Nameless to You

Kapitel 81

In 27 Stunden stehen mein Vater und Onkel dort auf dieser riesigen Bühne und präsentieren ihre Show vor fast 40.000 Menschen. In der letzten Nacht habe ich Papa gegen vier Uhr morgens im Hauptzimmer des Hotels gefunden, weil er nicht zur Ruhe gekommen ist. Ich war etwas bei ihm, bis er gegen fünf dort wieder eingeschlafen ist. Ich wünsche beiden nur das Beste und ich weiß, dass sie das schaffen werden.

Die letzten Proben laufen gerade noch, dafür habe ich es mir im Innenraum auf einen der Plätze bequem gemacht und schaue mir einige Teile der Illusionen an. Zuletzt hatten sie die Illusion „Dream" geprobt, wo Sina mit auf der Bühne steht. Und jetzt aktuell gehen sie die Schritte der „Todessäge" durch, die ich zwar lieben will, aber manchmal einfach hasse. Entweder kommt mein Vater nach dem Verschwinden vom Rand der Bühne wieder, was der Normalfall wäre, oder er erlaubt sich wieder einen Spaß und kommt durch irgendwelche Seitengänge, damit er mich mal wieder erschrecken kann. So wie auch jetzt.
Christina: Ich hasse dich, wenn du das machst!"
Jeder muss lachen, nur ich gerade nicht. Ich habe keine Ahnung, wie oft er das mittlerweile durchgezogen hat und frage mich, ob es nicht langweilig wird, aber scheinbar macht es ihn sehr viel Spaß seine Tochter immer wieder zu erschrecken. Als ich nach seinen Armen greife, zieht er mich einzig auf die Beine, damit ich nicht weiter auf meinen Platz bleibe.
Chris: Wir machen etwas Pause mit den Proben. Die Technik hatte noch ein paar Fragen."
Christina: Bin ich morgen wieder bei denen?"
Ich habe das Gefühl, dass er mir zuerst nicht die Wahrheit sagen will, aber da wir beide wissen, dass wir beide nicht lügen können, entscheidet er sich dagegen.
Chris: Sylvia und meine Mutter sind morgen mit hier und sitzen oben auf einen der Ränge. Ich denke, dass du mit da sein solltest."
Einfach nicht hinterfragen, stur lächeln und winken.

Als ich das erste Mal wieder auf mein Handy schaue, sehe ich, dass es 16 Uhr bereits ist. Papa wird von der Crew abgelenkt und ich schleiche mich so unauffällig wie möglich davon, damit ich hinter der Bühne ankomme und die Flure runterlaufen kann. Eigentlich mache ich es nicht besser, da ich ihren Tagesablauf auch zu gut kenne. Mittlerweile werde ich nicht mehr von jedem aufgehalten, wenn ich die Flure runterlaufe, nur einige wenige machen es, sollte es dringend nötig sein.

Die Kantine ist zu diesem Zeitpunkt immer ziemlich leere, nur einige wenige Arbeiter setzen sich zu der Zeit hier hin. Aber an einen der Tisch sitzt die Person, zu der ich hin wollte. An den anderen schiebe ich mich vorbei, entschuldige mich kurz, damit ich dann mit an den Tisch komme und ihr gegenüber sitze.
Christina: Ich geselle mich mal dazu."
Sina schaut sichtlich überrascht auf, wendet ihren Blick danach aber wieder schnell in ihr Essen, damit ich ihre Reaktion dazu nicht mitbekommen könnte.
Sina: Sehr gerne, Christina."
Für einen Moment atmet sich durch, bis sie ihren Kopf wieder anhebt und mich anlächelt. Dieses Mal sieht sie auch genau so aus, als käme sie gerade von der Arbeit. Irgendwelche lockeren Klamotten, dazu ihre Haare mehr oder weniger ordentlich hochgebunden und ihre Augenringe kann man heute auch sehen.
Christina: Hast du jetzt noch was zu tun?"

Ich weiß nicht, ob sie mich skeptisch oder verwirrt versucht anzuschauen. Ich weiß selbst, dass das zwischen uns gerade sehr seltsam ist, aber ich war dafür, dass wir einander nochmal richtig kennenlernen.
Sina: Ich wäre gleich ins Hotel gegangen, weil ich für heute keine Proben mehr habe. Nur die Generalprobe morgenfrüh. Wieso fragst du?"
Christina: Ich wollte heute Abend nochmal weggehen und habe in der Nähe des Hotels eine süße Bar gefunden. Ich wollte dich fragen, ob du mitkommst?"
Ihr glückliches Lächeln sehe ich sehr gerne. Immerhin kannst du dir jetzt die ganzem Sachen eingestehen. Ausnahmsweise verstecke ich mich auch nicht hinter meiner Nervosität oder muss zwangsmäßig mit meinen Händen irgendwas machen. Nein, scheinbar geht es diesmal aber Sina so.
Christina: Also ich trinke zwar keinen Alkohol, aber mein Dad ist bis mitten in der Nacht noch hier und ich will noch etwas hier machen."
Eventuell rede ich mich aber auch nervös heraus. Immerhin bringe ich Sina dadurch zum Lachen und entspanne alles ein wenig.
Sina: Gut zu wissen. Um wie viel Uhr willst du gehen?"
Christina: 20 Uhr vor dem Hotel?"
Sina: Ich werde da sein."

Ein letztes freundliches Lächeln von meiner Seite, bevor ich dann wieder vom Platz aufstehe und die Kantine verlasse. Mein Weg führt mich zuletzt noch in die Kabine meines Vaters, da ich mir wieder etwas von ihm leihen will. Ich dachte, dass er gar nicht da ist und es nicht bemerken würde, aber leider sitzt er dieses Mal dort auf seinem Platz und arbeitet etwas an seinem Mac.
Chris: Wo kommst du denn plötzlich her?"
Christina: Du weißt doch, ich und diese etlichen Gänge hier."
Papa kann darüber lachen. Entweder kauft er es mir ausnahmsweise ab, oder er hat gleich gemerkt, dass ich ihn anlüge. Beides möglich.
Christina: Ich wollte mir nochmal deine Jeansjacke leihen, wenn das okay ist."
Jetzt dreht er sich langsam auf seinem Stuhl um und schaut fragend zu mir hin. Ich hingegen versuche unauffällig zu wirken, was so mehr oder weniger funktioniert und zeige auf die Jacke, die ich mir Dienstag bereits genommen hatte.
Chris: Hast du heute noch etwas vor?"
Kannst du aufhören mich so derartig anzulächeln, als würdest du es bereits wissen!? Ich schüttle einfach meinen Kopf und greife vorsichtig danach.
Christina: Ich will noch kurz was einkaufen, gehe ins Hotel und heute Abend noch etwas raus. Nur im Zimmer allein wird es etwas einsam."

Mein Vater nickt und wendet sich im Anschluss wieder an seine Arbeit, die er noch erledigen muss. Ich nehme mir erleichtert die Jacke, die ich haben wollte und will danach auch gleich wieder seine Kabine verlassen.
Chris: Liebe Grüße an Sina."
Für ihn gar nicht mehr sichtbar zucke ich kurz zusammen und höre danach sein freches Lachen. Grottenschlechte Lügnerin eben, Christina.
Christina: Richte ich aus...