, dass alles im Leben einen bestimmten Grund hat, aber manchmal würde ich diesen nur zu gerne wissen!« Ein anfangs normaler Herbsttag im November zerstört in diesem Fall eine gesamte Familie und keine erbrachte Mühe scheint das Ausmaß...