Kapitel 58

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"Wir sollten zurück ins Warme, bevor wir noch krank werden", flüsterte ich, während Johannes' Kopf auf meiner nackten Brust ruhte, seine Finger kreisende Bewegungen auf meinem Bauch nachfuhren, unsere Beine seltsam miteinander verschlungen waren und eine weitere Decke, die ich mitgenommen hatte, uns vorm Auskühlen schützte. "Ich will aber noch nicht. Wir wären nicht mehr alleine, sondern umgeben von sämtlichen Menschen. Wir müssten zurück in diesen stickigen Bus, mit den für zwei Leute viel zu engen Kojen." Seufzend stützte Johannes sein Kinn auf, um mich anzusehen. Ich wusste, wie sehr er dort liegen bleiben wollte und meine Nähe spüren wollte, während niemand uns stören konnte. Die letzten Nächte waren hart - wir lagen in getrennten, unbequemen 'Betten'. Keiner, der den Arm um dich schlang. Kein warmer Atem in deinem Nacken. Kein kaum hörbares und trotzdem nerviges Schnarchen direkt an deinem Ohr. Kein Gefühl von Sicherheit. Johannes fehlte mir nachts viel zu sehr. Es war schrecklich in diesen blöden Kojen zu schlafen und scheinbar ging es ihm genauso.

"Wer hat denn von unserem Tourbus geredet?", fragte ich mit einem verschmitzten Grinsen und Johannes schnellte verwirrt hoch, was ich als Chance sah, mich ebenfalls aufzusetzen und mir schonmal mein Hemd anzuziehen. "Was meinst du?" - "Ich hab' uns ein Hotelzimmer gebucht. Ist nicht weit von hier." Er legte irritiert seine Stirn in Falten und warf mir meine Boxer zu, ehe er nun selbst begann, sich anzuziehen. "Was verstehst du daran nicht? Wir werden die Nacht gemeinsam in einem bequemen, weichen und breiten Bett verbringen. Wir müssen nur pünktlich um 12:30 Uhr wieder am Tourbus sein." Ruckartig lehnte er sich wieder zu mir 'rüber und drückte seine Lippen hastig auf meine: "Dann sollten wir uns beeilen, zum Hotel zu kommen, um die verbliebenen..." Er unterbrach und warf einen Blick auf sein Handy. "...zehn Stunden und sechzehn Minuten sinnvoll nutzen."

*****

Am nächsten Morgen wurde ich von sanften Küssen entlang meiner Wirbelsäule und dem vorsichtigen Streicheln über meine Seite geweckt. "Guten Morgen", raunte Johannes in mein Ohr und ich drehte mich auf meinen Rücken. Ein breites Lächeln zierte das müde Gesicht meines Freundes - wir hatten zwar endlich mal wieder eine Nacht kuschelnd in einem richtigen Bett verbringen können, doch viel Schlaf haben wir beide nicht gekriegt. Viel zu sehr hatten wir es genossen, mal wieder alleine zu sein, die Nähe des anderen zu spüren - ohne, dass sich jemand über unsere Turteleien beschwerte. "Moin", gähnte ich, während ich mich streckte, um Johannes anschließend in meine Arme zu ziehen. Er legte seinen Kopf auf meine Schulter und strich über meinen Arm, den ich um seinen Oberkörper geschlungen hatte. "In elf Tagen können wir wieder jeden Morgen so in den Tag starten." Als Antwort drückte ich meine Lippen auf seine Haare. Natürlich liebten wir es, auf Tour zu sein, verschiedenste Städte zu erkunden und unseren Fans unsere Musik zu präsentieren, aber gerade jetzt, nachdem wir wohl endlich das schwierigste hinter uns hatten und nur noch das öffentliche Outing unserer Liebe 'im Weg stand', wollten wir es einfach genießen können, ein Paar zu sein.

"Was denkst du? Wollen wir heute mit Kris und Niels sprechen?" - "Du meinst, um es öffentlich zu machen?", hakte ich nach und vernahm daraufhin ein Nicken. "Natürlich nur, wenn du bereit dafür bist", schob Johannes an und ich zog ihn noch näher an mich: "Ich will jedem da draußen zeigen, wie glücklich ich mit dir bin, Johannes Strate." Ich hauchte ihm einen Kuss auf die Schläfe und er drehte seinen Kopf, um mich mit diesem schönen Lächeln anzusehen, das mich schon damals bei unserer ersten Begegnung in der Musikhochschule kurz vergessen lassen hat, wie man atmet.

"Na, ihr Turteltauben?", begrüßte uns Kris grinsend, als wir wieder am Tourbus ankamen und wir uns vor diesem zu dem Rest der Band auf einer Decke gesellten. "Ausgeschlafen?" Er wackelte mit seinen Augenbrauen und legte seinen Arm um Johannes' Schultern. Dessen einzige Antwort war ein peinlich berührtes Lachen und ein sanfter Hieb mit dem Ellenbogen.
"Was ist denn mit dem los?", fragte ich irritiert, als ich Niels entdeckte, der nur wenige Meter von uns entfernt auf dem Rasen saß. Er war mit dem Rücken gegen den Tourbus gelehnt, hatte seine Beine angezogen und seinen Kopf in seinen Knien vergraben. "Zu viel gesoffen", schmunzelte Arne.
"Hey, Grötsch!", rief ich in seine Richtung, woraufhin er stark zusammenzuckte und - sich die Schläfen massierend - aufschaute. Er sah ziemlich blass aus und rollte genervt mit den Augen, als er unsere dämlichen Grinsen erkannte. Ich raffte mich auf und ging auf ihn zu, reichte ihm meine Hände und zog ihn auf seine Beine. "Was willst du?", murrte er heiser und schirmte mit seiner Hand sein Gesicht von der Sonne ab, während er gleichzeitig seine Augen zusammenkniff. "Es gibt was zu besprechen." - "Muss das jetzt sein? Ich fühle mich nicht lebendig genug, um über wichtige Dinge zu entscheiden." - "Selbst Schuld", lachte ich und schob ihn in den Tourbus. Bevor ich ihm folgte, winkte ich Johannes zu mir, welcher sofort verstand und auch Kris dazu brachte, mitzukommen.

"Worum geht's?" Kris stützte sich mit seinen Ellenbogen auf dem Tisch, um den wir verteilt saßen, und lächelte neugierig. Niels sah so aus, als würde er jeden Moment wieder einschlafen, und bemühte sich, seine Augen aufzuhalten.
"Um unser öffentliches Outing."

Bis zum letzten MomentWo Geschichten leben. Entdecke jetzt