Kapitel 61

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Mitten in der Nacht werde ich wach und muss erstmal begreifen, wo ich mich befinde. Nach dem ersten Film haben Papa und ich noch einen weiteren angefangen. Angefangen, denn ich kann mich überhaupt nicht an das Ende erinnern. Währenddessen muss ich eingeschlafen sein. Dieses Mal hatte er mich aber nicht hier im Wohnzimmer zurückgelassen, sondern ihm ist genau das gleiche passiert. Mein Vater ist hier auf dem Sofa während des letzten Filmes eingeschlafen.

Hier ist es still, der Fernseher hat sich irgendwann selbst ausgestellt und nur durch die offenen Fenster sehe ich, dass es irgendwas zwischen eins und vier sein dürfte. Immerhin sieht es nicht danach aus, dass es bald hell werden würde. Als ich ein paar klare Gedanken fassen kann, nehme ich meinen Vater auch wahr, der neben mir liegt. Ich habe das vorher schon mitbekommen, aber scheinbar ist der wirklich komplett noch weg. Und ich muss dringend ins Badezimmer. Vor dem Sofa liegt mein Kater, der mich verschlafen anschaut, als dieser mitbekommt, dass ich leise aufstehe. Immer wieder schaue ich zurück, um sicher zu gehen, dass ich Papa nicht wecke. Als ich dann aber die Tür seines Badezimmers hinter mir schließe, bin ich erstmal sicher. Ich gehe schnell auf Toilette, deswegen bin ich hier, löse meine Haare aus dem Zopf und nehme die Kontaktlinsen noch raus. Die Zimmer meines Dads sehen alle so halb fertig aus. Als hätte er darauf gar nicht geachtet, seitdem wir beide hier leben. So leise, wie ich hergekommen bin, verlasse ich auch wieder das Zimmer und gehe zur Treppe. Papa liegt auf dem Sofa, schläft in Ruhe und ich bleibe stehen. Zumindest eine Decke könntest du ihm geben. Es ist wirklich kalt geworden.

Sein Schlafzimmer sieht genauso triste aus, wie alles andere, was in seinem Wohnbereich ist. Kaum etwas scheint hier fertig zu sein, alle Wände sind noch komplett weiß, nichts sieht danach aus, als würde hier jemand seit einem Jahr leben. Es war ihm immer nur wichtig, dass es dir gut geht. Er hat sich selbst immer nach hinten gestellt. Von seinem Bett nehme ich die Decke runter, verlasse das Zimmer und gehe wieder zu ihm ins Wohnzimmer. Vor dem Sofa liegt noch immer Stitch, der auch nicht so aussieht, als wolle er von dort weg gehen. Warum sollte ich dann auch gehen? Wie zuvor lege ich mich wieder mit aufs Sofa und versuche mit unter die Decke zu kommen. Ich denke, dass er mich gar nicht mitbekomme hat, bis mein Vater seine Arme um mich legt und mich bei sich hält. Okay, damit hatte ich nicht gerechnet. Und scheinbar hat er das vollkommen unbewusst im Schlaf gemacht.
Chris: Bleib bei mir Kleine..."
Er hat Angst mich zu verlieren. Mein schwaches Lächeln kann er nicht sehen, aber ich mache keinerlei Anstalten und bleibe liegen bei ihm. Stitch bleibt auf dem Boden liegen und es scheint so, als hätte auch er das bekommen, was er wollte.
Christina: Ich werde immer bleiben, Papa...keine Sorge..."

Ich hasse das Sofa, denn nach einer einzigen Nacht darauf habe ich immer Schmerzen. Immer an anderen Stellen, aber sie sind am Morgen immer da. Im Zimmer ist es wieder so hell, wie ich es erwartet hatte, wenn alle Rollos oben gelassen wurden. Zu meinen Füßen liegt wieder mein Stitch, aber ich bin hier allein. Zögernd und sehr langsam öffne ich meine Augen und richte mich etwas auf, wobei ich schnell meinen Blick in die Küche wandern lasse. Dort steht mein Vater, hat sich für uns beide ums Frühstück gekümmert und muss etwas anfangen zu lächeln, als er mitbekommt, dass ich wach geworden bin.
Christina: Morgen..."

Mit meiner Hand gehe ich über meine Augen. Für mich war die Nacht einfach zu kurz, egal, wie spät oder früh es jetzt gerade ist. Mein Kater springt vom Sofa, ich setze mich auf und höre einzig die Schritte meines Vater, der zu mir kommt. Erst als ich aufstehe, stehen wir beide uns gegenüber. Seine zu gute Laune ist ansteckend, sodass ich etwas lächeln muss.
Chris: Guten Morgen Christina und alles Gute zum Geburtstag."
Bevor ich lachen könnte, werde ich für einen Moment umarm und ich genieße das. Der erste richtige Geburtstag, den wir seit vielen Jahren zusammen haben.

In der Küche hat Papa alles dafür bereits gestellt, dass wir zusammen ein schönes Frühstück haben. Am Ende ist es die Zeit, die man niemanden nehmen kann. Sie ist das schönste Geschenk, was man geben kann. Nach dem ersten Kaffee am Morgen bin ich auch wieder ansprechbar und anwesend.
Christina: Okay, ich frage einfach mal: Was hast du heute mit mir vor?"
Wenn er gestern noch meinte, ich solle den Tag nicht so schlecht reden und heute beginnt er ihn schon auf diese Art und Weise, dann hat er vermutlich einen Plan. Bevor er mir antwortet, legt er sein Handy zur Seite weg. Seltsam, dass du so daran hängst.
Chris: Ich dachte, dass wir uns beide nach dem Frühstück vermutlich nochmal fertig machen wollen. Zumindest würde ich ganz gerne nochmal duschen gehen."
Christina: Da wäre ich auch dabei."
Gestern konnte mich auch nichts dazu motivieren, dass ich das Sofa oder meinen Vater verlassen hätte. Und auch er ist mir nicht von der Seite gewichen. Die Dusche könnte uns beiden ganz gut tun.
Chris: Ich dachte dann einfach, dass wir gemeinsam in die Stadt gehen und heute Abend irgendwo essen. Ich hatte leider keinen Einfall, was du zum Geburtstag haben wollen würdest und denke, dass es so am einfachsten sein würde."

Jedes Jahr hatte mich Bolin auch immer wieder gefragt. Und jedes Jahr konnte ich ihm keine richtige Antwort geben, da ich nichts wollte. Ich hatte mir immer gewünscht, dass alles wieder gut werden würde, dass Mama wieder da wäre. Heute wünsche ich mir einfach, dass ich die Zeit, die ich verschwendet habe, mit meinen Papa nachholen könnte. Wenn man älter wird, merkt man irgendwann, dass nichts materielles jemals die Momente ersetzen kann, die man mit einen Menschen erlebt.

Auch wenn ich denke, dass Papa gar nicht auf eine Antwort wartet, da für ihn der Ablauf recht klar ist, möchte ich sie ihm geben. Er schaut für einen Moment wieder auf sein Handy und erst ich reiße seinen Blick davon hoch zu mir.
Christina: Dürfte ich mir etwas wünschen?"
Chris: Wenn es für mich umsetzbar ist."
Christina: Du bist Magier."
Wegen dieser Aussage muss er etwas lachen, trinkt danach aber etwas aus seiner Tasse, während er auf mich wartet.
Christina: Ich würde gerne nochmal mit euch auf Tour kommen. Zu den Osterferien, vor den Prüfungen. Natürlich auch, wenn ihr im Juni in Frankfurt spielt. Ich will einfach nur Zeit mit dir haben. Das ist es, was ich mir wünsche."
Als hätte er damit nicht gerechnet, schaut er mich zuerst leer an, bevor er glücklich lächelt.
Chris: Nichts leichter als das...

Nameless to YouWo Geschichten leben. Entdecke jetzt