Kapitel 7

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•2013•

Nun stand ich also hier; schwarze Hose, schwarzes T-Shirt vor einem weißen Hintergrund; links von mir ein weißes Sofa, rechts von mir Johannes mit dem gleichen Outfit, wie ich: "Schick, Sinn", grinste er, nachdem er mich von oben bis unten gemustert hatte, und ich lachte nur kurz. Ich starrte wieder nach vorne, wo ein paar Menschen hektisch im Raum umherliefen und sämtliche Kameras auf uns gerichtet waren. In der Ecke links vor uns standen Kris und Niels; Kris mit einem Gesichtsausdruck, der zeigte, dass er es kaum abwarten konnte, und Niels der mich skeptisch musterte. Flo ist nach der Bandpause ausgestiegen und wir hatten keinerlei Kontakt mehr.

"Bereit?", fragte uns die Leiterin des Ganzen - Kathi. "Wie? Jetzt schon?", platzte es unüberlegt aus mir und ich sah verwirrt in die Runde. Johannes schielte skeptisch zu mir rüber.
"Erstmal nur ein kleines Interview", erklärte die Frau. Ich nickte erleichtert und hörte Johannes flüstern: "Was ist denn los mit dir?" Ich zuckte stumm mit den Schultern und schluckte, während ein Assistent ein Zeichen gab und ein Licht an der Kamera direkt vor uns rot aufzuleuchten begann.
"Also... Mussten Sie lange überlegen, bei der GQ #Mundpropaganda Aktion mitzumachen?", war die erste Frage, die Kathi uns stellte. Ich sah unsicher zu Johannes, der die Frage locker beantwortete, als würde er diese schon kennen. So ging das ein paar Minuten, ich versuchte mehr oder weniger selbstsicher auch mal die ein oder andere Frage zu beantworten und bekam das meiner Meinung nach auch recht gut hin. Mit jeder weiteren Sekunde, die ich dort stehen musste, sank auch meine Nervosität vor dem Kommenden.

"Ok, das wäre es mit den Fragen. Meinetwegen könntet ihr dann loslegen", schmunzelte Kathi und mein Herz stockte. "Wollen Sie uns keine Anweisungen geben?", fragte Johannes irritiert; scheinbar wurde auch er langsam nervös. "Ihr habt doch schon einmal jemanden geküsst, oder nicht?", lachte die junge Frau, winkte jedoch auf Johannes' und meinen ernsten Blick hin ab: "Tut mir leid; ich weiß was ihr meint. Probiert einfach ein bisschen aus; wir bessern gegebenenfalls eure Position ein wenig aus."
Johannes nickte und drehte sich zu mir, ich atmete schwer aus und drehte mich ebenfalls um 90°. "Wartet!", sagte einer der Kameramänner, ehe Johannes seine Hände auf meine Schultern legen konnte. "Irgendwas stimmt mit der Kamera nicht, gebt mir einen Moment", murmelte er und fuchtelte an dem schwarzen Ding rum. So eine Kamera wollte ich auch immer mal haben - aber das hatte hier nix zu Sache.
"Na, schon Bock?", lachte Johannes und wackelte mit den Augenbrauen. Ich lachte nur sarkastisch auf und wandte meinen Blick von ihm.
'Um ehrlich zu sein, warte ich schon seit gefühlten Ewigkeiten darauf, dich zu küssen', ging es mir durch den Kopf. Was hatte ich mir hier eigentlich eingebrockt? Die Gefühle für Johannes, die mich immer mal wieder überrollten, wollten einfach nicht verblassen. Statt ihm aber aus dem Weg zu gehen, habe ich mich auf diese Kampagne eingelassen und jetzt wird sich mein Wunsch erfüllen, Johannes zu küssen - für die Kamera und als Zeichen gegen Homophobie. Mehr ist das nicht; zumindest nicht für ihn.
"Hey, alles okay?", fragte Johannes, der meine blasse Gesichtsfarbe wahrnahm. Nein, nichts war ok. Er war seit Jahren mit Anna zusammen, sie wohnten mittlerweile zusammen und ich hatte zwischenzeitlich nur Beziehungen mit irgendwelchen Frauen, in der Hoffnung, Johannes vergessen zu können - wenigstens diese Gefühle für ihn. Ich nickte: "Ja, alles in Ordnung." - "Jay, wir müssen das nicht machen. Es ist ok, wenn du das nicht willst." - "Nein, schon gut. Ich finde das Projekt gut. Mir ist nur...etwas schwindelig. Die Luft; weißt du?" Er nickte, seine tiefbraunen Augen musterten noch kurz mein Gesicht und dann lächelte er.

Der Kameramann von eben riss mich aus meinen Gedanken: "Ok, meinetwegen könnt ihr jetzt loslegen."

Bis zum letzten MomentWo Geschichten leben. Entdecke jetzt