Kapitel 101

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"Ich bin fertig", rief ich Richtung Bad, während ich selbst gerade aus Ricks Schlafzimmer kam, meinen Gürtel schloss und mein hellblaues T-Shirt anschließend glattstrich, ehe ich mir meine dunkelgraue Jacke von der Garderobe schnappte und sie überzog.
"Komme sofort", kam es von meinem Freund zurück, weshalb ich mich nochmal gemütlich an die Flurwand lehnte und mir meine Wartezeit damit vertrieb, ein wenig auf Instagram 'rumzuscrollen. "Kann ich so los?" Rick tauchte plötzlich aus dem Badezimmer auf und stellte sich am Flurende vor den riesigen Spiegel, um sich skeptisch darin zu betrachten. Schmunzelnd tapste ich an ihn heran und schlang meine Arme um seine Hüften, streckte mich etwas, um mein Kinn gemütlich auf seiner Schulter zu stützen zu können. Der intensive, gutriechende Geruch seines Lieblingsparfüms stieg mir in die Nase und ich lächelte Rick durch den Spiegel hinweg an: "Du siehst gut aus; das habe ich dir aber bereits vor zehn Minuten gesagt." Sanft drückte ich meine Lippen auf seinen Kiefer und wartete eine Reaktion ab, doch Rick starrte nur weiter misstrauisch in den Spiegel. Er trug eine dunkle Hose und ein weißes Shirt, über das er offen ein lockeres, groß-kariertes Hemd trug, dessen blaue und rote Töne das Grün seiner Augen extrem herausstechen ließen. Seine blonden Haare waren etwas mehr gestylt als sonst, wirkten aber dennoch nicht schnöselig, sondern immer noch lässig.

"Es ist nur der Geburtstag einer meiner Freunde. Wenn du dich noch ein weiteres Mal umziehst, wirst du irgendwann overdressed sein." - "Du bist doch selbst nervös", merkte Rick seufzend an und ignorierte damit den zweiten Satz meiner Aussage, legte jetzt jedoch seine Hände auf meine, die immer noch auf seinem Bauch platziert waren.
"Im Gegensatz zu dir bin ich aber nicht nervös, weil ich Angst habe, dass sie dich nicht mögen könnten - das werden sie nämlich sowieso -,sondern... weil es einfach seltsam ist, seinem Ex den neuen Freund vorzustellen." Ich machte aus meiner Sorge diesbezüglich kein großes Geheimnis. Rick kannte Jos und meine Geschichte, wusste, dass es bis vor kurzem noch mehr als angespannt zwischen uns war, Johannes aber zu meinen Freunden zählte und er mir nicht egal war.
"Ich weiß. Das kann ich auch verstehen." Mein Freund löste sich aus meiner Umarmung, drehte sich zu mir und legte seine Hände seitlich an meinen Hals, um mit seinen Daumen über meinen unteren Kiefer zu streichen: "Das wird für uns drei 'ne komische Situation, aber ich verspreche dir, dass ich mich benehmen und nicht verstellen werde." - "Etwas anderes hätte ich auch nicht von dir erwartet", schmunzelte ich leicht und hauchte Rick noch einen Kuss auf die Lippen, ehe ich ihm mit einer leichten Kopfbewegung Richtung Tür zu verstehen gab, dass es Zeit zum Aufbruch war, wenn wir pünktlich sein wollten.

Nach einer kurzen Fahrt mit der U-Bahn und einem kleinen Fußmarsch, erreichten Rick und ich die überschaubare Kneipe, die Niels extra für diesen Abend gemietet hatte, um alle geladenen Gäste unterzukriegen und mit reichlich Getränken zu versorgen. Warme Luft schlug Rick und mir beim Betreten der Location ins Gesicht und ich verschaffte mir zunächst einmal einen Überblick über die Menschen, die schon da waren, sich an der Bar tummelten oder sich an der Pizza bedienten, die auf einem Tisch am Rand in drei großen Blechen platziert war.
"Da ist Niels." Ich zeigte auf den Gitarristen, der sich gerade mit zwei Männern unterhielt, die mir vage bekannt vorkamen, ich allerdings zunächst nicht zuordnen konnte - wahrscheinlich alte Schulfreunde von ihm. Niels sah in genau diesem Moment zu uns, lächelte breit und schien sich bei seinen zwei Freunden zu entschuldigen, denn einen Augenblick später schob er sich an ihnen vorbei und kam auf uns beide zu: "Hey, schön, dass ihr da seid!" - "Schön, dass wir kommen durften", scherzte ich und umarmte ihn fest, klopfte ihm liebevoll auf dem Rücken und murmelte "Alles Gute, Mann" in seine Schulter.
"Danke", lächelte er, ehe er sich von mit löste, erwartungsvoll zu Rick und anschließend wieder zu mir sah.
"Ja ehm... Das ist Rick. Rick, Niels", stellte ich sie unbeholfen einander vor, fuchtelte dabei dämlich mit den Händen in der Luft und brachte die beiden damit zum Lachen, ehe sie sich locker die Hand gaben, Rick Niels gratulierte und Niels gestand, dass er sich sehr darüber freute, ihn endlich mal kennenzulernen. Es folgte ein kurzer, oberflächlicher Smalltalk zwischen den beiden, den ich allerdings nicht so richtig bewusst mitverfolgte, da ich meinen Blick weiter durch die Kneipe schweifen ließ und nervös nach Johannes Ausschau hielt.

"Okay, bedient euch ruhig, schaut euch um, macht's euch gemütlich - wir werden heute garantiert noch 'ne Menge Zeit zum Quatschen haben." Niels schlug Rick sanft gegen den Oberarm, grinste ihn ermutigend an und steuerte dann auf die nächsten zu, die gerade die Kneipe betreten hatten.
"Nummer eins hast du schon mal überlebt", neckte ich meinen Freund, der daraufhin nur lachend die Augen verdrehte, sich im nächsten Moment allerdings wieder unsicher umsah. Ich legte meinen Arm um seine Hüfte und knuffte ihm in die Seite: "Hey, das wird alles halb so wild." - "Ja, es ist nur... Du weißt, ich bin etwas schüchterner." - "Das werden sie dir schon nehmen", versprach ich schmunzelnd und dachte dabei ganz besonders an Kris, der Rick entweder endgültig einschüchtern oder ihn komplett aus seiner Reserve locken würde.
"Und der Alkohol erledigt den Rest", ergänzte Rick und zog mich verzweifelt auflachend zur Bar.

Bis zum letzten MomentWo Geschichten leben. Entdecke jetzt