Epilog

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Sicht von Christina

Am Samstag, den 23. September 2023, bin ich wieder in einer Arena in Frankfurt am Main. Nicht im Stadion, aber wieder bei einer wichtigen Show meines Vaters und Onkels. Heute Abend ist noch die letzte Aufzeichnung ihrer Show Wunderzeit und das heißt für uns alle eine Menge Arbeit.

In den vergangenen sieben Jahren ist so viel passiert, dass es eigentlich wieder eine Geschichte für sich sein könnte. Im September 2016 habe ich die Ausbildung in der Firma meiner Familie begonnen. Die Mischung aus Praxis und Theorie war zu Beginn echt gewöhnungsbedürftig, aber mit etwas Zeit habe ich das auch hinbekommen und habe mit jeden weiteren Monat, wo ich in einen der anderen Gewerke war, auch mehr Spaß daran gefunden. Zentral habe ich viel mit den Meistern gearbeitet und wenig mit meinen Vater oder meinen Onkel. Aber auch so konnte ich spüren, dass beide anstrengende Chefs sein können. Auch wenn ich die Tochter bin, von allen wurde ich ganz normal aufgenommen, ich konnte einige Freundschaften schließen und habe dann nach drei Jahren die Ausbildung abgeschlossen und bin dort geblieben. Es ist das, was ich wollte. Ich bin bei meinem Vater in der Nähe und arbeite etwas, was mich erfüllt. Ich komme aus Herford raus und das, was diese Shows ausmacht und was man den Zuschauern präsentieren kann, ist besser als alles andere, was ich mir hätte vorstellen können. Kurz: Ich bereue zu keinen Zeitpunkt, dass ich die Ausbildung gemacht habe.

In der Zeit zwischen Abschluss und Ausbildungsbeginn habe ich viel Zeit mit Sina verbracht, bis wir auch damals offiziell zusammen gekommen sind. War keine Überraschung für irgendjemanden, aber mich hat diese Beziehung sehr glücklich gemacht. In dieser Zeit, wir waren etwas über ein Jahr zusammen, hatte mein Vater mir an einen Abend auch total schüchtern sagen müssen, dass er in letzter Zeit oft mit einen Mann aus war und dass die beiden in einer Beziehung wären. Daniel war nach einiger Zeit das erste Mal bei uns und für meinen Vater war er wirklich alles, was ich auch immer gemerkt habe. Und ich konnte mich auch nicht beschweren, da er auch zu mir sehr gut war. Die schlimmste Zeit für mich und meinen Vater war aber wohl 2019, kurz nach dem zweiten Stadion, als Faszination vorbei war und ich meine Ausbildung beendet hatte. Sina hatte in den drei Jahren keinen guten Anschluss gefunden und sah Enger nicht als neue Heimat an. Sie wollte wieder weg, aber ich nicht. Ich habe hier in Herford meine Familie und mein zu Hause gefunden, sodass wir uns an den Tag trennten, als sie das letzte Mal die Halle verlassen hatte. Und etwa zu dieser Zeit hatte mein Vater das mit Daniel beendet, da sie mit der Zeit merkten, zu verschieden zu sein. Man wollte dort wirklich nicht bei uns beiden zu Hause sein, weil es uns beiden einfach nur schlecht ging.

Wenn wir den Liebeskummer von uns beiden aber mal wegdenken, ist zwischen meinem Vater und mir ein starkes Band gewachsen. Neben der Tatsache, dass wir zusammen arbeiten, wurde zu Hause auch alles immer besser. In der ersten Sommerpause habe ich ihn dazu überredet, dass wir seine Zimmer mal fertig einrichten und uns von den Dingen trennen, die uns nur schlechte Erinnerungen bringen. Auch wenn es eine große Überwindung gewesen ist, schlussendlich hat es uns geholfen, damit wir alles, was war, hinter uns lassen können. In der freien Zeit haben wir viel zusammen unternommen. Die Urlaube, die wir nie hatten, habe wir nachgeholt, waren auch mal mit Andreas unterwegs und haben viele neue und vor allem schöne Erinnerungen gesammelt. Die Feiertage wurden immer leichter, je mehr Zeit verstrich, aber ich habe ein gesundes Maß gefunden, wie ich mit meiner Vergangenheit umgehen kann. Dass ich meine Mutter so akzeptieren muss, wie sie eben war und dass ich sie zwar hassen kann, aber es bringt mir nichts. Meine Familie ist zwar klein und auch ein wenig kaputt, aber auch gut. Sehr gut sogar.

Von Levi, die neben mir ihren Platz hat, werde ich wieder mit einem Papierschnipsel abgeworfen, damit ich von meinem Mac aufschauen würde. Kann ich was dafür, dass mein Vater noch immer alle Infos zu spät los schickt?!
Christina: Ich versuche zu arbeiten."
Mein Lachen verrät, dass ich es nicht ernst meine und darauf folgt nur ein Weiterer Ball, dieses Mal allerdings von Phil. Ich bin immer abends in den Schichten mit denen eingeteilt, lasse die Show also laufen, wobei ich hauptsächlich bei der Lichttechnik abhänge.
Levi: Merken wir, Chef will was von dir."
Den dämlichen Sender überhöre ich immer. Levi vergisst ihn überall und ich höre den einfach nicht, aber darauf werde ich immer hingewiesen. Also nehme ich das Ding in die Hand und gebe endlich die Antwort, dass ich da bin. Welcher Chef ist es denn?
Chris: Ich wollte nochmal aufs Zimmer gehen. Die anderen sollen auch Pause machen, Levi muss gleich einrauschen und dann passt alles."
Christina: Da komme ich mit. Bin unterwegs, Papa."
Zum Schluss den Sender noch ausschalten und wieder in die Ladestation legen, bevor ich aufstehe und meinen Mac sperre.
Phil: Du weißt schon, dass du nur für Arbeitsgespräche da sind."
Christina: Sag das dem Chef und nicht mir."

Zum Schluss greife ich nur nach meiner Jacke und lasse eine lachende Levi zurück, die sich bereits damit abgefunden hat, dass mein Vater das immer wieder zwischendrin macht. Ist für ihn einfacher, als zwischen Bühne und FOH hin und her zu laufen. In vier Stunden ist Einlass, aber etwas Zeit ist noch. Heißt, dass ich mit meinen Vater noch was essen und mich danach für die Show fertig machen kann. Ein paar Arbeitssachen, die nicht komplett verdreckt sind, wären ganz gut.

Hinter der Bühne steht mein Vater bei seinem Bruder. Vermutlich möchte Andreas auch nochmal einen Moment gehen und mit seiner Frau telefonieren, so wie oft. Als beide mich bemerken, nehmen auch sie ihre Jacke zur Hand.
Chris: Wollen wir dann schnell gehen?"
Christina: Wenn zurück ins Hotel auch bedeutet, dass wir noch was essen können. Das Mittagessen musste ich aufgrund der mehr oder weniger guten Planung der Chefs ja ausfallen lassen."
Andreas: Solltest dich doch mittlerweile daran gewöhnt haben."
Ich muss lachen, da das tatsächlich öfter passiert, als es uns allen vermutlich lieb ist. Erst recht meinen Vater, da er weiß, wie das für ihn ist und was das auch für mich bedeutet.
Andreas: Wie läuft die Meisterschule?"
Christina: Sehr gut. Die Veranstaltung hier ist auch sehr förderlich, würden manche Pläne nicht immer erst am letzten Abend ankommen."
Der gespielt patzige Blick meines Vaters und das Lachen von Andreas machen mich glücklich und zeigen mir immer wieder, dass das hier richtig ist.

Mit 18 hätte ich alles getan, damit ich mein Leben gegen das eines anderen eintauschen kann. Alles, was zu mir gehörte, war eine Illusion, die ich in all den Jahren schuf, bis ich sie selbst geglaubt hatte. Zum Schutz vor der Wahrheit. Heute, mit 26 Jahren, will ich niemals wieder etwas anderes haben als das, was jetzt zu mir gehört. Ich hätte nie gedacht, dass ich das mal sage, aber ich liebe mein Leben und das, was ich mir zusammen mit meinen Vater aufgebaut habe. Ein wahrgewordener Traum, aus dem ich niemals wieder aufwachen will...

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Nach nur knappen drei Monaten findet die Geschichte »Nameless to You« ihr Ende. Ein Dank an alle, die auch hier wieder aktiv gelesen haben, es freut mich immer, wenn es scheinbar jemanden zu gefällt.
Definitiv habe ich bereits Ideen für die nächste Story und ein paar wenige Kapitel konnte ich bereits anfangen zu schreiben, allerdings wird sich in meinem Leben jetzt in der kommenden Zeit viel Verändern. Ich ziehe in eine neue Stadt, beginne dort ein Studium und weiß daher nicht, wie genau ich das mit der Zeiteinteilung schaffen werde.
Trotzdem werde ich versuchen, dass am 01. Dezember das erste Kapitel von »More Than a Deal« veröffentlicht wird, seht es mir aber nach, sollte sich da was ändern.

Bis dahin nochmals vielen Dank und ich hoffe, dass man sich im Dezember zur Vorweihnachtszeit auch hier wiedersehen wird.
Bis bald, Nable

Nameless to YouWo Geschichten leben. Entdecke jetzt