Nameless to You

Kapitel 49

Dann sitzen wir beide im Auto und sind auf dem Weg nach Bünde, damit es gleich los gehen kann. Christina sitzt dabei still neben mir auf dem Beinfahrersitzt, schaut auf die Straßen und ich fahre uns und versuche währenddessen nicht die Nerven zu verlieren.

Für mein Empfinden kommen wir zu früh bei der Halle an. Es heißt einfach nur, dass du es deinem Bruder irgendwie sagen musst und dass das hier wirklich passiert. Als ich den Motor abstelle, schaut Christina wieder zu mir hin und lächelt.
Christina: Wir sind sogar etwas zu früh hier."
Chris: Dass das mal passieren könnte..."
Um aus der Situation zu entkommen, verlasse ich als erstes das Auto und lasse hinter mir die Tür zufallen. Meine Tochter macht es mir gleich und kommt auch zum Kofferraum, damit sie sich ihre Tasche holen kann.
Christina: Alles gut bei dir?"
Wir sind beide so schlechte Lügner. In der Nähe kann ich meinen Bruder noch nicht erkennen. Also entweder ist er bereits im Bus, oder er kommt ausnahmsweise mal zu spät.
Chris: Also nur ganz eventuell habe ich meinem Bruder noch gar nicht gesagt, dass du jetzt die Tage mitkommen wirst..."
Christina: Warum das denn nicht?"
Als wir beide unsere Sachen haben, schließe ich den Kofferraum, schließe ab und gehe mit ihr zu dem Bus, wo ich immer drin schlafe.
Chris: Ich bin drüber hinweggekommen und auch wusste ich nicht, wie ich das erklären soll. Das letzte Mal auf Tour und bei der Sendung war der Stand, dass du so wenig Zeit wie möglich mit mir verbringen willst."

Und warum hast du Idiot das wieder angesprochen? Jetzt schaut Christina nämlich bedrückt auf den Boden, versucht so gut es geht neben mir herzulaufen und spricht kein Wort mehr. Wir beide wissen schon, was in den Jahren gewesen ist und das hat mich davon abgehalten, meinen Bruder Bescheid zu geben, dass meine Tochter mit herkommt? Was gebe ich ihr für ein Gefühl dabei? Toll gemacht, Christian. Wirklich super!

Bevor wir beim Bus ankommen, den ich sowieso noch öffnen müsste, bleibe ich stehen, greife nach den Schultern von Christina und stelle sie vor mich hin, was sie auch dazu bringt, dass sie wieder zu mir aufschaut.
Chris: Wir haben vor zwei Wochen etwas beschlossen: Wir wollen einen Neuanfang. Das, was war und was wir beide in den Jahren zuvor getan haben, vergessen wir. Ich hätte es ihm sagen müssen, ich weiß. Es tut mir leid Christina, denn ich freue mich wirklich, dass du mitkommst."
Ihr leichtes Lächeln zeigt mir, dass sie mir das auch glaubt und dass sie es auch hören wollte. Ich hätte es nicht wieder mit meinen Entscheidungen ruinieren müssen.
Chris: Ich habe mir in den ganzen Jahren immer gewünscht, dass du irgendein Interesse an all dem hier zeigen würdest und dich jetzt mitzuhaben..."
Zuvor habe ich bereits alles gesagt, sodass mit mitten im letzten Satz die Worte weg bleiben. Scheinbar stört es meine Tochter aber nicht. Sie nickt einzig nochmal als Zeichen, dass wir es auch so behandeln. Ein Neuanfang und der Rest ist vergessen.

Nachdem ich sie auch nochmal angelächelt habe, lasse ich sie wieder los und wende mich zur Tür, damit ich dort den Code eingeben und uns somit reinlassen kann. Im Bus ist unten nicht mehr viel los und es scheint auch so, als wäre mein Bruder gerade nicht hier anwesend. Für einen Moment müssen wir beide rauf laufen, da dort die Schlafkabinen liegen. Dort oben sind einige wenige aus der Crew, die sich noch für die Nacht fertig machen, die anderen liegen bereits in den Kabinen. Da einige aus der Crew noch nicht für den Block mitkonnten, weiß ich, dass eine Kabine neben meiner gerade frei ist, die ich Christina kurz zeige.
Chris: Komfortabel ist etwas anderes, aber für die Nächte geht es zumeist. Die Sachen kannst du dort an der Seite ablegen, an der Seite hast du ein kleines Licht und eine Lademöglichkeit fürs Handy."
Christina: Das ist weitaus weniger Platz, als ich gedacht habe."
Ich muss darüber etwas lachen. Luxuriös ist es nicht, aber in den Jahren, wo ich das hier jetzt schon mache, gewöhnt man sich irgendwann daran.
Chris: Wenn du dich während des Fahrens schlafen legst, dann musst du dich anschnallen. Erklärt sich von selbst, ich wollte aber, dass du es einmal gehört hast."
Christina: Auf was habe ich mich hier nur eingelassen..."

Während sie sich das wohl immer wieder fragt, während sie ihre Sachen irgendwie verstaut, mache ich ihr das auch gleich, weiß aber, dass ich ein paar Sachen noch wieder mit runternehmen muss. Christina ist etwa zur gleichen Zeit fertig und so gehen wir beide noch für einen Moment nach unten. Wo ist Andreas überhaupt? Die Treppe geht sie etwas vorsichtiger runter, man muss sich an die gewöhnen und läuft mir danach nach zu einen der Plätze, wo wir uns noch setzen können.

Und als hätte ich es mit meinen Gedanken beschworen, hat es sich auf einen der Plätze mein Bruder gemütlich gemacht und schaut die Pläne durch, die ich ihm am Vortag noch habe zukommen lassen.
Chris: Andreas..."
Ich will das so schnell wie möglich hinter mich bringen, damit es einfach weitergehen kann. Mein Bruder schaut auf, lächelt und nimmt mich zuerst einzig wahr. Aber als er einmal hinter mich schaut, sieht er dort meine Tochter.
Andreas: Cassy? Du, hier?"
Chris: Sie wollte sich das einmal anschauen und ich dachte, da aus der Crew gerade sowieso noch einige fehlen, sollte das platztechnisch passen."
Andreas: Aber natürlich."
Für einen Moment steht mein Bruder auf, damit er meine Tochter kurz in Arm nehmen kann. Danach steht sie etwas kleinlaut vor ihm, bis sie ihren Mut zusammennimmt.
Christina: Andreas, ich möchte nicht mehr so genannt werden. Bitte einfach nur Christina, wenn das geht."
Auch wenn es ihn scheinbar etwas verwirrt, er nickt sofort und setzt sich wieder auf seinen Platz und schließt seinen Mac.
Andreas: Natürlich, ich werde versuchen mich zu erinnern. Wollt ihr euch setzen?"

Die Situation wird für uns alle gerade sehr seltsam sein. Ja, ich hätte es ihm sagen sollen, aber vermutlich wäre die Stimmung trotzdem genauso, wie sie jetzt ist. Christina setzt sich neben mich, danach schweigen wir, bis sie das erste Wort ergreift...