Kapitel 79

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Wenn meine Mädels vom Fußball jetzt wissen könnten, was ich gerade vor mir liegen habe, würden sie mich darum beneiden. Wo ich Dienstag noch allein in Frankfurt unterwegs gewesen bin, da mein Vater anderweitig Termine wahrnehmen musste, konnte ich heute mit ihm gemeinsam zum Stadion gehen. Ich gehen die Flure hinab, wo normal die Spieler entlang laufen.

Kurzen Fangirlmoment gehabt – ich bin nicht mal für Frankfurt, mein Vater hat mich als Kind mit dem BVB infiziert – aber es geht hier ums Prinzip! Während ich versuche so viele Eindrücke wie möglich aufzunehmen, wie oft ist man denn in einem Stadion derartig unterwegs, muss ich zugleich meinem Vater nachkommen, damit er mich hier nicht abhängt. Dieser läuft nämlich ziemlich schnell und direkt die Flure hinab und weiß scheinbar genau, wo hier was ist und wo er gerade gebraucht wird. Ich hingegen bin froh, wenn ich hier wieder rausfinde. Einige der Arbeiter, die für diese Aufzeichnung mit hier sind, laufen uns entgegen und bringen mich immer wieder dazu, dass ich ausweichen muss. Natürlich, den Chef lassen sie einfach durch und mich können sie ja beim Laufen behindern. Einmal werde ich dabei auch fast komplett von meinem Vater getrennt, der komplett in Gedanken den Gang zum Innenraum läuft und ich wurde durch irgendwelche Traversen aufgehalten und durfte stehenbleiben.

Da das Rufen nach ihm nichts bringt, dafür ist der komplett weg mit seiner Aufmerksamkeit, laufe ich ihm schnell nach und bevor mich irgendjemand wieder blockiert und von ihm trennt, greife ich nach dem Ärmel seiner Jacke und bringe ihn dazu, dass er erst langsamer wird und dann komplett stehenbleibt. Sein Blick, dass er verwirrt ist, dass ich ihn jetzt so gestoppt habe und zugleich sein Lachen, dass ich wirklich eine Art von Angst habe, ihn hier zu verlieren, sagt alles.
Chris: Alles gut bei dir?"
Christina: Ich werde immer wieder hier aufgehalten. Dich stoppt man ja immerhin nicht, aber ich werde von A nach B gelotst, irgendwas wird vor mir hin oder hergeschoben und ich verliere dich dann hier immer wieder."
So typisch für ihn muss er anfangen zu lachen. Ich hingegen meide seine Blicke und schaue mich im Gang um, wo weiterhin allerhand transportiert wird. Ich mag zwar 19 Jahre alt sein, aber trotzdem darf ich mich hier nochmal wie ein kleines Kind fühlen. Bevor er seinen Weg weitergeht, nimmt er meine Hand und geht danach weiter. Okay, das meinte ich zwar auch nicht, aber immerhin erfüllt es seinen Zweck. Da man den Chef nicht behindern will, werde ich somit auch durchgelassen und verliere ihn nicht, sodass wir dann endlich im Innenraum und in der Nähe der Bühne ankommen.

Andreas begrüßt uns beide, als er uns mitbekommt, was auch einen Moment gedauert hat. Gerade will jeder irgendwie alles von beiden wissen und offensichtlich haben beide zwar einen Plan, aber auch sie verzweifeln etwas. Vor der Bühne schaut mein Vater nochmal zu mir und wartet, bis ich nicke, damit er danach meine Hand wieder loslässt, sodass ich dort stehenbleibe und er zu seinen Bruder aufschließen kann.

Eine Zeit schaue ich zu beiden hin, wie sie wieder mit ihrer Crew sprechen, in einige Unterlagen und Pläne schauen, bevor sie die letzten Sachen klären, die zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht komplett stehen. Danach verliere ich meinen Blick in den Rängen, in der gesamten Größe dieses Stadions und in den Gedanken, dass ich das niemals könnte. Und mein Papa tritt hier am Samstag auf der Bühne auf.
Sina: Auch endlich hier?"
Sina legt ihre Hände auf meine Schultern, erschreckt mich daher kurz, bevor ich etwas lachen kann, als ich sie ansehe. Im Gegensatz zu mir scheint sie ausgeruht und sie hat offensichtlich auch komplett Lust auf das, was hier am Samstag stattfindet. Die gesamte Zeit, die sie eben noch hinter mir und jetzt neben mir steht, lächelt sie mich an und wartet scheinbar auf meine Reaktion. Ihr Lächeln ist süß...
Christina: Papa und ich sind hier eben angekommen. Er war ja gestern schon hier, da war ich etwas in Frankfurt unterwegs, da standen bei ihm ja nur Termine an."
Sina: Ich wollte mir heute auch noch etwas Frankfurt anschauen, da die Proben für mich erst morgen anfangen. Heute haben sie noch den letzten Aufbau und die Proben für sich."
Christina: Ich habe gestern echt einen sehr schönen Spot gefunden. Wenn du magst, dann kann ich dir den zeigen."
Sina: Ich würde mich freuen. Etwas Gesellschaft ist nie schlecht."

So viel zu meinem Ich will einfach allein sein und erst recht nichts mit der Arbeiterin meines Dads anfangen. Sehr gut Christina! Perfekt! Das letzte Mal ist damit geendet, dass dein Vater über Tage dir Beistand leisten musste und das hier läuft auf genau die gleiche Weise hinaus. Du wolltest Sina von dir weghalten, damit sowas nicht wieder passieren würde, aber danach sieht es gerade nicht aus. Warum muss sie es einen aber auch so schwer machen, sie nicht zu mögen?

Sina bemerkt es. Dass ich mich innerlich von ihr abwende und versuche Distanz zwischen ihr und mir aufzubauen, obwohl das jetzt wohl wieder schwerer werden wird. Warum muss ich auch immer wieder ein solcher Idiot sein? Mein Vater schaut zu mir hin und irgendwie denke ich, dass er gerade in den Moment meine Gedanken lesen kann, deswegen will, dass ich zu ihm komme und mir das mit einer Handbewegung zeigt.
Christina: Ich muss nochmal zu meinen Vater gehen."
Sina: Klar, in einer Stunde vor dem Haupttor?"
Kann ich noch nein sagen, ohne, dass ich wie ein komplettes Arschloch wirke? Der Zug ist abgefahren, jetzt muss ich da durch und vielleicht ist das der beste Weg.
Christina: Klingt gut, bis später."

Kein Blick mehr, kein weiteres Wort, ich gehe sofort zur provisorischen Treppe, wo gerade in Teilen die richtige aufgebaut wird für die Show, und schaffe es dadurch zu meinen Papa.
Chris: Was ist los mit dir?"
Andreas lenkt sich mit den Arbeitern ab und schafft uns beiden dadurch einen kurzen Moment, wo wir beide für uns sind.
Christina: Ich habe Angst, dass mit Sina das gleiche passiert, wie mit Karina. Ich will das nicht."
Chris: Dich verlieben oder verletzt werden?"
Kannst du bitte nicht immer recht haben! Meine Arme verschränke ich vor meinen Körper und schaue von ihm weg. Meine beleidigte Art, dass er genau den richtigen Nerv getroffen hat, kennt er nur zu gut. Auch etwas, was von Mama kommt.
Chris: Sag ihr das, sprich es an."
Christina: Was?"
Verrate dich komplett, dass du eigentlich wieder verloren hast. Dass du sie etwas mehr als nur magst eventuell.
Chris: Wie soll sie wissen, wie es dir damit geht, wenn du es nicht sagst? Wenn du gerade keine Lust auf irgendwas ernstes hast, kommuniziere das so. Dass du Abstand brauchen könntest oder dass sie dir sagen soll, was sie von dir will. Sie jetzt aber auch so zu behandeln, wie du es gerade machst, ist ihr nicht fair gegenüber."

Das ist ihr gegenüber nicht fair...dieser Satz hatte sich gestern schon so massiv bei mir eingebrannt, als Mama das über mich geschrieben hatte. Und will ich, dass es Sina so ergeht? Dass sie unter meinen dummen Entscheidungen und Ängsten leiden muss und dass ich sie immer wieder hängen lasse und im nächsten Moment Hoffnung geben? So jemand will ich nicht sein, auch wenn mir die Lösung dafür nicht gefällt...

Nameless to YouWo Geschichten leben. Entdecke jetzt