Es ist beschämend.
„Das Schlimmste ist. Dass ich dankbar bin, dass man mich aus meinem Atelier gerissen hat. Dass ich für tot erklärt wurde. Dass mir ein neues Leben geschenkt wurde. Wenn auch nur für kurze Zeit. Ich habe einfach aufgegeben. Ich bin weggelaufen und habe getan, was alle getan haben. Bin zur Arbeit gegangen, habe Freunde gefunden. Habe all diese sozialen Dinge gemacht, Clubs. Bars. Kinos. Geburtstage. Feiertage. Es war immer das Gleiche. Aber glücklich? Das war ich an keinem einzigen Tag. Es war ein Kampf. Jeden Tag ein Lächeln ins Gesicht zu kleben. Jeden Tag allein zu sein. Am Anfang dachte ich, ich bilde mir das ein. Träume. Aber es war kein Traum. Ich hatte keine Verantwortung mehr für mein eigenes Leben. Plötzlich waren es Dante und Nate, die das Kommando übernommen habeb. Jetzt ist es nicht anders, du bestimmst, wo es lang geht. Während ich hinter dir sitze und dieses Höllenteil genieße, sollte ich ein schlechtes Gewissen haben. Aber das tue ich nicht. Ich will nicht wieder im Studio sitzen und dort verrotten und alt werden. Ich habe es so satt, für alle etwas vorzuspielen".
"Als Grahm kam, hat mich das daran erinnert, wer ich bin. Das wollte ich wieder haben. Aber dann erinnere ich mich plötzlich an die Familien, die um Menschen trauern, die ermordet wurden, wegen eines Mannes, der eigentlich nur mich will. Ich will mich nicht ausliefern lassen Tegan, aber mein Verstand schreit jeden Tag wie falsch das alles ist. Soll er mich doch haben, dann müssen wenigstens die anderen nicht mehr leiden. Dann denke ich wieder, dass das nichts ändern wird, weil er nicht bekommt, was er will. Egal was er geplant hat, ich bin nicht die die er will. Er hat ein ganz falsches Bild von mir. Er stellt sich mich ganz anders vor. Was macht es denn für einen Unterschied, ob ich weiter hinter dir sitze und die wenige Zeit genieße, die mir noch bleibt, oder ob ich mich ausliefern lasse? Es ist ein verdammter Teufelskreis. Mehr ist es nicht. Ein verdammter Kreis der sich erst schließt wenn der Arsch gefunden ist. Und davor habe ich Angst..." Ich kann meine Gedanken kaum für mich behalten.
Bei Nate habe ich es tausendmal gedacht. Bei Tegan habe ich das Bedürfnis, ihm alles zu gestehen.
Ich starre immer noch auf die Wellen, die immer wieder ans Ufer schwappen. Tegan ist da, das spürte ich. Ob er etwas sagen würde, ist eine andere Frage. Aber das ist auch nicht wichtig, wichtiger ist, dass ich mir die Wahrheit eingestehe. Ich habe wirklich Angst, dass er gefunden wird.
Das heißt, ich muss zurück in mein altes Leben, zurück zu meinen Freunden, die alle einen Partner haben und ein glückliches Leben führen. Die alle ihre Arbeit machen, weil sie sie lieben. Ich liebe meine Arbeit auch, aber sie langweilte mich genauso. Ich hatte oft das Gefühl, in diesen Mauern zu verrotten.
Hier mit dem anderen zu sein, ständig unterwegs zu sein, Abenteuer zu erleben, die man nicht als solche bezeichnen sollte, das gefällt mir. Es ist zwar dumm von mir, mich auf diesen Wahnsinn einzulassen, aber es hat seinen Reiz. Und dafür fühle ich mich am Meistens schuldig. So etwas darf man nicht genießen, es ist falsch etwas zu wollen, was Unglück bringt. Und doch will ich nicht zurück, will diese Erfahrungen mit ins Grab nehmen, wenigstens sagen können, dass es eine Zeit in meinem Leben gab, in der ich mich frei gefühlt habe. In der ich glücklich war.
„Es ist normal das du so fühlst. Ich kann verstehen das du dich frei fühlst. Es ist schwer Verantwortung zu tragen, aber du trägst sie auch. Jeden Tag ob für Dante oder für mich. Du hast auch Entscheidungen zu tragen wenn wir auf der Flucht sind. Für dich mag es jetzt noch so sein, dass du dich frei fühlst, aber auf Dauer ist das nicht dasselbe Gefühl. Irgendwann wird es dir auf die Nerven gehen nicht das zu tun was du willst.
Aber eines darfst du nie vergessen, auch wenn es vorbei ist. Du kannst immer noch tun, was du willst, wann du willst", sagt Tegan fest und sieht mir in die Augen. Er sagt die Wahrheit, es ist meine eigene Entscheidung. Ich lächel schief.
„Stimmt, wir sollten weiter", ich will den Moment nicht zerstören. Doch ein tiefes böses Kribbeln in meinem Magen lässt mich schneller sprechen. „Du spürst es auch, oder? Lass uns gehen und schnell fahren."
Wie ein Instinkt der mich drängt sofort zu flüchten.
Tegans Verhalten gleicht meinem. Wir setzen uns auf die Maschine und fahren los. Schneller als sonst, aber dafür kontrolliert. Als wir einen Parkplatz gefunden haben, stellen wir uns an die Büsche. Tegan dreht mich mit dem Rücken zur Maschine und nimmt mich in die Arme. Ich tue so, als würde ich mich in seinen Armen entspannen. Dabei bin ich auf der lauer, was um uns herum geschieht.
Dieses Gefühl als würde eine Bedrohung immer näher rücken, lässt mich wachsam sein.Das Gefühl lässt nicht nach und macht mich extrem nervös. Lastwagen rasen an uns vorbei. Familien in den Autos die eine kurze Rast einlegen, wenige steigen aus um sich die Beine auf den Parkplatz zu vertreten. Jeden habe ich im Blick. Jeden einzelnen der uns ansieht. Finde aber keinen, der dieses nervöse Kribbeln auslöst. Es lässt meine Nerven vibrieren, ich bin so auf der Hut, dass ich mich in Tegans Jacke kralle.
Minuten vergehen, in denen wir schweigend dastehen, mein Gesicht geschützt an Tegans Hals, eine Waffe an meiner Hüfte. Tegan, der Gewalt ausstrahlt. "Wir sind hier ziemlich offen, Tegan."
„Ich weiß, bleib ruhig, Elena."Das ist gut gesagt, ich kann kaum ruhig bleiben. Es raubt mir den letzten Nerv. Gerade als ich mich entspannen will, sehe ich einen jungen Mann, der mir völlig fremd ist, aber der lässt mein Alarmglocken losgehen. Er schaut nicht mich an, sondern eine kleine Familie in einem Van, die Frau sieht ein wenig aus wie ich. Nur mit braunen Haaren, ihre Augen sind etwas dunkler. Ihre Statur etwas fülliger, und doch sieht sie mir ähnlich. Der Mann beobachtet alles, macht Fotos, telefoniert dabei. „Keine zehn Meter vor mir sitzt in einem Grauen Ford ein Mann, den ich nicht kenne. Seine Haare hängen in einer dieser hässlichen Mützen, die diese Hipster tragen. Er hat einen kurzen rötlichen Bart. Er beobachtet die kleine Familie, fotografiert und telefoniert. Er ist nicht der, der mich will, aber er arbeitet für ihn" ...
Sage ich ruhig aber mit einer Gewissheit in der Stimme.
Bevor ich weiterreden kann, dreht mich Tegan so, dass ich zwischen seinen Beinen eingeklemmt auf der Maschine sitzen kann. Niemand würde mich sehen, schon gar nicht jetzt. Tegan schirmt mich völlig ab. Er reagiert auf alles, was ich ihm sagt, vor lauter Adrenalin, weil der Typ so nah ist, halte ich mich an Tegans Hose fest.
Mit einer Hand hält er meine Hüfte fest, kreiselt beruhigend mit seinen Daumen auf meiner nackten Haut. Es macht mich wahnsinnig, ausgerechnet in dieser blöden Situation erregt mich eine so harmlose Bewegung. Am liebsten hätte ich die Augen verdreht. Ich sehe, wie Tegan eine Pistole zieht, dicht vor meiner Brust zielt er auf den Kopf dieses Mannes. Aber er wartet, wartet, bis die Familie weg ist.
Weitere Minuten vergehen, in denen ich mir eine lautstarke Predigt halte . Ich sehe nicht, ob der Mann im Auto uns bemerkt hat, ich sehe nicht, ob die Familie noch da ist. Ich spüre nur Tegan, seine wachsame, starke Ausstrahlung direkt vor mir. Ich beiße mir so fest auf die Lippe, dass ich Blut schmecke, nur ganz wenig. Es reicht nicht aus, meine Gefühle zu stoppen, zu allem Überfluss sehe ich, dass Tegan einen Ständer bekommt, natürlich berühre ich ihn nicht. Aber ich krallte mich fester in seine Hose. Plötzlich wird neben meiner Hüfte etwas unerträglich heiß, ich versuche nicht zu zucken, aber es ist verdammt heiß, als hätte ich mir die Haut verbrannt.
Der Schmerz schießt mir in die Seite, ich weiß, dass er geschossen hat, aber es ist mir egal. Ich lasse meinen Kopf vor Schmerz gegen Tegans Bauch fallen. Ich habe das Gefühl ohnmächtig zu werden. „Elena?" er klingt so besorgt, dass ich ihn beruhigen will. Doch dazu kommt es nicht. Ich kämpfe gegen eine Ohnmacht an, die mich in die Dunkelheit ziehen will.
„Elena? Was ist los?"...
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meine Bodyguards
Mystery / ThrillerElena White, 26 Jahre jung und in Zeugenschutzprogramm. Dieses Zeugenprogramm läuft nur ganz anders als gedacht. Ein Psycho Stalker tötet all ihre Verwandten, Freunde und sogar bekannte erst war sie die Hauptverdächtige und dann plötzlich das Schu...