Kapitel 77

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Diesen verdammten Koffer will ich gar nicht mehr anstarren, aber ich kann es zugleich auch nicht unterlassen. Der letzte Montag, bevor ich am Samstag mit meinen Bruder in Frankfurt im Stadion unsere Show spielen soll. Um es richtig zu sagen, wir werden das machen und können uns nicht mehr daraus reden. Wenn mein Kopf jetzt mitmachen würde.

Ich bin noch zu Hause in Herford, während mein Bruder bereits gestern Abend nach Frankfurt los ist. Christina und ich sind noch hier, da sie heute die Ergebnisse ihrer Prüfungen bekommt. Danach geht es für uns auch weg von zu Hause. Stitch wird in der kommenden Woche von Bolin versorgt. Meine Familie ist komplett mit bei uns, kann sich daher nicht um den Kater meiner Tochter kümmern und da Bolin uns bereits seit so vielen Jahren kennt, oft hier ein uns aus gegangen ist, haben wir ihn gefragt. Er hatte gleich zugesagt. Nervös sitze ich nun auf dem Sofa im Wohnzimmer und warte auf meine Tochter. Nervös aufgrund der Show und wegen der Ergebnisse von Christina. Neben mir Stitch, der vielleicht irgendwie versucht mich mit seiner Art runterzubekommen, aber ehrlich, ich will diese Woche einfach überstehen und hoffen, dass ich den Samstag genießen kann und mich nicht komplett verliere.

Meine Hände gehen immer wieder über meine Beine, in Gedanken überlege ich, ob ich noch etwas habe liegen lassen, was ich dringend brauche und weiß zugleich, dass ich sowieso in einer Großstadt bin und dass ich dort schon noch das finden könnte, was ich brauche, wenn ich etwas vergesse. Deine Gedanken nehmen kein Ende, Christian. Der Kater schaut von seinem Platz auf, von dem er bis gerade eben mich angestarrt und beobachtet hat und ich stehe deswegen sofort auf. Zumeist heißt es, dass Christina nach Hause kommt und so ist es auch jetzt wieder der Fall. Sie kommt in den Flur und schließt die Tür hinter sich, da stehe ich bereit in der Tür zum Wohnzimmer und erschrecke sie.
Christina: Gott, hast du mir erschreckt."
Sie lacht ein wenig, wobei mir kein Lächeln über die Lippen kommt. Dadurch schaut Christina mich auch wieder ernster an, beachtet ihren Kater gar nicht und versucht mich zu verstehen und meine Gedanken dahinter zu lesen.
Chris: Ich verlier etwas die Nerven, weiß nicht wohin mit meinen Gedanken und habe einfach Angst. Vermutlich ist das normal, aber gebrauchen kann ich es gar nicht."
Christina: Ich bin für dich da."

Ihre Tasche stellt sie auf ihren Boden ab, kommt noch ein paar Schritte näher zu mir und greift nach meinen verkrampften Händen, bevor sie wieder zu mir schaut.
Christina: Es ist mir egal, was die anderen sagen. Das, was ihr da macht, ist unglaublich und ich bin stolz auf euch beide."
Für einen Moment drückt sie meine Hände, danach umarmt sie mich einen kurzen Moment. Ein Moment, der für mich ausreicht. Sarah wollte nichts damit zu tun haben und wollte es mir immer ausreden. Mein Papa hat es nie sehen können, auch wenn er an uns geglaubt hat. Aber meine kleine Christina ist für mich da. Unsere kleine Familie.

Ich nicke leicht, Christina bekommt das mit und lässt mich dann auch wieder los, damit wir einander anschauen können. Ich wage mich an ein Lächeln, was sie erwidert, sodass es sie etwas beruhigt, dass ich nicht jetzt und hier bereits die Nerven verliere.
Chris: Was kam bei dir raus?"
Schritt für Schritt entfernt sie sich weiter von mir, bis Christina wieder bei ihrer Tasche zum Stehen kommt und auch ihren Blick wieder von mir abwendet. Ich hoffe, dass ich jetzt nicht in ein Fettnäpfchen getreten bin.
Chris: Ist irgendwas passiert?"
Bevor ich weiter nachfragen und mich in allem verlieren würde, muss Christina anfangen zu lachen, nimmt aus ihrer Tasche die Mappe, die sie mir reicht und die ich dann annehme.
Christina: Ich habe bestanden."
Ich schau nicht nach, wie sie bestanden hat, sie hat ihr Abitur. Nach einem kurzen Monolog, warum sie mir sowas vormacht, aber danach drücke ich meine Tochter, damit ich danach mir die Ergebnisse anschauen kann.
Christina: Eigentlich alles, wie es zu erwarten war. Ich verlasse die Schule mit einem Schnitt von 2,1."
Chris: Das ist vollkommen gut. Ich bin stolz auf dich, Christina."
Christina: Danke, Papa."
Der Blick von mir schweift ab auf meinen Koffer, der neben uns im Flur bereits steht und danach schaue ich wieder zu Christina hin, die den Hinweis schon versteht.
Christina: Wir wollen vermutlich los. Ich bringe eben alles rauf, hole meine Sachen, füttere Stitch nochmal und dann geht es los."
Chris: Sehr gut."

Die Rollos, die ich runterlassen wollte, kann ich noch schließen, dabei werfe ich noch einen letzten Blick durch das Haus und warte schlussendlich noch im Flur auf Christina, bis sie ihren Kater gefüttert und sich verabschiedet hat, damit wir danach mit unseren Sachen das Haus verlassen und zu meinem Auto gehen können.
Christina: Wie lange fahren wir bis nach Frankfurt?"
Chris: Knapp dreieinhalb Stunden. Einmal machen wir aber Pause, dann können wir beide einmal fahren. Gegen 17 Uhr sollten wir aber da sein und ich muss dann einmal zum Stadion laufen."
Christina: Dann lass uns keine Zeit verlieren. Kann ich die erste Strecke fahren? In der Innenstadt muss ich mich nicht zurechtfinden."
Chris: War ja irgendwie klar."
Ich drücke Christina den Schlüssel in die Hand und gehe danach rüber auf die Beifahrerseite, damit ich dort einsteigen kann.

Über ihr Handy lässt Christina eine Playlist laufen, wodrin ich einige Songs aus unseren Shows erkenne. Ich checke zwischendrin die Mails und meine Nachrichten, halte Andreas auf den Laufenden und spreche immer wieder mit Christina, während sie uns über die Autobahnen steuert. An einer der Raststätten hält sie, wir machen Pause und tauschen danach Plätze, damit ich die letzte Strecke fahren kann.

Das Hotel hatte ich im vorhinein gebucht, mein Bruder ist hier ebenfalls mit seiner Familie und eigentlich ist hier jeder untergebracht, der von uns kommt. Christina ist still hinter mir, während ich uns anmelde, die letzten Sachen unterschreibe und danach die Schlüsselkarten bekomme, damit wir endlich aufs Zimmer können. Den Fahrstuhl finden wir schnell, es geht in die vierte Etage und dann nochmal einen Flur hinab, bis wir vor der Tür mit der richtigen Nummer stehen.
Christina: Das ist unser Zimmer für die nächste Woche?"
Wir kommen ins Hauptzimmer, wo ein Sofa mit Fernsehen steht und eine Küche ist angedeutet. Eine Tür führt ins Badezimmer und die anderen beide in zwei separate Schlafzimmer. Auch wenn ich im letzten Jahr zwei Nächste mit meiner Tochter in meinen Schlafzimmer die Nächte verbracht habe, aus vielen Gründen sind zwei Zimmer besser.
Chris: Du kannst dir gerne das Zimmer aussuchen, was dir besser gefällt. Ich stelle meine Sachen nur ab und muss danach gleich weiter."
Christina: Ich gehe ins hintere Zimmer. Du wirst vermutlich immer etwas später wieder zurück kommen."
Während Christina lacht, schaue ich verlegen weg und bekomme mit, dass sie danach in das Zimmer geht, was ich ihr nachmache und in meines für die Tage gehe.

Ein Bett, ein kleiner Schrank mit zwei Haken und eine Lampe am Bett. Es ist mehr als ausreichend für die Tage, die wir hier sind. Meinen Koffer stelle ich auf den Boden und will gleich gehen, aber bevor ich das mache, fällt mir wieder ein, dass ich etwas mit habe, was ich meiner Tochter noch geben will. Aus der vorderen Tasche des Koffers hole ich das kleine Buch, was ich nicht mal einpacken konnte und gehe damit aus meinen und in die Richtung von Christinas Zimmer, wo ich kurz klopfe.

Hier sieht es genau gleich aus, es gibt kaum Unterschiede und sie ist gerade dabei ihren Koffer auszupacken, bis ich sie dabei störe. Ich will zu einem Satz ansetzen, stoppe, bringe sie daher zum Lachen und setze wieder zu einem an.
Chris: Ich wollte dir dieses Buch hier noch geben."
Ich halte es ihr entgegen und bekomme erstmal von ihr einen skeptischen Blick, bis sie es endlich annimmt, aber genaustens untersucht.
Chris: Das Buch ist von deiner Mutter und mir."
Sofort schaut sie auf, bevor sie mit einen komplett anderen Blick auf das braune Buch schaut, wo mit goldener Schrift ihr Name drauf steht.
Chris: Wir hatten es angefangen, als du geboren wurdest. Michelle und Torsten hatten uns auf die Idee gebracht und Sarah hatte immer gerne Dinge schriftlich festgehalten. Wir hatten jedes Jahr etwas zu deinem Geburtstag reingeschrieben und wollten es dir geben, wenn du die Schule beendest und ausziehen würdest..."
Christina muss ein wenig lachen, wobei ich in ihren Augen sehen kann, dass sie auch etwas melancholisch wird, wenn sie daran denkt, dass es etwas ist, was uns als normale und ganze Familie ausgemacht hatte.
Chris: Du kannst dir denken, dass seit 2011 nichts mehr eingetragen wurde und...ich wollte einfach, dass du es bekommst."
Ich schaue sie zwar noch kurz an, muss mich danach aber auf den Weg machen und will ihr Zimmer wieder verlassen.
Christina: Danke..."

Einen letzten Blick werfe ich noch zu ihr, wo ich erneut mitbekomme, dass sie nicht von dem Buch aufschaut, sondern immer wieder mit der Hand über ihren Namen streicht. Ich hingegen lächle nur ein wenig, bevor ich die Tür zu ihren Zimmer anlehne, meine Zimmerkarte nehme und in mein Portmonee stecke, damit ich danach das Zimmer verlassen kann. Nebenbei, während ich wieder den Flur runterlaufen zum Fahrstuhl, schreibe ich Andreas, dass ich gleich da sein werde. Der Countdown bis zur Show läuft...

Nameless to YouWo Geschichten leben. Entdecke jetzt